Donnerstag, März 26, 2009

Von Wertschätzung - oder wie mit der Krise umgehen?


Es war nicht immer so, dass Dinge in meinem Besitz wertvoll sind. Viele Sachen habe ich besessen und weg geworfen, andere - fast wertlose - werde ich mein Leben lang nicht vergessen: Da ist der kleine, braune Kaffeelöffel, den ich geschenkt bekam, als mein Uropa eine Etage über uns starb. Ein Löffel, mit dem ich nicht im Kakao rühren konnte, weil er so tief war. Ich hielt ihn lange in der Hand, ohne doch heraus zu bekommen, wozu er denn gut war. Wie sollte ich das als vierjähriges Kind auch wissen. Dennoch - es war der wertvollste Löffel, den ich in meinem Leben besessen hatte und so kam er in mein geheimes Versteck im Garten, dort wo niemand von ihm wusste. Ein Schatz der Erinnerung.

In Zeiten der Krise kommen Werte ins Rutschen und dabei meine ich ganz konkret materielle Werte, nicht jene die nun inflationär beschworen werden. Dieser Löffel da war mir wertvoll. Andere Dinge eben nicht. In einer Gesellschaft, die auf Konsum oder besser gesagt Werteverfall konditioniert wird, haben solche Löffel eine antizyklische Bedeutung. Sie mahnen daran, Werte nicht an Zahlen zu binden, sondern sie noch einmal in die Hand nehmen und neu zu betrachten.

Ich glaube, das wäre eine gute Übung in diesen Zeiten: Dinge noch einmal in die Hand zu nehmen wie bei einem Umzug. Denn da habe ich das auch gemacht: Diese Vase dort oder jenes Glas - brauche ich es noch, brauche ich es nicht. Ist es wertvoll. Beständig für die nächsten Jahre.

Ja, wir ziehen um in eine Landschaft, die wir noch nicht kennen. Und da muss man die eigenen Ressourcen im Griff haben, sich von Überflüssigem entledigt haben. Der Blick auf die Dinge ändert sich. Besitz als Anhäufen von Gütern wird zum Hindernis. Leicht wollen wir werden, mobil - um der Zukunft gegenüber gewappnet zu sein. Und dazu ist es nötig, sich von Überfluss zu trennen.

Die Dinge neu ansehen, sie noch einmal in die Hand nehmen, bereit sein, ihrer Geschichte und ihrem Nutzen nach zu spüren - das wäre jetzt angesagt. Erste Trennungsgeschichten vom Überfluss, der sich so nicht mehr wiederholen wird. Zwar spekulieren alle darauf, aber wir können sicher sein, dass die Zeiten der Hochkonjunktur endgültig vorbei sind. Nein, der Zyklus birgt uns nicht mehr. Auch nicht der Zyklus der Wirtschaft.

Es wäre ja das mütterliche Prinzip, das weiblich-zyklische, das uns wirtschaftlich für eine Zeit in Gefahr sieht, dann wieder im Aufschwung. Irgendwann wird die Wirtschaft doch wieder anspringen, sagen sie und spüren doch genau, dass ein komplettes System versagt hat. Glauben mögen wir es wohl, müssen wir es fast, um das Undenkbare nicht zuzulassen: denn offensichtlich geht es nicht mehr weiter so, dass aus Überfluss sich noch mehr Überfluss speisen kann.

Die Dinge an und für sich sind schon lange entwertet. Ein Messer. Ein Löffel. Das reichte im Mittelalter. Der Löffel wurde um den Hals gebunden, damit man ihn als überlebenswichtiges Werkzeug nicht verlor. Den Löffel abzugeben, das war dann wirklich das Ende eines Lebens. Heute liegen drei Bestecke in den Schubladen. Meine Mutter hatte vor Jahren die Aussteuer eingetauscht - auf diesen Hamsterfahrten an den Niederrhein, wo es für Damastbezüge ein Kilo Kartoffeln gab.

Was ist wertvoll? Was kann ich mitnehmen? Welche Dinge taugen noch zur Reise, die uns bevorsteht? Ich denke, wenn wir die Dinge um uns herum wert schätzen, sie in die Hand nehmen, neu ansehen, werden wir eine neue Einstellung bekommen. Nicht Weiter so! sondern anders, wäre dann die Lösung. Nicht dem Zuviel ein Nochmehr hinterher zu werfen, sondern das, was man dann hat, wert zu schätzen.

Es gibt Dinge, die möchte ich nicht hergeben. Andere entpuppen sich als schierer Überfluss. Zu viele Kugelschreiber zum Beispiel. Wissen Sie noch, womit Sie schreiben? Meinen Füllfederhalter aus der Schule kann ich noch heute beschreiben: es war ein grüner Geha, mit umgekehrter Patrone, was ich besonders klasse fand. Er kleckste immer etwas, da ihn vor mir jemand anders benutzt hatte und wenn ich mich auf die Suche begebe, werde ich ihn auch wieder finden.

Ich bin mir sicher, ich habe ihn nicht weg geworfen.
Und klar: er schreibt auch heute noch.

Das ist, was wir brauchen: Mehr von den brauchbaren Dingen. Wertschätzung für das, was wir haben, statt Bedarf nach Neuem zu wecken. Ich denke, das wäre ein sinnvolles Unterfangen, antizyklisch gewiss, aber sich selber vergewissernd.

Biblisch gesprochen soll man die Lenden umgürtet haben, bereit sein für den Aufbruch, für Veränderung, die wir heute nicht ahnen können. Darin ist die Bibel so unendlich weise, dass wir uns verhalten können nach dem, was wir noch nicht wissen. Diese Bereitschaft wäre hete eine wertschätzende Präsenz, nicht nur Menschen, sondern auch den eigenen Dingen gegenüber, die uns umgeben. Alltägliche und kleine Sachen, die uns begleiten.

Wie ein Kaffeelöffel, ein Füller oder anderen Dinge. Abwrackprämien dagegen sind Wert verachtende und Wert vernichtende Untaten. Systembedingter Unsinn.

Zeit, damit aufzuhören.


1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ich hatte es vermutet - jetzt weiß ich, dass es sich lohnen kann, den Links auf Xing nachzuspüren...

Danke und Gruß
Olaf