Freitag, Februar 20, 2009

Man füllt nicht neuen Wein in alte Schläuche

Ja, ich habe noch Aktien.
Spielgeld, wie ich es nennen würde.


Es sind Aktien der Hypo Real Estate, die ich im letzten Jahr in der Krise für 300 Euro gekauft habe. Das war, nachdem die erste Bankbürgschaft in Höhe von zehn Milliarden Euro der Bank gewährt wurde - der erste Schritt, um die Finanzmärkte zu stützen. Da dachte ich: Wow - zehn Milliarden Euro. Für nur eine Bank. Das war ein arger Brocken. Da kann es nur aufwärts gehen.

Eigentlich mag ich keine Bankaktien. Wirklich nicht, obgleich ich mal bei der Commerzbank vor zwei Jahren Glück und Gewinn hatte, da ich ich diese für 36,43 Euro wieder verkaufen konnte. Heute stehen sie - zumal nach der Übernahme der Dresdner Bank - bei schlappen 2,87 Euro. Was für ein Absturz! Und: ich war rechtzeitig ausgestiegen. Schön, das geschafft zu haben.

Bei der Hypo Real Estate verhielt es sich anders.

Denn da liegt ja noch die Deutsche Pfandbrief Anstalt dahinter - die DePfA, die nicht bankrott gehen darf. Das Deutsche Pfandbriefwesen - undenkbar, wenn das platzen würde. Preußische Tugenden. Deutsche Solidität. Doppelt abgesicherte Kredite. Alle - wirklich alle konservativen Wertanleger steckten ihr Vermögen in Pfandbriefe. Weniger Rendite aber doppelte Sicherheit.

Ich war mir sicher: diese Bank durfte einfach nicht Pleite gehen. Und so sprang ich - zugegeben, mit kleinem Betrag - ins Karussell mit ein. Obgleich ich mich wunderte, dass die DePfA nun in Irland angesiedelt war. Warum, so fragte ich mich, muss die Deutsche Pfandbrief Anstalt in Irland angesiedelt sein? Antworten gabe es nicht, dafür zuckten die Aktienkurse nach oben.

Sah mich damals mein Bankberater der KD Bank (ehemals: Bank für Kirche und Diakonie, Duisburg - auch so etwas gibt es) damals noch mit zuckendem Augenbrauen an: "DA wollen sie wirklich Aktien kaufen?", sah ich mich endlich bestätigt. Der Kurs kletterte um über 32% und endlich schien auch ich wieder auf der Sonnenseite zu stehen: 300 Euro investiert und 520 Euro auf dem Depot ausgewiesen. Herz, was willst Du mehr? So könnte es doch weiter gehen. Der lang ersehnte Silberstreif am Horizont. Und: alles wird wieder gut. Ich bin bei den Gewinnern.

Allein - so ging es nicht weiter. Während die Bediensteten der Hypo Real Estate noch Demonstrationen für ihren Chef abhielten, stürzte der Kurs erneut ins Bodenlose. Immer neue Löcher wurden aufgetan und man sprach von einen "nicht mehr zeitgemäßen" Geschäftsmodell. Offensichtlich hatte die Hypo Real Estate langfristige Kredite durch kurzfristige Anleihen auf dem Kapitalmarkt bedient - ein lohnendes Geschäft, solange vagabundierendes Kapital in Hülle und Fülle am Markt vorhanden war, das kurzfristig beschafft werden konnte. Nun aber, war der Kapitalmarkt komplett zusammen gebrochen. Die langfristigen Kreditlinien konnten nicht mehr bedient werden, das Geschäft brach zusammen, da kein Geld vorhanden war, was kurzfristig beschafft werden konnte, um die langfristigen Kreditlinien zu bedienen.

Eigentlich - so muss man sagen - war Geld genug vorhanden, aber niemand verlieh einem etwas und wenn, dann nur noch zu horrenden Zinssätzen. Wenn überhaupt. Damit war die Existenz der Hypo Real Estate hinfällig. Ihr Geschäftsmodell fußte ja darauf, langfristige Kredite mit kurzfristigen Finanzierungen zu versehen und daraus den eigenen Schnitt zu machen.

