Donnerstag, November 04, 2010

Zwischentöne aus einem Brief nach Heidelberg


Tatsächlich mag ich diesen Gedanken, dass mein Leben - nicht auch Verneinung heraus, sondern aus dessen Fülle - so oder so hätte verlaufen können und dass man sich von diesen Möglichkeiten eben nicht abschneidet, sondern sie selbstständig wie eine Geschichte weiter mitlaufen, was auch bedeutet, dass ich nicht eine, sondern mehrere Identitäten entwickelt habe, die man früher wohl Nothelfer nannte oder Engel, doch recht eigentlich das sind, was ich NICHT gelebt habe, mir aber jederzeit als Option oder Helferlein zur Verfügung stehen. Also, die Bedingung der Möglichkeit schaffen, ein anderer Mensch zu sein - zu werden.


Das ist ein vielleicht zu langer Satz und noch nicht ausgegoren, aber da lufen eben andere Möglichkeiten meines Lebens mit - die Pastorin vielleicht als eine geglückte Wiederholung, vielleicht auch ein begnadeter Innenarchitekt, was ja immer mein Berufswunsch vorab gewesen ist, oder auch ein biederer Ehemann mit vier Kindern wie wir ihn nebenan erleben dürfen oder auch all die ungelebten, dunklen Seiten, die ich hier und da durchaus auch erkunden durfte.

Eigentlich ist es ja ein stets tröstlicher Gedanke immer wieder: dass die Wirklichkeit immer mehr ist, als wir jemals begreifen können. Auch die eigene ...

Dienstag, Juni 15, 2010

Doch doch - es tut sich was ....

... unfassbar, heute erhielt ich eine Mail von einem guten Freund aus der Schweiz, der zum Judentum konvertiert ist und damit den Heimatweg angetreten hat, war er doch Jahre lang reformierter Pfarrer in der Schweiz. Ich habe ihn in Zürich getroffen damals, als die Welt noch so schön weit war und die Wege irgendwie offen, aber nicht klar. Es braucht manchmal Begegnungen, um sich selber nahe zu kommen. Austausch, um in die Mitte zu gehen. Und die Verbindung, um sich selber auf den Weg zu setzen.

So ist es mir mit ihm ergangen und mein Herz jubiliert innerlich (welch treffend antiquiertes Wort in diesem Zusammenhang), weil er nun das tat, was ich selber damals nicht tat.

Ja, das war NewYorkCity - ein haarbreit Nachbarschaft und Gemeinschaft. Damals ein Stromern durch die Straßen und dann schellte ich an der Upper West Site einfach an - Synagoge, sowas kannte ich nur zerstört und als Inschrift ohne Menschen - und trat ein. Michelle eine Rabbinerin begrüßte mich freundlich, wir redeten kurz miteinander und dann lud sich mich zum Abend ein. Einfach so und es war, als käme ich ich nach Hause. Man feierte SimChat HaThora, also man feierte, dass Gott seinem Volk die Thora gegeben hatte.

Wir trafen uns wieder in einem kleinen Raum mit wenig Menschen. Man begrüßte sich und kein Stuhl war da - nur einer im Kreis trug diese Thora und dann begann die Musik zu spielen und wir tanzten mit der Thora im Kreis und durcheinander und grüßten einander und freuten uns tatsächlich, dass Gott die Thora gab. Ein Erlebnis der eigenen Sorte und ein tiefer innerer Frieden machte ich in mir breit, als wäre ich bei Fremden angekommen - zu Hause.

Das war immer schon mein Gefühl, wenn es ums Judentum oder das Jüdische ging, das mir begegnete. Ich weiss nicht wann und wo, aber Else Lasker Schüler war mir eine treue Mutter geworden, die meinen Weg der Geschlechterkonversion treu begleitete. Ich wusste damals nicht, dass sie auch in Zürich gelebt hatte, als ich das erste Mal meinen Fuß in diese Stadt setze. Und ich nahm genau dort Platz, wo sie auch so oft gesessen haben musste - im Grand Cafe Odeon am Limmatplatz damals, das heute durch eine Apotheke halbiert ist.

