Dienstag, November 20, 2007

Transgender Remberence Day

Der 20 Nov. ist und bleibt eine besonderer Tag.

An diesem Tag wird weltweit der transgender Menschen gedacht, die verstorben sind. Die den Weg nicht schafften, die Opfer körperlicher und sexueller Gewalt geworden sind. In Deutschland kennen wir kein solches Gedenken.

Und doch ist es wichtig, um überhaupt Engagement zu ermöglichen. Um überhaupt wieder sichtbar zu werden. Um die nicht zu vergessen, die es nicht geschafft haben.

Es sind so viele.

Ich erinnere konkret heute an Bianca Müller, die sich das Leben nahm, weil sie im neuen Geschlecht nicht ankommen konnte. Weil ihr verwehrt war, was sie sich selber sehnlichst wünschte und keine Partnerschaft sie halten konnte, in ihrem zu Recht ungehaltenen Zorn.

Es wird dringend Zeit, auch in Deutschland unsere Geschichten zusammen zu tragen und zu erzählen. Nicht nur die schönen und geglückten - weit mehr aber auch die, die drohen vergessen zu werden. Weit mehr die Menschen in Erinnerung zurück zu uns zu holen, die gegangen sind. Laut oder leise. Gewaltsam oder von eigener Hand.

Kein Engel verrät ihre Spur.






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Hier ist noch zu sehen, was die die Freundinnen und Freunde aus USA machen. Und ich selber wünschte mir, dass auch wir in Deutschland etwas mehr lernen von den Bürgerrechtsbewegungen, von dem öffentlichen Engagement, von den guten Traditionen eines anderen Amerikas, das kämpft und aufsteht, wenn Unrecht sich breit macht.



Authentisch, klar und offen. Im Raum der Kirche. Mit dem Licht in der Hand. Und ich werde traurig, wenn ich daran denke, wie erschreckend anders doch unsere Kirche damit umgeht. Zeit, anzufangen und erst recht nicht mehr aufzuhören. Gegen die Ausgrenzung. Gegen die Unsichtbarkeit. Und gegen den Kleinglauben, als ob wir nicht dazu gehören dürften.

Dienstag, November 13, 2007

Gerade zu passend - oder bring back the old music



Wer von Euch hat ihn noch? Den Plattenteller?

Love is a repeticious danger - oder: Herzschlag Music

Fast zeitgleich geschehen merkwürdige Dinge. Mein neu-altes Auto verfügt über keinen CD Player. Nichts ist mehr mit Musik aus den letzten 10 Jahren. Aus und vorbei. Was geht ist Radio. Und auch Cassetten.

Sagte ich Cassetten? Aber ja. !988 gebaut verfügt der Sierra tatsächlich über einen Casettenspieler der damals neueren Marke. Inklusive Dolby und Autoreverse. Dinge, nach denen man sich damals die Finger leckte und die heute so abgeschmackt daher kommen, wie nie zuvor.

Dennoch machte ich mich auf den Weg zu meinem schwarzen Beutel in der Garage. Music from my mind. Schon damals begriff ich die Welt mit dem Ohr. Man muss es sich vorstellen: schwebend in der Schwebebahn, allen öffentlichen Blicken wie Angriffen ausgesetzt, allein mein einem Walkman bewaffnet. Musik laut und leise flüsterte sich in meine Seele. Sie war Schutz und Offenbarung zugleich. Wie ein warmer Mantel, der mich umhüllte. Zu mir sprach tröstend, als das Draußen thumb wurde, unverständlich. Zu laut und dennoch allgegenwärtig.

Es gibt einige Casetten, ohne die wäre mein Leben anders verlaufen. Lieder, die mich begleitet haben und mit mir verschmolzen sind, Schritt für Schritt mir voraus waren oder mich einholten. Manchmal sind solche Texte und Melodien wie ein Spiegel, in dem man erkennen kann, was man noch nicht geworden ist. Wohin das Sehnen geht und bleibt, weil nur das Bleiben auch Dauer verspricht und die Erfüllung hier und da, dem Leben zuwieder liefe.

