Sonntag, April 09, 2006

... über das Schreiben

Das Schöne am Bloggen ist, dass man nicht immer etwas zu sagen hat. Nicht immer etwas zu Schreiben. Dass es Zeiten gibt wie Ebbe und Flut. Zeiten in denen man einfach mal gar nichts schreiben oder von sich mitteilen möchte.

Natürlich denken viele, dass man einen Blog erstellt, um sich in Eitelkeit zu sonnen. Dem ist aber nicht so und das Schreiben fordert eine eigene Achtsamkeit, fast Transparenz von einem selber. Es ist vielmehr eine Disziplin, eine Übung, um mit sich selber im Gespräch zu bleiben. Etwas, was früher die Mönche in ihren regelmäßigen Gebetszeiten auch kannten. Die Zeit finden. Wieder kommen und bleiben, auch wenn nichts zu sagen ist. Sich aushalten können.

Dass ein Mensch mit sich selber reden kann, ist übrigens - wir haben ja immer noch Sonntag - auch eine Entdeckung des Lukas Evangeliums. Das ist noch keinem der Exegeten wirklich aufgefallen, dass die Geschichten des Lukas im Vergleich zu anderen tatsächlich eine eigene Dimension eröffenen. Anders als in glatten Erzählmustern, wie wir sie von Postkarten kennen ( Ja, Wetter ist schön. Sonne ist da. Und dann haben wir dieses und jenes noch gemacht ), erzählt Lukas doppel-deutig. Belichtet innen wie außen.

Andere kommen da nur zu einer Aneinanderreihnung von gesammelten Geschichten und deren Komposition. Lukas gibt diesen eine Dimension im Menschen selber. Schade, dass nur so wenig Prediger davon wissen, weil sie ihre eigene, innere Dimension gar nicht ansichtig werden. Weil sie so unmittelbar massiv und unhinterfragt meinen, allen etwas sagen zu haben. Manchmal macht es mich Schaudern, mit welcher Unsensibilität und Impertinenz ein Mensch davon ausgeht, wichtig zu sein. Nur weil er da ist und einen Talar trägt.

Mit sich selber reden können, ist die Bedingung der Möglichkeit umzukehren und Einsicht zu zeigen. Wer kennt nicht den verlorenen Sohn, der wirklich verloren wäre, wenn er nicht zu sich selber reden könnte - dort in der Fremde am Schweinetrog ? "Da sagte ich zu mir selber ..." "Da erinnerte ich mich ..." Beides sind lebensrettende Vokabeln, die miteinander ins Gespräch kommen. Das Erinnern und das Mit-sich-Reden Können. Zwillingskinder sozusagen, wie ich ja auch eines bin.

Angenehm der Mensch, der sich erinnern kann und mit sich reden lässt. In vielen meiner Coaching Prozesse geht es eigentlich um nichts anderes, als darum: wieder mit sich selber ins Gespräch zu kommen.

Meine Kollegen aus dem Predigerseminar höre ich noch sagen:
Na Karin, was lachste denn wieder so?
Haste Dir wieder einen Witz erzählt?


Ich denke, genau darum geht es.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Liebe Karin Kammann,
ihr blogg kommt immer zur rechten Zeit. Gerade gestern dachte ich: Macht das eigentlich Sinn, diese andauernde schriftliche Selbstbespiegelung? Könnte ich in der Zeit nicht etwas Wichtigeres tun? Ist es nicht doch ein Zeichen der Eitelkeit, nehme ich mich selber nicht viel zu wichtig? Heute morgen, nach dem Lesen ihres neuen bloggs, glaube ich das nicht mehr. Schreiben heißt: sich selber lesen. Das habe ich gestern in dem schönen Buch "Poesie und Therapie. Über die Heilkraft der Sprache." gelesen, dass von Hilarion G. Petzold und Ilse Orth herausgegeben worden ist. Regelmäßig und achtsam wie die Mönche, dran bleiben, auch wenn einem nicht danach ist, schreiben, auch wenn frau oder mann mal nichts zu sagen hat. Das ist ein guter Weg, im Selbstgespräch mit sich zu bleiben. Und darüber in ein Gespräch mit anderen Menschen zu kommen.