Mein Frau Werden begann mit einem Gedichtband von ihr - "Ich muss Dich ansehen immerzu!" - den ich in Wuppertal auf dem Weihnachtsmarkt in Schloss Lüntenbeck erstanden hatte. Dreimal lief ich daran vorbei und musste überlegen, ob ich ihm mir kaufe oder nicht, eben so wie wenn man verliebt ist und nicht gleich tun kann, wie man möchte. Und ich kaufte ihn und fand darin alle Gedichte, die mich begleiten konnten, zuverlässige Stützen auf dünnem Tintenstrich.

"Ich suche allerlanden eine Stadt, die einen Engel vor der Türe hat ... !" Anfänge wie Ende reimten sich mit mir als Person, die so merkwürdig dazwischen gesteckt war. Noch Mann keine Frau, noch Frau ohne Form. Tino von Bagdad nannte sie sich und lief in komischen Gewändern mit einer Flöte durch die Strassen. Deutschlands größte Dichterin, wie Gottfried Benn zu sagen pflegte. Und dann saß ich da im Odeon, einfach so und als ich es merkte, flossen mir Tränen die Wange herunter, einfach so vor Rührung, vor Ankommen auf meiner Flucht vor dieser unmenschlichen Kirche.

All diese Geschichten kommen hoch wie Posaunenklänge, wenn ich lese, dass mein Freund ins Eigene rüber gemacht hat, nun Jude ist, der er immer schon war, da eine jüdische Mutter ihn gebar. All das haben wir in Deutschland nicht mehr, weswegen es schwer ist, jüdische Freunde zu finden, ohne die ich aber nicht leben kann und will.

Simchat HaThora auf der Upper West endete auf jeden Fall, indem wir von Haus zu Haus gingen und immer mehr tanzende Menschen sich uns anschlossen oder wir uns ihnen, bis am Ende eine ganze Straße tanzte und feierte. Schalom, dachte ich da. Und warum nur bin ich nicht durch den Vorgang gegangen, so ganz nah an meiner Seele.

Immer noch eine stille Zuflucht, wenn die Kirche nach mir greifen will, was ab und an passiert. Doch davon später mehr.




Dienstag, Juni 01, 2010

Mann über Bord oder: Habeamus Mamam

Zum singulären Rücktritt eines Bundespräsidenten


Wie heißt es so schön: Die Lücke, die er hinterlässt ....

... wird ihn voll und ganz ersetzen !!!


Im Ernst: populistisch hin oder her. Gute Präsidenten waren die, die unbequeme Wahrheiten aussprachen und das mit ihrer Biographie beglaubigen konnten. Gustav Heinemann hat den Preis seiner Entscheidungen auf sich genommen, hat damals vehement gegen die Wiederbewaffnung agiert, die GVP gegründet und ist später dann als Präsident dennoch unparteiisch geblieben. Ein von Weizäcker konnte die Rede zum 8. Mai halten, weil seine Biographie das aushalten und beglaubigen konnte.

Horst Köhler konnte das ebenso - beglaubigen, dass in der virutellen Finanzwelt der Nexus zum Bürger nicht mehr da war, sondern nur in populistischen Gefasel sich erschöpfte. Dafür wurde er geliebt. Aber dort, wo er Akzente setzen wollte, lag er meist erschreckend falsch oder konnte es biographisch nicht bestätigen oder verifizieren: ein Strick, der sich innerlich so verdreht hat, dass es grotesk aussah, wenn er vom "Monster" der Finanzmärkte redete.

Eigentlich war und blieb er ein Systemagent, der nichts ändern konnte oder wollte und sein Wort als billigen Reflex missbraucht hat. Denn merke: man kann mit dem Handwerkzeug des Herren nicht das Haus des Herren abreißen (Audre Lourde).