So lernte ich sehnend auf meine Veränderung zu hören, auf die Geschwister, die mich mit guten Texten begleiteten und deren Erscheinung ich jederzeit an ein, zwei Akkorden erkennen konnte. Sie bargen mich im Wuppertal, sie nahm ich auch mit zu Beginn meines Vikariates.

Heute nun, auf der Rückfahrt zurück von den Hauptschülern in Dortmund, fand ich die Casette von Elke wieder, eben jene, die wie eine große Schwester zu mir reden vermochte in vielerlei Sprachen und das gerade da, wo die Bibel verstummte, wo die Frommen schwiegen, wo das Leben denen ausging, die stets davon predigen mussten. Da waren es die Lieder einer Freundin, die mir den Haustür Schlüssel gab, ohne jedes Zögern und mit dem ich in Wuppertal eine Zuflucht fand. "Wenn Du einmal nicht weiter weisst, komm zu mir." Diese einfachen Sätze sind es, die satt und hungrig zugleich machen. Dieses Da Sein, als hätte dieser eine Mensch in einem Moment gesehen, was andere niemals gewahr werden. Ein Mensch, mehr nicht. Nackt und verletztlich in allen Wechseln, denen ja auch ich hilflos oft gegenüber stand.

Ich höre jetzt noch Joni Mitchell im Nachhall in meinem Ohr.


Eine Ballade, die es immer weiter zieht, ein Refrain, der immer wieder aufgenommen wird und neu ansetzt gegen allen Stillstand und alle Trauer dennoch alltäglich weiter zu erzählen von Liebe und Schmerz, von Bleiben und Aufbruch, von Vergangenheit und Gegenwart. "Love is a repeticous danger, seemd that I´m a custom too. At least I do accept the changes, almost better than I used to do." Besser kann man diese Zeit der offenen Zukunft wie Angst um einen selber nicht ausdrücken.

Es hat mich nicht verwundert, dass ich dem ersten Menschen außerhalb meiner persönlichen Welt, - es war eine Kollegin im Predigerseminar Essen - meine Geschichte NUR auf Englisch erklären konnte. So als wäre ich sprachlich wie geschlechtlich in eine andere Welt versetzt, die ich erst langsam zu begreifen suche. So gingen wir zur Ruhr herunter, und ich fühlte mich wohl im Fremden, das zugleich vertraut und adäquat war zu solcherlei Erfahrung. Im selben das andere zu leben. Frau zu werden zur Unzeit. Asynchron und quer. Sperrig wie ein New York Slang mitten in Essen Steele.

Nicht alle konnten das verstehen. Dass ich zugleich eine andere Geschichte schrieb und las und buchstabierte. Dass dieser Asynchronizität, dieses Zu Spät Kommen, zugleich eine ungeheuere Gleichzeitigkeit entsprach. Eine Fähigkeit, alte Texte lebendig zu machen, als wären sie gerade geschehen. Eine Gabe, sich selber in die Bibel zu wickeln, um der eigenen Rettung entgegen zu sehen.

Denn nichts anderes tat ich. Und nichts anderes geschah auch, indem ich auf diese modernen Propheten hörte, die mir mit ihren Liedern die Seele streichelten dort, wo mich niemand mehr sonst berühren mochte. Trautes Willkomm.

Dieser Herzschlag hat mich nie verlassen. Diese Gleichzeitigkeit war das, was ich mir selber nicht erklären konnte, war sie doch nicht artifiziell, sondern aus Anfechtung und Erfahrung geschöpft. Eine Gabe, die der Erinnerung bedarf. Eine Blume, die mit eigenen Geschichten getränkt werden wollte. Wer nicht gibt, empfängt auch nicht. Ein einfacher Satz und doch so wahr.

