Mittwoch, Mai 03, 2006

Knallhart ....


Langsam ist es an der Zeit von Rocco zu schreiben. Um genauer zu sein: von Rocco Pantalone di Acrotiri - wie er richtig heißt. Einem reinrassigen Lastrami mit großer Seele. Kurzum, meinem Begleiter durch den Tag, komme was wolle.

Es regnet draußen? Keine Frage, Rocco geht mit und führt mich Gassi. Schönster Sonnenschein - auch dann stupst seine
Nase pünktlich um 12 Uhr an meinem Bein, ein Blick aus braunen Augen, dem ich nicht widerstehen kann. Ist ja auch klar, da sich ein Engel in ihm verlaufen hat.

Und so gehen wir dann unsere Runden durch Wachtendonk. Wir sind bekannt. Und Rocco - das darf ich behaupten - sicherlich bekannter als ich, obwohl er sich nie zur einer Wahl gestellt hat oder Ratsmitglied gewesen ist. Wir grüßen und werden gegrüßt. Als Rüde hat Rocco es nicht immer einfach. Immer der Nase nach - das heißt eine Welt für sich entdecken. Manchmal wünschte ich, mit seiner Nase sehen zu können und dann stelle ich mir den Weg in bunten, psychodelischen Farben vor.

Es ist eine ganz andere Straße, auf der ich auf einmal gehe. Ganz anderes Aussehen finden Strauch und Bäume. Hier quillt unversehens ein intensives Gelb , breitet sich aus, bis ich nichts anderes sehen kann. Hinterlassen wurde es von Miro, dem übergroßen Golden Retriever. Dort schiebt sich plötzlich eine grüne Wolke ins Blickfeld, hinterlassen von Aimee, einem Terrierweibchen, in die Rocco verliebt war. (D.h. wenn sie läufig sind, verliebt er sich in alle zugleich. Freud nannte diesen Zustand - glaube ich - polymorph pervers. Was schön umschrieben ist. )

Enttäuschend finde ich, dass Rocco sich immer in die falschen Frauen verliebt. Aber ich kann sie ja nicht riechen und wahrscheinlich sehen sie mit der Nase weitaus attraktiver aus als in Wirklichkeit mit meinen Menschenaugen. Wie auch immer, seine Gänge durch Wachtendonk sind stets Streifen durch sein Revier. Rocco lässt sich sehen. Und er verhält sich auch so: Stolzer Gang und Schwänzchen schön hoch. Weich und geschmeidig.

Bei der Rückkehr geht es immer bei den Nachbarn vorbei. Es zieht und zerrt an der Leine und schwupps, ist er in der Nachbargarage verschwunden. Die Strucks sind die Bauern, die hier gewesen und heute immer noch da sind. Wenn sie von etwas was verstehen, dann sicherlich von der Hände Arbeit und noch mehr von Tieren.

Seit zwei Monaten haben sie angefangen, Rocco bei jedem Besuch systematisch zu füttern. Immer dann, wenn wir jetzt nach unserem Gang nach Hause kommen, geht es zu ihnen. Ein Zerren wie ein Reflex. Und rechts ab. Dann sitzt Rocco auch schon mal gerne für vier, fünf Minuten still vor der Türe. Was er sonst nie tut.

Sitzt und wartet. Bis diese Türe endlich aufgeht. Bis sich irgendwas bewegt. Bis man drinnen merkt: Rocco ist da und will etwas. Beim ersten Schritt Richtung Türe setzt ein Gejaule ein wie sonst nicht. Die Türe öffnet sich, geduckter Kopf, wedelnder Schwanz. Vorfreude pur.

Es folgen gemächlich, schlurfende Schritte zum Kühlschrank, begleitet von einem "Na, kommste mich auch mal wieder besuchen?" Auch wenn sie alles dafür getan haben, dass Rocco kommt, bleibt sein Erscheinen doch ein Zufall für sie. Dann öffnet sich die Türe vom Kühlschrank, eine Wurst wird herausgeholt. Das Messer liegt noch auf der Spüle. Zwischen Zeigefinger und Daumen wird die eine große Scheibe Wurst geschnitten. So groß, dass ich sie selber nicht vertilgen könnte. Dann kommt der alles entscheidende Augenblick. Die Scheibe verharrt einen Moment schwebend auf der Messerklinge - während Rocco sich unten vor Vorfreude auf die Hinterbeine stellt, schaut und sich zu drehen beginnt. Wie ein Zirkuskreisel. Gebannt von dem, was kommen mag.

Verlangen pur. Ein Moment der Erwartung - endlos gedehnt. Alles verschwindet und konzentriert sich für ihn allein auf dieses wippende Stück Fleisch. Mit einem lässigen Wurf aus dem Handgelenk fliegt die Wurst von der Klinge weg, klatscht laut und vernehmbar auf die Fliesen. Noch ehe sie nachfedern kann, ist Rocco da und hat sie - wo war sie noch gleich? - gänzlich verschlungen.

Unverstellbares Schauspiel. Gerade noch hieß es "Da nimm!" und schon ist alles vorbei. Das Messer in der Hand wendet sich erneut der Wurst zu, als ich heftig unterbreche: "Nein, das reicht jetzt. Der Rocco bekommt ja bei uns nicht mal so viel! Stop!! "

Ein kleiner Moment des Überlegens tritt ein, das Messer sitzt schon an der Wurstpelle - schnittbereit. Dann huscht ein Lächeln flüchtig über das Gesicht. Bauer Strucks beugt sich über Rocco, streichelt ihn mit seinen Händen, als wolle er sich vorab entschuldigen. Er sieht mich nicht an.

Als er hochkommt sagt er: "Was Rocco - die ..." und er deutet mit dem Messer auf mich," .... die ist knallhart!" Dann dreht er sich um und geht wortlos ins Wohnzimmer. Vorstellung beendet. Ich bleibe mehr als verdutzt in der Küche stehen. Rocco schaut mich an? War es das schon?

Wursttankstelle sollten sie draußen dran schreiben. Und nicht "Kartoffeln". Aber die verkaufen sie ja schließlich auch hier. Und da muss niemand mehr knallhart sein oder sich so freuen, wie Rocco auf die Belohnung.

Selig der Hund, der solche Wunder Tag für Tag erleben darf.





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