Sonntag, April 12, 2009

Ostersuche - ein Zwischenruf


"Was sucht ihr den Lebendigen bei den Toten?" ist einer der klassische Sätze der Osterbotschaft. Das ist eine ungeheure Ansage für Trauernde, die in der Trauer die Verbindung zu Jesus ja halten wollen. Eine ungeheuerliche Aussage auch für Menschen, die nur den Ablauf des Lebens kennen: Ein Das reiht sich an ein Was und ein weiteres Das. Ein Tag an den anderen laufen wir zu bis zum Tode.

Der Lebenslauf wird so zum Lebens"ab"lauf. Zeit zu einem besonderen Gut, dass der Angst abgetrotzt ist. Die Uhr tickt und wir schaffen es immer noch nicht, eine neue Qualität ins Leben zu bringen. Immer weiter so, suggeriert uns die Zeit, auf dass wir Güter und Gelder sammeln, uns gegen die Angst zu wappnen.

Es ist die Angst, irgendwann nicht mehr da zu sein. Und auch die Angst, nichts mit diesem Leben bewirkt zu haben, als es ablaufen zu lassen. Man sagt, sterbende Menschen würden - bevor sie ganz von uns gehen - noch einmal ihr Leben wie in Zeitraffer vor Augen sehen können. Ich weiss nicht, ob das stimmt oder nicht, aber ich stelle es mir schlimm vor, wenn da keine besonderen Etappen bei gewesen wären. Wenn das Leben sich nicht drehen und wenden durfte, nicht durch Angst und Anfechtung hindurch musste.

"Was suchet ihr den Lebendinge bei den Toten? Er ist auferstanden, er ist nicht hier!" Eine frohe Botschaft ist das für die, die immer an der falschen Stelle suchen. Den Lebenssinn dort, wo man materielle Güter anhäuft. Die Erfüllung dort, wo man selber haben möchte, wo der eigene Mangel herrscht. Menschen haben seit Ostern schon mal die Eigenart, stets an der falschen Stelle zu sein.

Ich denke an einen Klienten, der immer noch auf die Anerkennung wartet, die sein Vater zeitlebens ihm vorenthielt. Schon damals als Kind und heute erst recht. Oder die Klientin, die meint, Liebe käme zuerst ihr selber zu gute und wäre nicht etwas, was zuvor selber zu verschwenden und zu geben ist. Oder an die Magersüchtige, die aushält und harrt, um in grotesker Weise zu sagen, dass sie auch noch da ist und die Welt aus den Angeln heben kann. Ich habe selten mächtigere Menschen erlebt als die, die sich verweigern.

Der Lebenige, also Ostern, ruft uns heraus aus solchen ungesunden Bindungen. An die Bindung zur einfach nur ablaufenden Zeit - wir könne und sollen ein volles Leben führen, nicht nur eines, das abläuft und ein Ereignis an das andere reiht. Da ruft uns der Glaube heraus: Es gibt mehr als ein Das und ein Was. Es gibt ein Wie und Warum. Eine volle Zeit, ein Glück mitten in der Zeit - schon jetzt. Auch wenn wir sterben werden. Auch wenn wir nicht ewig leben und gerade darum - erst recht.

Und der Lebendige stellt uns in ein neues Beziehungsgeflecht. Das Lebenige, das Nährende, das Wohltuende kommt in den Blick. Wir müssen nicht mehr warten auf das, was wie nie bekommen werden. Wir müssen nicht mehr ausharren dort, wo wir nichts erwarten können. Nicht von außen kommt der Trost, die Anerkennung, der Status. Die Seele wächst von innen, wo sie selber eine Freundschaft eingegangen ist mit dem, der uns ins Leben ruft.

"Was sucht ihr den Lebendigen bei den Toten?"

Gute Frage, sage ich immer noch und ertappe mich selber schon wieder dabei, den alten Mustern nach zu geben. Es ist ja so bequem. Dennoch: der Wechsel ist vollzogen. Bleibt noch die Frage, warum nicht auch bei mir.

Gehen wir also von den toten Orten der Enttäuschung weg dort hin, wo das Leben zu finden ist. Das ist ein Weg - sonst nichts. Zuletzt heißt es daher auch, dass der Auferstandene voran gegangen sei und erst so macht es Sinn, von Nachfolge wirklich zu reden.

Weg von den alten Platzanweisungen hin zu den neuen Wegen.
Den eigenen. Endlich. Anders als erwartet. Frei, weil befreit von einer unendliche Last, die wir uns selber auferlegt haben. Mit dem, was wir bisher voneinander dachten. Mit dem, wie wir uns bisher bewertet haben. Mit dem, was bisher Anerkennung fand in unserer Mitte.

Dort ist der Auferstandene nicht mehr zu finden.
Und das ist gut so. Sag ich.




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