So also lief ich damals durch Wuppertal, stieg in die Schwebe- und andere Bahnen, oftmals Musik auf dem Kopf, immer wieder sich der Geschwister versichernd. Denn alleine mit meinem Gebrechen zu sein, das war mir unvorstellbar. Es musste doch andere geben, die ähnliches erlebt haben, deren Worte nicht die meinen waren, aber doch benachbart und warm. So ein Mensch war Joni Mitchell, mit ihrem Texten vom "blue motel room", die mir Elke auf das Band spielte.

Eine Casette mit Musik geschenkt zu bekommen ist ein Versprechen und eine Gleichung mit mehreren Unbekannten. Eigentlich ein banaler Vorgang und doch voller Subversität. Wie oft sass ich alleine vor der Stereo Anlage, das einzige, was ich damals als Luxus ansehen konnte. Ein Rack von Techinics, ein Doppellaufwerk von Casettenrekorder. Immer wieder Musik ausgegossen über alles Leben. Das, was der Heilige Geist zu tun verspricht, geschah dort. Rein umittelbar, ohne Umschweife. Mitten ins Herz.

Love is a repeticous danger - mit "Liebe ist eine sich wiederholende Gefahr" mehr schlecht als recht übersetzt - das ging mir mitten ins Herz, gerade dann wenn das Herz blühte nach langer Zeit und wuchs am eigenen. Frauenliebende Frau, so hätte ich mich später genannt und doch nur Stempelkissenfarbe verbraucht und zu eigenen Aussagen zu kommen. Man kann sich keine eigenen Label verpassen und das, was wir heute Identität nennen, ist doch meist nur dier hilflose Versuch, sich selber zu etikettieren. Schon lange nicht meine Tätigkeit, die allenfalls zur Heimarbeit tauglich war.

Identität - das war immer,was mich in Bewegung und ins Spiel brachte. Was mich berührte und zur Berührungen veranlasste. Das war nie statisch, sondern extrem flüssig gerade dort in dieser Zeit und zum Glück sage ich heute erst recht.

Es waren diese eingängigen Worte, verbunden mit sanfter Melodie. Eine Lyrik des Alltagsliebe, des banalen Lebens, der Verwechselbarkeit und manchmal auch Lakonität. Denn wie sollte ein Mensch all seine Wechsel bejahen können, ohne lakonisch zu werden? Ohne einen Refrain zu finden und zu dichten, der passen kann und der brauchbar, weil anwendbar erscheint. Eine einfache Überlebensstratiegie in einem Satz ausgedrückt: "... at least I do accept the changes, almost better than I used to do. "

Dass der Veränderung ein Einverständnis, das das Besondere des Wechsels versprochen werden will mit dem Alltag, dass Neu Werden auch eine banal-lakonsiche Seite hat, das hat niemals jemand besser ausdrücken können als diese paar Zeilen. So lapidar verpackt in einer Erzählung, die sich um Gelingen und Scheitern dreht. Um Ankommen und Verloren gehen, um zerbrochene Freundschaften und Grenzen, über die man mit fortgeschrittenem Alter nicht mehr gehen kann. Ein Vorbei im Augenblick, wo man es versucht. Ein Scheitern und Schweigen. Mehr nicht, während Joni Mitchell tapfer weiter singt. Traurig und berührt. Tapfer und mutig nicht zulässt, dass das Leben stehen bleibt. Deswegen die nächste Zeile und die kommende Strophe.

Manchmal denke ich dabei an all die, die mich im Predigerseminar begleitet haben, die auch auf ihrem Weg in den Beruf waren und doch mehr: Seitenreferenten. Begleiter im positiven Sinn. Heute trägt und keine Brücke mehr und auch die Sprache versagt sich ander Faktizität des anderen. Und diesmal bin nicht ich es, die anders ist. Die anders geworden ist. Diesmal sind es die Pfarrämter und Beamtenrechte, die Kinder und Familien, die ungebrochenen Karrieren in einer Institution, die niemals begreifen konnte, wie ein Mensch wie ich lebe und leben kann.

Bei denen ich immer noch ein Wunder war oder bestenfalls - unerkannt.

So also ändern sich die Zeiten.





