Freitag, April 07, 2006

Zeichen des Unabänderlichen


Es gibt Türen, durch die muss man einfach treten. Entscheidungen, die irreversibel sind. Die getroffen werden müssen, um weiter zu kommen. Um sich treu zu bleiben. Mit sich Schritt zu halten.

Als ich die Tage beim Bürgermeister war und auf mein Ratsmandat verzichtete, fand sich wiederum jener Passus, der mir inzwischen öfters im Leben begegnet – diesmal in gutem Beamtendeutsch: „Mir ist bekannt, dass dieser Verzicht nach § 38 des Kommunalwahlgesetzes nicht widerrufen werden kann.“

Gerne sieht man sich mit jeder Möglichkeit versehen. Ich kann dieses oder jenes. Immer. Allzeit. Tun. Ich kann. Ich könnte. Sich alle Möglichkeiten offen zu lassen, sich nicht entscheiden zu müssen, das ist angesagt.

Ich denke, so entstehen Machtphantasien. Meist Männliche. Aber nur das Konkrete ist wirklich. Nur der unwiderrufliche Schritt erzeugt Respekt und Achtung. Und das sind Türen, durch die man nur einmal gehen kann.

Es gibt viele Entscheidungen, die ich in dieser Qualität habe treffen müssen. Zugleich zeigen Sie Abschiede an. Abschiede künden ja immer von Angst. „Durch etwas durch“ zu gehen. Und sei es eine Türe, eine Erfahrung, ein Verzicht.

Meine Entscheidung Frau zu werden, war zum Beispiel eine solche. Irreversibel. Unumkehrbar. Kein Zurück möglich. Wozu auch? Aber man muss dann auch wirklich durch gehen. Und vielleicht einen Moment in diesem Dazwischen verbleiben. Anhalten im Moment der Freiheit. Den Blick nach oben richten.

Es gibt auch dieses Dazwischen Sein, bevor man den letzten Schritt vollzieht. Wohl wissend um die Entscheidung, die man trifft und getroffen hat. Er hat eine eigentümliche Qualität. Es ist ein Stück aufgerissener Himmel, den es aber nur für Moment gibt und geben kann. So als wäre man mit lauter Sternen beschenkt.

Es gibt Türen, die kann man nur einmal durchschreiten.

Im Zeitalter allseitiger Drehtüren wird dagegen das Konkrete irreal. Man geht und kommt, wie man möchte. Sagt, man engagiere sich, um sich jederzeit bei Bedarf wieder zurück zu ziehen. Beliebig. Man möchte viel und tut doch nichts. Redet und redet doch nicht. Will alles und schafft nichts.

Irgendwie verrückt. Oder?

Kein Wunder, dass die innere Lähmung genau dann eintritt, wo man tatsächlich meint, alle Möglichkeiten zu haben. Wo Machtphantasien herrschen, statt konkretes Tun. Und sei es, verbindlich zu werden für andere. Eine eigene Führungskultur zu entwickeln. Ein Blick in die Etagen der Konzerne lehrt anderes. Leider.

Liegt es daran, dass man meint, sich einer wichtigen Möglichkeiten zu begeben, wenn man sich entscheidet. Ins Hintertreffen zu kommen, wenn man selber konkret, behaftbar und authentisch wird? Ich glaube gerade das fehlt.

Oder liegt es etwa daran, dass Entscheidungen beliebig werden, weil keine Gründe ausweisbar sind? Weil man nicht mehr zur eigenen Urteilsfindung bereit ist, sondern nur noch zur Taktik und Strategie: Was schadet und was nützt mir?

Aber wenn man durch die Tür gegangen ist, wachsen neue Möglichkeiten wie von selber. Das sieht man nicht vorher. Vielleicht liegt genau da das Problem.

Am Mut. An der Verzweiflung, die beide nötig sind.
Um erste Schritte zu gehen.





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