Donnerstag, Februar 05, 2009

Wie sich der Blick wendet ...


Es war gestern. Eine Trauerfeier nach langer Enthaltsamkeit. Komisch, diesen Winter war wenig; es kann aber auch sein, dass ich sehr mit mir beschäftigt war. Immerhin, mal wieder eine solche, für die ich eigentlich ausgebildet wurde.

Eine "entlaufene Pastorin", die nun Trauerfeiern für Menschen macht, die nicht mehr in der Kirche sind. Immer noch bin ich in einem Habitus befangen. Als wäre es unendlich wichtig, was ich dort tue. Da wird die Stimme so getragen und nicht wirklich warm. Da lese ich und schaue ab und an über meine neue Brille, die ich jetzt tragen muss.

So eine Feier des Lebensausganges ist gut vorbereitet. Ich habe es mal durch gerechnet. Nicht unter acht Stunden zu haben. Das wird oft vergessen, wenn man den Trauerbesuch und anderes dazu nimmt. Mein katholischer Bruder vor Ort verriet mir, dass der kaum mehr die Zeit habe, so etwas zu leisten. Vier Gemeinden muss er nun qua seines sakramental verliehenden Priesteramtes allein verwalten. Das sei ihm eindeutig zu viel und er setze immer die Namen in die Liturgie ein und freut sich, wenn er noch Platz für ein, zwei persönliche Sätze hat.

Dabei dauert bei ihm eine Feier fast über eine Stunde. Die Wiederholung der Gläubigen in die Kirche, dachte ich. Dieselben Rituale. Dieselben vertrauten Formeln. Was ich 10mal wiederhole, von dem trenne ich mich nicht. Dafür ist es gut. Dazu ist es gemacht. Egal, ob ich es mag oder nicht. Der Vollzug rechtfertigt die Tat. Ein katholisches Mantra - warum nicht?

Bei mir ist das anders. Ich möchte, dass die Menschen vor kommen können. Die, die dort sitzen und Abschied nehmen. Und die, von denen wir uns trennen müssen. Dieses Mal war die Auswahl der Musik spannender, als die Rede selber. Wenngleich auch die Worte gut gewählt sein sollten. Dennoch - da stand eine Gitarre im Sterbehaus, als wäre sie gerade noch gespielt worden. Und ein Mensch schreibt in seinem Testament: Trauert nicht ...

Musik habe ich dann gefunden. Fernando Sor mit einem Gitarrenstück. Fraktal, in sich schwingend. Klar gespielt mit Resonanzen. Und zum Abschied einmal New Orleans Funeral March. Als der lief, hellten sich die Gesichter in der ersten Reihe auf. Ein Lächeln des Wiedererkennens lief durch die Gesichter. Eine gewisse Heiterkeit angesichts des Todes.

Lange Zeit galt bei mir die Maxime: Heulen müssen sie! Denn es gibt ja kaum öffentliche Räume, wo man noch weinen darf. Wo Gefühle Platz finden. Vielleicht sind deshalb die Trauerhallen so hoch und monumental ausgefallen? Egal. Aber - seit gestern muss niemand mehr bei Trauerfeiern weinen. Zumindest nicht bei mir. Es war so schön zu sehen, wie es anders wurde. Allein durch Musik. Allein durch Bewegung.

Und es wippte durch die Trauergemeinde. Etwas verstohlen. Hier und da. Eine Hand griff die andere. Menschen schauten sich an. Eigentlich so, wie es sein sollte. Nah. Fröhlich in aller Trauer. Als bräche etwas auf, was Leben einlässt. Was Berührung möglich macht.


Und dann,
nahmen wir die Urne und gingen los.
Schritt für Schritt.

Traurig und getrost.
Mit Lachen und Weinen.

Schön war es.
Und schön sollte es sein.





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Wikipedia zu Jazz Funeral

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