P.S.: Erst jetzt bemerke ich, dass ich mich in durchaus guter Gesellschaft befinde, fand sich doch in Wikipedia folgender, verwegener Satz: "

Madonna has cited Mitchell as the first female artist that really spoke to her as a teenager; "I was really, really into Joni Mitchell. I knew every word to Court and Spark; I worshiped her when I was in high school. Blue is amazing. I would have to say of all the women I've heard, she had the most profound effect on me from a lyrical point of view."[15]"




Montag, November 12, 2007

Boha ey - Wuppertal

Schön, dass es ein gemütliches Wochenende war.
Ja, das tut gut bei so einem Wetter. Bindfäden von Regen. Die Nachbarin nebenan klärte mich auf: 40 Liter Niederschlag am Niederrhein. Beindruckend und weit mehr ...

Zwischen durch waren wir mit Tante Gerta in Wuppertal. Gerta ist die Schwester von Petras Vater. Willi und Gerta. So nannte man die Kinder - damals. In Wuppertal wir dann Tante Reni, die eigentlich Irene heißt und im zarten Alter von 94 Jahren ist. Zugleich ist sie die Schwester von Petras Muter. Geborene Becher zu Wuppertal.

Beide - Gerta und Reni - kennen sich sehr gut. Über die Jahre hinweg. Über alle Jahre. Petras Mutter wurde frühzeitig von Wuppertal nach Krefeld evakuiert. Das geschah nach den ersten Flächenbombardements im , als noch Hitler Häuptling der Deutschen war. Da übten die Alliierten noch in Wuppertal - fürs Ruhrgebiet.

Ab und an blieben daher im Tal komplette Straßenzüge stehen. Ein bizarres Bild bei aller Zerstörung. Noch hatte man , gelernt, die Bombardierung dort fortzusetzen, wo man aufgehört hatte.

Damals, so sagte er es mir, stand mein Vater den Höhen von Essen-Werden und sah die Stadt brennen. Lichterloh. Wie eine Vorahnung auf das Kommende. Auch 330 Kilometer Luftlinie waren klar genug. Auch um die Anneliese nach Krefeld zu evakuieren. Dort, wo der Willi (Petras Vater) schon immer wohnte, aber jetzt auch unterwegs war. Es war Krieg. Beide haben geheiratet zwischen Bomben und Bleiben die Liebe besiegelt und Anneliese blieb in Krefeld. Bis sie starb.

Immer wenn es dann nach Wuppertal ging, wurde es Petra als Kind schlecht. Wuppertal, das war ihr zu eng. Kein Horizont. Alles grau. Kein Himmel mehr. Nur Häuserschluchten am Arrenberg. Ich kann es heute verstehen, habe ich doch selber Jahre meines Lebens zugebracht, darunter gute wie schlechte

Während die beiden sich dann unterhielten, haben wir mit Rocco die klassische Schwebebahnfahrt gemacht. Und Erinnerungen stiegen in mir auf .Dort habe ich meinen sog. Alltagstest verbracht. Einmal mutwillig zwischen alle Geschlechter sich setzen. Weiter gehen als alle anderen. Die Kopfhörer des Walkmans schützen mich vor dem, was andere mir zudachten. Angst bis unter die Kniekehlen manchmal, sich so nackt und verletzlich auszuliefern. „Ey guck mal! Wahnsinn. Ist dat ein Mann oder eine Frau? Schwuli Du ... „ und all das, was man kostenlos in öffentlichen Verkehrsmitteln zu hören bekommt. Nun war die Fahrt beschaulicher und dennoch zitterten die Knie wieder. Immer wieder diese Situationen. In der Schwebebahn, auf der Straße. "Passing" heißt diese Übung und sie wollen sehen, ob man das auch stehen kann – obgleich man sich weder körperlich noch sonst wo seiner selbst versichern konnte. Aber egal jetzt ....

