Montag, Oktober 23, 2006

Binnenwahrnehmungen oder bürgerliche Behaglichkeit

Es muss so etwas geben wie Stellvertretung. Diese Nacht habe ich mal wieder nicht geschlafen. Schon wieder tanzten die Erinnerungen an Kirche auf meinem Bett, liessen mich schlaflos zurück. Es gibt Dinge, die braucht man nicht mehr im Leben. Türen, die man endgültig zu machen muss. Durch die man nur noch einmal geht. Ich gestehe: das habe ich nicht gelernt. Abschiede zu leben fällt nicht leicht. Zumal nach 21 Jahren Engagements, Hoffens und Wartens.

Das Presbyterium in Uedem hat jetzt entschieden, mich auch zu werfen. Im Gehorsam der Vorgaben des Landeskirchenamtes. Mit sehr kruden Begründungen und immer wieder an meiner Person fest gemacht. Ich bin, die sich fehl verhält. Was muss ich doch für ein schrecklicher Mensch sein.

Vielleicht muss es so etwas wie eine sich selbst bestätigende Binnenwahrnehmung geben, die anderes nicht mehr zulässt. Wer die bürgerlich-beamtete Behaglichkeit stört, weil er seinen Gefühlen Luft macht, weil er sich nicht an unausgesprochene Konventionen hält, weil er beim Namen nennt, was andere nicht mehr anschauen, muss damit wohl zwangsläufig rechen. Dabei wäre es ein Einfaches gewesen, anders zu entscheiden. Die Gemeinde hätte es nichts gekostet.

Es ist das Phänomen der Behaglichkeit in den eigenen Anschauungen, dieses nicht gestört werden wollen, was sich deutlich macht. Und eben eine Wahrnehmung, die auf sich selber fixiert bleibt: das eigene Ergehen im Mittelpunkt. So agieren auch Manager, wenn sie alles andere ausblenden. So agieren Menschen, die sich nur noch von sich selber berühren lassen. Sei es die eigene Hilflosigkeit, den eigenen Schmerz, der eigenen Ohnmacht. Oder auch umgekehrt: das Gefühl eigener Macht, das unberührbare Selbstbild, der innere Götze. Ein schöner Titel für ein Buch.

Nun sollte ich doch, so sagte man mir, bitte Verständnis haben. Bitteschön - wofür denn? Ich solle nun nicht so hart urteilen. Aber warum denn nicht? Wo Befindlichkeiten mehr zählen als Ergebnisse, wo man selbst vorab seine eigene Hilflosigkeit als Konfessionseintritt zelebrieren muss, ist kein Platz mehr für mich. Dahin gehe ich nicht zurück. Nie mehr, das habe ich geschworen.

Eigentlich sollte ich dankbar sein, die Dinge zuletzt noch einmal so treffend auf den Punkt gebracht zu haben. Ein Lehr- und Meisterstück klerikalrer Binnenwahrnehmung. Da gehöre ich nun nicht mehr hin und irrig war mein Denken, dort etwas aufbrechen zu können.

In meinen Coachings lerne ich meinen Klienten genau das Gegenteil. Dass man den eigenen Gefühlen trauen kann, weil sie durch das Leben tragen. Dass man es sich selber nicht zu behaglich macht, um offen und frei zu bleiben. Dass man - auch ohne den Tank voll zu machen - weit reisen kann, vor allem zu sich selber. Ohne kirchlichen Katalysator. Mich wundert es daher doch nicht, dass die Gemeinde sich zum Sitzen Bleiben und Beharren aufs ich selber entschieden hat. Nun, wo ich diesen letzten Schnitt setze, damit ich leben kann.

Da kommt mir zum Abschied diese Ohnmacht entgegen, die ich nun noch verstehen soll: warum und wozu ist das gut ? Was ich zum Leben brauche, ist nicht darin. Ich nehme mir da keinen Sack mehr auf die Schultern. Es taugt nicht für meinen weiteren Weg.

Ich muss nichts verstehen, wo es nichts zu verstehen gibt. Warum darf ich das nicht sagen. Vielleicht muss ich nur eines: endlich wieder schlafen lernen. Zu oft waren in letzter Zeit diese kleinen Männchen auf meiner Bettdecke. So tat es gut, heute nacht um 2 Uhr den Fernseher einzuschalten und stellvertretende Kriege zu genießen. Gewiß: wir sind und bleiben Helden. Wer sonst, wenn nicht wir.

Wer das nicht glaubt, sollte wieder in die Kirche gehen. Spät morgens bin ich eingeschlafen. Erschöpft aber doch etwas beruhigt, war die Welt doch gerettet und meine Wut stellvertretend vorbei.




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