Mittwoch, April 19, 2006

Erinnerung nach vorne

Heute musste ich nach langer Zeit meinen Kleiderständer aufräumen, fast abräumen. Unser Gästezimmer wurde in ein Fitnessraum verwandelt. Und da galt es - raus mit den alten Sachen, die nicht mehr passen.

Eigentlich bin ich ein Mensch, der sich gut von diesen Dingen trennen kann. Aber wie merkwürdig, als ich die Bilder für ebay machte, kamen alle Geschichten wieder in Erinnerung. Die versace Lackjacke - die ich auf mancher Party getragen habe. Eine so weiche Haut - second skin. Wo hatte ich die nicht an - auf den CSD Parade 1999 in Köln, wo ich mit dem Cabrio mitfuhr. Der lange schwarze Ledermantel. In Großbritannien hergestellt - dennoch mit Assoziationen an dunklere Zeiten. Kragen hochgeschlagen und die entsprechenden Schuhe dazu. Die waren mit einem Edelstahlbügel gesichert. Schlichte schwarze Zeiten ... ab und an gab es ein Bild von mir.

Ist es das Alter, was einen sentimental werden lässt oder die vielen Veränderungen, durch die man gegangen ist und deren Hüllen nun leblos vor mir liegen. Das Jackett zur Ordination. Doppelreihig grau. Samtbezogene Knöpfe. Hinten ein klassischer Schlößchenrock ... unvergeßlich mein Vater, wie er 1993 da saß, eher ungläubig, dass mir das gelungen war: die Ordination als Ev. Pastorin in Mülheim Ruhr. Dann meine Liz Weinmann Zeit - eine Designerin aus Köln, elegant, eloquent. Ich mochte Frauen mit Macht damals. Was blieb sind zwei Lederjacken, von denen ich mich nicht trennen mag. Wie Fetische an eine gute alte Zeit behalte ich sie im Schrank.
Kann aber auch sein, dass ich mich wieder fit mache. Und austrainiere. Es soll ja auch - das hat nicht nur Kierkegaard behauptet - eine Erinnerung nach vorne geben. Anders beschaffen als die nach hinten gerichtete, die zwanghafte. Davon habe ich ja so lange gezehrt: dass das Leben wieder kommt. Ein Stelldichein des Lebens. Als könne man einen Moment verschwinden und dann wieder da sein.

Erinnerung nach vorne - das trägt nicht immer. Und es wird mit zulaufenden 50 Jahren doch von mal zu mal schwerer, wieder neu anzufangen. Vielleicht, weil man die Spannkraft nicht behalten hat? Die Spannweite der Flügel? Man muss weit ausgestreckt sein und leben, um nicht daran zu zerbrechen.

Egal wie es kommt. Jetzt gibt es diesen Cross-Trainer dort (wie sinnig, das Wort) und dort werde ich meine nicht nur physichen Exercitien demnächst machen.

Bis auf weiteres

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