Rocco fand die Fahrt ausgesprochen amüsant und saß gerne auf unserem Schoß. Schaukelte und schwebte vor sich hin. Unter uns der Fluss. Adler Brücke. Dort stieg ich auch, um zu unserer Wohnung zu kommen. Damals 22 Jahre vorbei. Mit Heike wohnte ich unter dem Dach. Eine schöne Wohnung und billig zumal. Ein Theologiestudent, der das Examen machte. Eine Hochzeit auch noch in dieser Zwischenzeit. Innerlich konnte ich nicht mehr. Bestand und brach zusammen. Wie merkwürdig, das noch geschafft zu haben.

Die Wege zur Kirchlichen Hochschule hoch. Oftmals gegangen. Ich werde sie noch im Schlaf kennen. Lange meine Heimat. Erstes Willkomm außerhalb von Essen. Ich weiß noch wie heute, wie es eine lange Reise war mit dem Moped damals von Essen nach Wuppertal. Man kann sich so wunderbar gut verfahren dort. Einbahnstraßen, Kehren und verwinkelte Gassen. Industriebacksteine und Schieferhäuser. Aussichten auf das Tal, ab und an. Dann wieder Schwindel erregende Häuserschluchten. Vier und fünf Stockwerke hoch. Arbeiteraussichten. Ich war gern in Wuppertal – damals. Stadt der Frühindustrialisierung. Marx und Engel. Mechanische Webstühle und fromme Bürgerzirkel. Man werde mit Regenschirm und Gesangbuch dort geboren, sagte ein Volksspruch und so regnete es auch ununterbrochen an diesem Wochenende.

Bilder überblenden sich, wenn ich an Wuppertal denke. Die ersten Nächte über der Schreibtischlampe. Bewaffnet mit einem Tintenfass und einer Feder schrieb ich meine ersten Hebräischen Vokabeln auf. Eine ungeheuer schöne Sprache, dachte ich damals noch. Die Sprache Jesu und ich fühlte mich ihm über die Sprache und das nächtliche Aneinanderreihen von Buchstaben weitaus mehr verbunden, als durch diese Vorträge der Professoren. Mal wieder meine kleine Flucht, so wie ich sie immer hatte. Zeit meines Lebens bis heute.

Es waren schöne Zeiten damals, sage ich und werde senitmental und traurig zugleich. Es war so viel Aufbruch um mich herum. Gerade aus dem Krankenhaus entlassen, als Zivildienst leistender Mensch zwischen allerlei Alltag gewickelt, Haut und immer wieder neue Berührungen, man konnte die Menschen durch Berühren begreifen, wortwörtlich und ihr Geruch ging mir noch lange nach. Ich war gerne dort im Krankenhaus, wo ich das Schwimmen lernte im Schwesternheim, Zug um Zug weniger Anstrengung, sich einfach auf das Wasser legen, ein Einverständnis mit dem Element. Dort kam ich her, wo die Welt so elementar war und wurde, nun in dieses unüberschaubare Wuppertal aus lauter Hügeln und Tälern. Jeder Berg ist ein Dorf, sagte mir mein Nachbar noch und sollte recht behalten. Später las ich, dass Wuppertal früher über 45 Bahnhöfe gehabt habe, weit mehr als heute Schwebebahnhaltestellen. Ein Stadt wie ein Flickenteppich. Lang gezogen und eigen jeder Fleck. Hier Geschichte und da Geschichte. Immer wieder die Spuren von Menschen, Arbeitenden – nein, schön war mir Wuppertal nie aber doch eigenartig vertraut und nah. So als wäre ich dort noch einmal geboren und irgendwie stimmt das ja auch.