So blies er seine Seifenblasen munter weiter in die Luft - unfassbar und ungreifbar. Sein Bedeutungsverlust hat er selber zu zu schreiben. In Köln nennt man das schon länger - Bypass Kommunikation - wenn der Bischof residieren, aber nichts mehr mitbekommen darf.

Mal sehen, wen sie jetzt aus dem Hut zaubern. Dieser Rücktritt hat das Amt mehr beschädigt, als es jede unangemessene Kritik zuvor konnte. Horst Köhler gebührt mein Beileid in der Hoffnung, dass er Hilfe findet. Oder einen geruhsamen Ruhestand. Immerhin ist der Mann auch 67 Jahre alt und damit reif für den Ausstand.

Was er bereitwillig bestätigt hat.

Nun wird ein Nachfolger gesucht, die es richten kann. Ich sehe das Schloss Bellevue. Ein kleiner Schornstein mit weißem Rauch.

Darunter die Unterschrift:

HABEAMUS MAMAM









Mittwoch, Mai 26, 2010

Was nachdenklich macht ...

Ich weiß nicht, wer es war, der es sagte.
Ich weiß nicht, wann ich es zum ersten Mal hörte.

Aber irgendwie schnappte es sofort ein bei mir. Ein Satz, der Spuren hinterließ und mehr als ein Echo. So wie es selten geht und vor allem nicht dort, wo es sein sollte.

Immerhin erinnere ich ihn jetzt, da ich lese von den Folgen des Handelns.


Jemand sagte einmal:

Hier lebt jetzt die erste Generation, die prinzipiell nicht bereit ist, die Folgen ihres Handelns zu tragen.

Da musste ich schlucken erst mal.
Und zustimmen, so schwer es einem fällt.

So war das doch früher: was Du in die Welt setzt, kommt irgendwann zurück. Das nannte man Tun-Ergehens-Zusammenhang und wurde dann über den Begriff der Schuld in der Theologie entsorgt. Schuldig durfte man sein. Aber keine Schuld mehr tragen. Oder gar Verantwortung übernehmen.

Schon damals vor 10 Jahren kam mir die Idee, eine Sündenbock Agentur zu gründen. Also eine Agentur, die genau das macht, was andere nicht mehr wollen. Sündenbock sein. Blitzableiter. Verantwortlich.

Schuld, wenn sie nicht angenommen wird, vagabundiert.

Macht sich unsichtbar breit, lähmt, macht handlungsunfähig. Dieses Volk hat schon einmal Erfahrungen damit machen können - aber nichts gelernt. Je länger ich nun auf diesem Satz herum kaute, desto mehr kam mir die Rede von der Verhaftung der Zukunft in den Sinn.

Die Schrottplätze von heute liegen in der Zukunft.

Verschuldungen, die kein Mensch mehr tilgen kann. Wer soll da noch Zukunft denken wollen oder können. Eine Umwelt, die erschöpft ist - Wort wörtlich - am Ende der Schöpfung er-schöft. Keine Chance mehr, sich zu regenieriern.

Die Verhaftung der Zukunft schreitet immer unaufhaltsamer voran. Was man früher als Zukunft begriff, ist heute schon verplant, reguliert, mit Schuldendiensten versehen. Karl Valentin sagte dazu: Die Zukunft ist auch nicht mehr das, was sie früher mal war.

Manches Lachen bleibt im Halse stecken. Wohin wir gehen, weiß niemand. Nur dass es weiter geht, scheint das Handeln zu bestimmen. Und was kommt, wird expediert. Nach vorne - wohin sonst.

Etwas nachdenklich heute.




Freitag, Mai 14, 2010

Eva war es ....

... unfassbar waren die Bilder diese Woche der drei Konzernchefs, die für die größte Ölkatastrophe im Golf von Mexiko verantwortlich sein sollten. Drei gestandene Chefs von multinationalen Konzernen. Drei gleiche Antworten. Der andere war es.