So lange das Rad sich drehte, solange genug freies Kapital zu haben war - eine durchaus lukrative Angelegenheit. Aus dem Rad wurde so ein Riesenrad. Einfach weiter so. Immer weiter. Man kann es sich auch vorstellen wie ein Schneeball, der sich selber paniert. Je größer die Oberfläche wurde, desto mehr Schnee bleibt hängen, desto größer wird der Ball - ganz von allein wuchs das Geschäft der Hypo Real Estate ins Unermessliche. Anders gesagt: Die Hypo Real Estate hatte den Stein des Weisen gefunden. Bequeme Geldvermehrung, weil in die alten Schläuche der langfristigen Kredite immer wieder neuer Wein gegossen wurde.

Ein altes, biblisches Bild - das sein Ende provoziert.
Niemand faßt Most in alte Schläuche; sonst zerreißt der Most die Schläuche, und der Wein wird verschüttet, und die Schläuche kommen um. Sondern man soll Most in neue Schläuche fassen. Mk.2,22
Offensichtlich geschah aber genau das bei der Hypo Real Estate. Wobei die Menge unvorstellbar sein muss. Heute morgen erreichte mich die Nachricht, dass die Hypo Real Estate einen unbedienten Schuldenberg von über einer Billionen Euro vor sich her schieben soll, dennoch.

Eine Billionen, das sind 1.000.000.000.000 Euros. Noch zu kurz, um es hier darstellen zu können. Demgegenüber war ich mit meinen 300 Euro, die sich auf 82 Euro herunter gehungerten hatten, noch gut dran. Die Order zum Verkauf liegt auf meinem Schreibtisch, denn immerhin erst jetzt überlegt man, diese Bank - die ja schon lange keine mehr ist - zu verstaatlichen. Und meine Aktien dazu. Das wollte ich mir nicht gefallen lassen. Also verkaufen.

Als ich gerade das Radio ausschalten wollte, hörte ich noch den Nachsatz: Die Eingner der Hypo Real Estate, J.C.Flowers aus den USA, verweigert die Zustimmung zum Aufkauf der Hypo Real Estate. Er wird sicherlich dasselbe denken, wie ich es damals gedacht habe: mit einer DePfA im Gepäck, darf diese Bank nicht pleite gehen. Und pokert vielleicht besser als ich.

Bekannt ist, dass er nun das Zweieinhalbfache des Aktienwertes fordert, um seinen 25% Anteil an den Staat zu verkaufen. Wenn ich nachrechne, bin auch ich damit wieder in grünen Bereich. Eine Erpressung ist das - aber eine durchaus kalkulierte. So funktioniert der Finanzmarkt.

Währendessen endete die Nachricht damit: Ein Zusammenbrechen der Hypo Real Estate wird in Finanzkreisen als weitaus größere Gefahr gesehen, als die Insolvenz von Lehman Brothers im letzten Jahr.

Und da fing der Schlamassel ja erst an. Was soll ich also machen: Halten oder verkaufen? Pokern oder die Aktien frei stellen. Verkaufe ich sie, wird ein gewisser J.C. Flowers sie sicherlich aufkaufen und weiter pokern. Herr Steinbrück müsste ich sie schenken. Denn jetzt will er enteignen.

Sie sehen daran, wie man mit kleinem Engagement am Kapitalmarkt die spannendesten Geschichten eines Wirtschaftskrimis erleben kann. Sie landen zudem mitten in der Bibel, bekommen gewünschte und unerwünschte Wegbegleiter an die Seite gestellt und dürfen obendrein im ethischen Dilemma verschwinden. Ziemlich viel für eine entlaufene Pastorin.

Aber immerhin mit dem Gefühl, wieder mitten drin zu sein.

Ach, ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten. Aber:
Haben Sie vielleicht einen Rat für mich ??




2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ja, die Aktien kann man im Moment wirklich gut als Spielgeld ansehen :-)

Unknown hat gesagt…

Starke, sehr erhellende Information. Link habe ich aus Xing im Thread über 18,2 Bio Euro Schulden. Danke!