Die Hebräisch Vokabeln habe ich heute noch. Und das nicht nur aus Erinnerung, obgleich es eine seelig selbstvergessene Zeit war, da zu sitzen den Nachts und zu schreiben. Linie um Linie. Seltsam geschwungene neue Gefährten, so schien es mir. Ein Tor in eine neue Welt und dahinter jede Menge Leben. Ich bin dieses jüdische Erbe, das ich dort begann, eigentlich nie losgeworden, wenn gleich es anders wurde wie in einem Kaleidoskop immer neue Bilder hervorbrachte. Sch´ma Jisrael, Adonai Elóhenu. Adonai échat. So sagte ich noch Jahre später in der WDR Sendung bei Böttinger auf der Kanzel der Evangelischen Kirche das Bekenntnis Israels zu seinem einigen Gott und neimand nahm daran Anstoß – bis heute nicht. Ein kleine Vorspann war das, eine Skizze einer entlaufenen Pastorin, die nie heimisch wurde dort, wo es um Christus und die großen Dinge ging. Ja, mein Kopf konnte und wollt es wohl begreifen, nichts reizvoller als die trinitarischen Streitigkeiten im zweiten Jahrhundert nach Christus, aber mehr von allem fand ich es bemerkenswert, dass diese auf dem Marktplatz öffentlich ausgetragen wurden und ich dachte an die Fischhändler bei Asterix und Obelix und eine ganz und gar handfeste Theologie, die den Menschen das Denken erlaubt bis hin zum Streit.

Der Berg dort oben, die Kirchliche Hochschule, war ein kleines Refugium. Die da oben waren alle etwas seltsam, so sagte man im Tal. Nebenan war die ehemals pädagogische Hochschule, die Generationen von Lehrerinnen produzierte, die mit Pfarrern verheiratet waren. Doppeltbeamtete Glückseeligkeit. Heute ist eine Justizvollzugsschule dort untergebracht und so verschlossen die Theologie sich gibt, so sehr wuchsen dann die Trampelpfade zu, die da heimlich angelegt wurden, um von einer zur anderen Stätte zu gelangen.

Dieses Wuppertal habe ich also besucht und bin mit dem Finger noch mal die Strecken abgegangen. Eine Erinnerung an besser oder einfach nur andere Zeiten. Ein angehender Theologie Student, der sich versuchte zurecht zu finden und deren Reden immer so merkwürdig getränkt waren von Sprache und Zeit, von Berührung mit Dingen, die anderen noch nicht verstehen konnte. Gewiss, man sagte ich sei ambitioniert.

Später kehrte ich zurück um mein Examen zu machen. Zusammen mit Heike, die mich heraus liebte aus den Schatten, indem sie da war – mehr nicht. Es stand alles bereit und dennoch klappte auf einmal nichts. Es bliebt in diesen Wechselnächten, wo ich wach am Fenster stand und den Mond schaute, das vertraute Bild des Rabbi s mit der Thora Rolle im Arm, so als könne man sich selber darin einwickeln und bergen. Dieses Bild hing im Wohnzimmer, das ich dort zum ersten Mal in meinem Leben besaß, ansonsten gab es Zimmer unter dem Dach. Neun Quadratmeter wie in Heidelberg, wo ich zwischendurch studierte. Zwölf zuvor an der Kirchlichen Hochschule. Ich war genügsam. Mehr nicht und lernte nachts, wenn die Dämmerung sank, das Licht sich veränderte und Frieden einkehrte, eine merkwürdige Zeit zwischen Wachen und Meditation. So als wären meine Sinne besondern offen, aufzunehmen, zu versinken in eine eigene Welt, die zu mir reden wollte.

Sonntag, November 11, 2007

Erstaunliche Erkenntnisse ...

... förderte der Präses der Ev. Kirche im Rheinland in eine längst schon gelaufene Debatte zu Tage. In der WAZ meinte er, Hedge Fonds mit klassen kämpferischem Vokabular von Grund auf kritisieren zu müssen:


Was werfen Sie Hedge Fonds vor?
Schneider: Sie kaufen Firmen auf, um sich das Eigenkapital unter den Nagel zu reißen. Denen ist egal, was aus den Firmen wird, wenn sie weiterziehen. Außerdem beuten sie die Mitarbeiter aus.


Das gilt aber nicht für alle Finanzinvestoren gleichermaßen.