Dieser Zeit mangelt es an Menschen, die Verantwortung übernehmen. Und immer noch ist der erste Satz, der Adam über die Lippen kam, als er vom Baume der Weisheit und Erkenntnis gegessen hatte, dieser lapidare: Eva war es.

So banal. Ebenso verführerisch wie die Schlange.
So borniert. So wenig wahr. Eva war es.

Nun wird es Zeit, dass Eva aufsteht und sagt: Nein, Adam. Und beginnt, selber Führung zu zeigen. Armer Adam, der nichts anderes lernen konnte als mit dem Finger auf andere zu zeigen. Nun wird die Folge der Tat auf ihn zurück kommen. So wie nicht gedacht. Weil auch Zukunft kein Schrottplatz mehr sein darf.

Mit solchen Männern kann man nichts mehr anfangen. Oder, wie meine Tante Änne neulich sagte: Wir haben hier die erste Generation von Männern, die nicht mehr für die Folgen ihrer Tat verantwortlich sein wollen.

Schade denke ich da, ist doch alles Verstehen auf Frage wie Antwort angewiesen. So agieren blinde Menschen an ihren blinden Flecken, um die Welt uns zu erklären.

Ein Bohrloch sprudelt.
Und niemand ist schuld.
Oder immer einer: der andere.

Nennen wir ihn Eva. Wie damals schon.


P.S.: Mit den Sondierungsangeboten zur Koalitionder FDP in NRW verhält es sich genauso. Hauptsache, die anderen sind schuld. Gut, das fest gestellt zu haben. Das ist eine schier unfassbare Ignoranz von Geschichte und eigener Verantwortung. Kein Wunder, dass es in den Führungsetagen nicht anders aussieht. Blasen müssen nun die Verantwortung tragen. Bis zu platzen.

Wahrscheinlich war auch das - na Sie wissen schon - Eva.
Wer denn sonst ...






Dienstag, Mai 11, 2010

All in

Komisch ist es ja schon. Da schreibe ich im letzten Jahr mir die Finger wund in Erwartung eines Crash der Finanzmärkte, überlege mit, wie wir unser Leben neu gestalten sollten und müssten, welche Ressourcen dazu nötig wären - und es passiert einfach nichts.

Wie mit der Krise umgehen? - diese Frage wurde dadurch beantwortet, dass sie nicht spürbar wurde, zumindest für einen großen Teil nicht. Sparmaßnahmen, Einschnitte in die soziale Wirklichkeit aber auch erwachende Solidarität und Bewegung wurde der massive Stillstand entgegen gesetzt.

Man bewegte nichts.

Bis die Wahlen in NRW entschieden sein sollten.
Bis die Steuerschätzung eintrifft.
Bis man Daten habe.

Dazwischen blieb ein - so konnte man annehmen - folgenloser großer Kinderspielplatz, auf denen sich die politischen Jungspunde mal austoben durften. Die schlimme Wirklichkeit immer noch in der Hinterhand. Wehe wehe, wenn ich auf das Ende sehe.

Wer redet heute noch von der Bürgschaft von über 100 Mrd Euro, mit denen die HRE gestützt werden musste? Wer von der Verhaftung der Zukunft, mit der wie unsere heutigen Löcher schon gestopft haben? Oder von der IKB, wo ich jahrelang morgens auf meinem Weg in den Medienhafen vorbei gefahren bin?

Niemand, allenfalls von deren Chefs, die dennoch ihre Millionen schweren Gehälter und Boni einklagen wollen, weil sie sich keiner Schuld bewusst sind. "Das hat niemand kommen sehen!", und so exkulpiert sich eine ganze Führungsriege, dabei wäre es doch darauf angekommen, dass irgendjemand mal für irgendetwas Verantwortung übernähme. Eine Sündenbock Agentur, wie ich sie immer mal gründen wollte, hätte heute Hochkonjuktur. Statt dessen liefete man Gedankenspiele ohne Umsetzung. Reden, um Geräusche zu machen. Luftschläge in eine Zukunft, die schon längst verspielt war. Eine Heimspiel für die Liberalen.