Schneider: Das habe ich auch nicht gesagt. Es gibt auch jene Investoren, die Firmen in kritischen Situationen helfen und sie vor der Pleite retten.

Können Sie da so genau unterscheiden zwischen den so genannten Heuschrecken und anderen Investoren?
Schneider: Diejenigen, die einzig auf Gewinn aus sind, sind deutlich zu erkennen. Sie zeichnen sich nämlich durch intransparente Unternehmensführung aus.

Wie zeigt sich das?
Schneider: Die innere Struktur von Hedge Fonds ist nicht nachzuvollziehen. Keiner weiß, wie sie denken oder planen. Die agieren so diskret, dass man gar nicht weiß, welche Menschen dahinter stecken. Das ist wie zu Zeiten des Feudalismus, als es geheime Räte gab. Das ist das Gegenteil einer offenen demokratischen Gesellschaft.
Quelle WAZ

Erstaunlich ist, dass die Ev. Kirche im Rheinland allen Forderungen zum Trotz bis heute noch nicht offen gelegt hat, wie sie selber denn ihre Pensionsgelder angelegt hat. Intransparenz in Finanzdingen ist dabei geradezu eine Konstante der Insitution Kirche geworden. Niemand weiß, wo die Gelder denn wirklich liegen. In welchen Fonds, Firmen oder Produkten diese Gelder sie stecken. Es sind ja immerhin diese Pensionsfonds, die die Hedge Fonds erst möglich machten.

Auch die beamtete Pfarrerschaft sorgt sich ersten Umfragen zu Folge am ehesten um die Bezahlbarkeit ihrer Pensionen - weit mehr als um den Zustand einer weiter schrumpfenden, gesellschaftlich irrelevanten Kirche. Das ist kein Wunder, wenn man sein Produkt so gründlich herunter gewirtschaftet hat wie die jetztige Generation, von der Erbringung volkswirtschaftlicher, relevanter Leistungen ganz abgesehen.

Kirche als selbst referenzierendes Auslaufmodell, das noch nicht mal merkt, dass niemand mehr zuhört. Ein Freund von mir sagte, wohl nicht nur mit einem Augenzwinkern, dass die genialste Idee der Kirche in den letzten Jahren die gewesen sei, den Kirchenaustritt nun 40 Euro kosten zu lassen. Nicht nur für eine Hartz IV Familie ein Grund, nung doch nicht mehr aus der Kirche aus zu treten.

Seeliges Glück. So bleiben die Schafe aus ökonomischen Grund bei der Herde, während der Hirte das Blöken beginnt. Mit gleicher Berrechtigung könnte man aufblasbare Gottesdienstbesucher erfinden.

Wie sagte meine Oma Lisbeth noch so treffend: "Keine Nase ist zu klein, um sich nicht daran zu fassen." Wohlan Herr Präses. Wir warten auf Transparenz und demokratischen Ausweis.


Freitag, November 09, 2007

Kulturschock bei Ochs und Esel

Gestern war es endlich soweit. Mein 280CE landete neben Ochs und Esel in seinem Winterquartier. Nebenan muhten die Kühe. Hundebellen der gefährlichen Art versicherte mir, dass Einbrecher auch hier Chancen hätten. Also, Nummernschilder ab und schlafe gut.


Mein Winterauto habe ich inzwischen auch anmelden können. Mit längerem Anlauf zu Geldern. Zuerst ging nämlich gar nichts auf dem Amt, weil der alte, schon entwertete KFZ Schein fehlte. Den muss man neuerdings auch dabei haben oder den Verlust quittieren lassen. Da es vor Ort nicht ging, fragte ich nach gut Kölsch Art nach einer Lösung des Problems. "Schauen Sie, der Wagen habe ich für 350 Euro gekauft. Der Vorbesitzer ist 1925 geboren, wie Sie sehen. Der sitzt inzwischen im Altenheim und kann sich gar nicht mehr daran erinnern, den Wagen jemals gefahren zu haben. Da soll der jetzt noch einen entwerteten und unnützen KFZ Schein haben oder gar auffinden?"