Und nun bewegt es sich wieder. Das große Rad, das gedreht wird. Die Pokertische an den Finanzmärkten sind neu besetzt.

ALL IN - schallt es nun aus Brüssel.

Wenn man die Zocker nicht regulieren kann, zockt man selber mit. Kein schlechter Gedanke. Notwendig geradezu.

Ob eine solche Operation gut geht, wissen wir nicht. Noch nicht. Aber alle moralischen Kategorien und politischen Bedenken sind auf einmal beiseite gefegt. Die EZB zum Bluthund gemacht. Man legt alles auf den Tisch und hofft, mit diesem Bluff erfolgreich zu sein.

Mutig und verwegen, immerhin.

Denn schon längst schon hat sich diese Wirklichkeit vom realen Leben der Menschen abgekoppelt. Hypnotisch (hypnos, gr = Schlaf) verfolgen wir, was oben entschieden wird. Eine solche angespannte Ohnmacht drängt wieder zum Schreiben.

Um irgendwie wach zu bleiben, gegen diese Lähmung.



Denn alles, was wir bisher gedacht hatten, kommt anders.

P.S.: Tatsächlich sind die ersten Nutznießer dieser Maßnahme mal wieder die Banken und das gleich doppelt: erstens kaufen sie nun staatlich verbriefte Staatsanleihen auf - was an und für sich keine Leistung ist, obwohl Herr Ackermann das als honorige Geste und Beteiligung sieht. Und zweitens stiegen gestern die Kurse genau dieser Banken zweistellig.

Montag, Februar 08, 2010

Ach die Banker in Zürich

.... erst die Diskussion über die sog. namelosen Nummernkonten, die vermutlich jüdische Erben waren von Menschen, die nicht wieder in der Schweiz auftauchen konnten, weil die Nazis sie einfach eliminiert hatten. Die Schweiz schwieg und behielt das Geld.

Dann die UBS, die eifrig von Ackermann und anderen toxische Wertpapiere kaufte, als wären das Drogen, von denen man nicht lassen darf, um alle anderen zu übertrumpfen. Was war das Grounding der Swissair dagegen? Peanuts. Klar doch. Hier wollte man dem Exil Schweizer Ackermann mal richtig zeigen, was eine Harke ist. Und machte die Bruchlandung perfekt.

Dann die Amerikaner, die mittels eines UBS Angestellten die eigene, haarklein ausgeklügelte Strategie zu Steuerhinterziehung umkehrten, vom Saulus zum Paulus sozusagen. Nun sind sie drauf und dran sind, das Bankgeheimnis zu knacken. Vorsorglich lieferte die Schweiz auf einmal Bankdaten, um den Streit nicht eskalieren zu lassen. Lass die Staaten gehen, uns bleiben noch genug andere.

Und jetzt die Deutschen. Mal wieder - auch das noch. Das Bankgeheimnis wird mit der Legende versehen, dass es Privatheit für Geld geben kann. Sicherheit vor dem Staat. Dem sog. "kleptomanischen Zugriff", wie es neulich sogar ein Soloterdijk schrieb. Ureigenes FDP Terrain. Fiskalisch Definiert.

Anders gesagt:

dem Entzug jedlichen solidarischen Handelns.

Unfassbar.


Nein - das gibt es nicht mehr. Und solange die Schweiz immer noch bereit ist, scheibchenweise Länder frei zu geben, umso deutlicher wird, was noch an Geldern gebunkert wurde.

Idi Amins Heimat bleibt Zürich.

Und ich kann sie inzwischen verstehen, diese Schlipsträger aus den Banken. Eine Nacht Tanzen auf der Bahnhostraße anlässlich der 10. Street Parade hat mich gelehrt, dass auch der Bünzli Banker sich nach Freiheit sehnt und willig ins Hamsterrad zurück kehrt.

Die Zeiten ändern sich.


Tanzen wir also weiter.

Zürich hätte es verdient.




Freitag, Januar 01, 2010

Asynchroner Rückblick



... also jetzt ist es da.
Angekommen. Das neue Jahr.