"Nun, das ist nicht mein Problem. Aber ohne kann ich nichts machen," kam es mir entgegen.
“Also gut", sagte ich dann. "Dann unterschreibe ich Ihnen hier vor Ort, dass ich den Schein bekommen und verloren habe. Dann kommen wir wenigstens weiter und ich muss nicht noch mal herkommen und einen Tag frei nehmen.“

"Sehen Sie, sie haben mir doch vorhin gesagt, dass Sie den Schein gar nicht erst bekommen haben." "Ja, stimmt!" "Dann können sie ihn auch nicht verloren haben.“ kam die entwaffnende Logik der Bürokraten zurück.


Ich überlegte kurz: „Sagen Sie mal. Eigentlich kann es doch völlig egal, wer was verloren hat. Oder wie etwas nicht da ist. Sie sehen, ich habe hier den Fahrzeugbrief, das Auto gehört mir. Das müsste doch reichen als Nachweis.“ „Nun, so einfach ist das nicht mehr. Wir brauchen neuerdings den alten KFZ Schein, den wir einziehen müssen. Da können Sie mir dann höchstens noch einen schriftlichen Kaufvertrag vorlegen.“ „Wieso das denn? Ich habe den per mündlichem Vertrag gekauft. Das ist doch rechtsgültig. Oder? Sehen sie, der ist Baujahr 1988, so ein alter Sierra, da macht man keinen Vertrag mehr.“ „Ja gut, aber einen mündlichen Vertrag kann ich in die Akten nicht kopieren. Und ich brauche eine Unterlage dazu."


Ich stand auf, schaute auf meinen Hund Rocco, der sich gerade vor dem Schreibtisch schüttelte. „Siehste Rocco“ sagte ich „darum kommen alle Menschen so gerne her hin. Weil ihnen so fachlich und kompotent geholfen wird.“ Dann bedankte ich mich noch laut vor allen Wartenden und ging stinke wütend hinaus.

In Köln hätte man das anders und vor Ort regeln können. Immerhin lagen ja sonst alle Papiere vor samt Versicherungsbescheinigung und einem gültigen Personalausweis meiner Person vor. Der vermisste KFZ Schein war ja ungültig und entwertet worden. Aber ohne ging gar nichts. Neuerdings sammelt man im Amt auch Altpapier ein. Mehr als erstaunlich.

Am nächsten Tag es dann einer anderen Kollegin. Der erzählte ich vom W123 und dem Stall, wo er jetzt stehe. Den Bauern kannte sie sogar. "Jaja, als mein Vater noch den Hof hatte, haben wir den auch als Diesel gefahren."

Beim Tanken allerdings fiel mir abermals Kinnlade runter. Super kostet 1.44 Euro pro Liter. Wo ich doch nur 54 Cent gewohnt war. Dafür durfte der Benz auch mehr verbrauchen und belohnte mich mit satten 185 PS. Nie kam er über 10 Euro auf 100 km. Das waren jetzt umgerechnet knapp unter sieben Liter Super. Erstaunlich.

Für den Sierra 2.0 mit 105 PS setzte es min. 10 Liter Verbrauch. 14.50 Euro auf 100 Km. Schlicht ein Schock.
Mein Tankwart am Ort lächelte mich an. Bisher gab es alle zwei Monate für 20 Euro Super zum Starten. Von wegen "Benzinpreise interessieren mich nicht. Ich tanke immer nur für 20 Euro."

Der Spruch wirkte auf einmal sehr abgedroschen.
Traurig, so eine Spritschleuder zu fahren. Aber immerhin, Platz hat der Karton. Und zwei Jahre TÜV. Was willste mehr ?



Übrigens haben ihn Hanfried genannt. Weil bei uns alle Namen für ein Fahrzeug mit H beginnen. Um ehrlich zu sein, ein blöderer Name fiel uns nicht mehr ein. Kann sein, er macht ihm alle Ehre.

Die Zukunft des Autofahrens allerdings könnte so aussehen