Agenda Jahr 2010.
Und merkwürdig genug, man wird gelassener mit der Zeit. Erinnerungen schweifen auch auf das Schweigen im letzten Jahr. Irgendwie war der Wechsel angesagt und er schien unausweichlich. Eine Welt, die sich ändern musste. Die die Finanzkrise ernst nahm, bereit den eigenen Lebensstil zu wechseln. Selber schrieb ich den ein oder anderen Beitrag, wie man mit der Krise umgehen könne. Eine Serie, die Anstoss geben sollte. Und etwas Boden unter den Füssen. Irgendwie ersehnt, etwas zu sagen zu haben.

Es kam alles anders.
Es änderte sich nicht.

Mit Milliardensummen wurde die Zukunft weiter betoniert. So als wäre nichts geschehen. Ich war baff. Dass nichts geschah war schlimmer als die Konsequenz zu gegenwärtigen, die Banker mit ihrem Handeln verursachten.

Da wurden Kredite zu Rohstoffen gemacht, mit denen man neue toxisch-begehrte Ware erhielt. Eine gigantische Umverpackung war da in Gang gesetzt worden - entkoppelt von aller Wirklichkeit. Suprime Krise sagte man dazu und eigentlich war es ein großes Dealergeschaft. Ein Verpackungsbetrug, weil niemand mehr wusste, was er da handeltet und verkaufte. Den schwarzen Peter hatten die, die meinten, da wäre wirklich mehr drin. Da wären echte Werte verpackt.

Die Konsequenzen hat niemand tragen müssen.
Bis heute nicht.

Das Schlimme daran ist, dass Tat und Folge entkoppelt worden sind - auf Kosten der Zukunft. Auch wir pumpen uns die Gegenwart aus der Zukunft. Wir verbrauchen schon jetzt die Chancen der Jugend durch eine unfassbare Überschuldung. Und nur, damit die Folgen der bösen Tat nicht alle treffen. Eigentlich niemanden treffen. Jetzt noch nicht.

Ich glaube sogar, im letzten Jahr wäre diese Gesellschaft bereit gewesen, die Konsequenzen auf sich zu nehmen und ernsthafte Konsequenzen zu ziehen. Schuldige zu strafen. Taten beim Namen zu nennen. Das Unfassbare in den Alltag zu lassen. Knapp am Abgrund vorbei, den Schwindel nicht vergessend.

Nein, ich rede nicht der Katastrophe das Wort, aber es wäre etwas anderes gewesen, für ein Gleichgewicht zu sorgen. Einen sogenannten Tun-Ergehens-Zusammenhang anzuerkennen, wie es biblisch sehr wohl zum Bestehen einer Gesellschaft als grundlegend notwendig erachtet wird. Eigentlich begründet sich darin alles Recht. Dass jede Tat eine Folge hat, dass das eine das andere nach sich zieht und vor allem spürbar wird. Spürbar wurde nur die Angst.

Und so lieh man sich Unsummen aus der Zukunft, damit nicht geschieht, was andere erwartet haben. So verteilte man das Kleid der kommenden Generation unter den Menschen und alle blieben still.

Auch ich.

Mir fiel dazu nichts mehr ein. Mir stockte der Atem und ich erlebte mich abermals asynchron. Nicht mehr passend. Als könnte ich diese Zeit nicht verstehen, die da bereit ist, alles und jede Schwierigkeit abzufedern. Als wäre es möglich, was man für unmöglich hielt: Tat und Folge zu entkoppeln. Das Ergehen als Zustand zu definieren: Ja, es geht uns immer noch gut.

Stillstand. Denke ich da.

Zementierter Stillstand,
subventionierter Stillstand,
der nächsten Generation entwendeter Stillstand.

Stillstand gleich Wohlstand.
Wie soll das gehen?
Gut gehen?


Wieder blicken alle nach vorn und vergessen.
Das neue Jahr wird besser als das alte.

Wie immer schon.