Mittwoch, Februar 18, 2009

Fettauge - sei wachsam !!

Es ist schon merkwürdig, dass Manager inzwischen einen so schlechten Ruf haben, waren sie doch lange Jahre "eine Klasse für sich". Von keinem anderen Berufsstand konnte man hören, wie aufopferungsvoll sie sich um ein Unternehmen kümmern, um den Wert desselben zu steigern. Und nun ist eine Klasse entzaubert worden, die sich selber als unantastbar betrachtet hat.

Die Hilflosigkeit ist groß. Und um gegen die Angst bestehen zu können, greifen Sie auf alte Reflexe zurück: Wichtigkeit von Person plus ausgeführte, hoch komplexe Tätigkeit mal eklatante Bonizahlungen ergibt die eigene Unverzichtbarkeit.

"Ohne mich geht es einfach nicht!" war anfangs nur als Mantra der Workoholics bekannt, jetzt begleitet es auch als Pfeifen im Wald die verunsicherten Seelen der Manager, die wenig haben um sich ihrer selbst zu vergewissern. Dann kommt erschwerend hinzu: Eigentlich wissen Sie nur zu gut, dass es ohne sie auch geht - oder ahnen es zumindest.

Was ist geschehen, damit wir solch eine Manager-Kaste bekommen konnten?

Ein Blick in ein internationales Unternehmen kann hilfreich sein. Da wurde unter der Leitlinie "Alles der Börse" der Kunde abgeschafft und das Geschäftsmodell selber in den Finanzmarkt verlagert. Kunden störten da nur. Die wirklichen Gewinne waren an der Börse zu machen.

Geld gebiert Geld - ganz von allein vermehrte es sich. So war der alte Mythos wieder geboren. Die Mär, aus Kohle Gold machen zu können. Oder aus Geld noch mehr Geld. Wirkkräftige Mythen, die selbst dem kleinen Mann zum Aktionär machten. Es waren allesamt Männer, die Geburtsmythen von Geld nachahmten, die neue Kreisläufe der Geldwirtschaft entwickelten, die keiner mehr verstand, die aber Mehrwert aus Nichts schaffen konnten.

Die Börse mit ihren Kursen und nicht mehr der Handel mit Güter und Dienstleistungen entschied letztendlich über Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens. Statt Kunden benötigte man Kennzahlen. Und diese subito und sofort.

In "Echtzeit" panierte man stets neue Zahlen, ohne jemals die Hintergründe kennen zu lernen. Immer und überall waren diese Kennzahlen verfügbar, um das eigene Unternehmen messbar zu halten - nicht nur für die Börse, sondern auch für die eigene Wichtigkeit. Zuletzt waren Ratings wichtiger als Umsätze, die man zur Not schon mal fälschen konnte. Die Zahlen mussten passen und die gab das aktuelle Softwareprogramm heraus.

Manager beherrschten die "Echtzeit". Das war eine neue Ansage, mit der niemand mehr mithalten konnte. SAP Systeme zu bedienen war wichtiger als die Führung von Mitarbeitenden oder gar Kunden. Gab es früher noch die gewissen Grauzonen der Trägheit oder Balance - denn ohne Masse kann kein Schiff auf hoher See bestehen - wurde nun alles virtuell in die Echtzeit verlagert.

Die Börsen reagierten ja super schnell und so konnte innerhalb von wenigen Minuten über Erfolg oder Misserfolg entschieden werden. Die klassische AdHoc Mitteilung wurde zum Synonym einer neuen Kaste.

Beschleunigung war das Thema der Stunde. Schneller. Höher. Weiter. Auf zu neuen Ufern. Während früher der Gewinn in ein Unternehmen re-investiert wurde, flossen die Mittel nun zu Hauf in den Finanzmarkt ab.

Ich habe mir von einem Berater mal schildern lassen wie das in einer Vorstandsetage aussah und wohl immer noch aussieht. Da gibt es erst mal nichts. Im Vorraum flimmern Bildschirme, die alle Kennzahlen per Knopfdruck abrufbar machen. Dahinter verbirgt sich ein Sitzungssaal in gediegenem Holz mit Ledersesseln. Drehbar, um jederzeit einen Blick auf die Bildschirme werfen zu können. Architektonisch ist das alles angelegt wie der Tempel zu Jerusalem - mit Vortempel und Heiligtum. Und so müssen sie sich da auch gefühlt haben, wenn man Zutritt bekam. Zutritt ins Allerheiligste.

Zutritt, das war die nächste Schlüsselvokabel, die man haben und beherrschen musste. Zutritt haben war noch wichtiger, als Echtzeit Kennzahlen. Den Kunden - den gab es schon lange nicht mehr.

Der Kunde wurde transformiert zum lästigen Kostenfaktor. Kundenbeziehungen wurden zu Zahlen gefaltet und in Software frittiert. Die neuen Software Programme schafften es, die Kunden von allein zu verwalten und jederzeit erfassbar Umsatz und Gewinn pro Kunde ausspucken zu können. Ein digitales Zäpfchen, ohne jemals nach Gesundheit oder Krankheit eines Kindes zu fragen.

So konnte man in Echtzeit entscheiden, was taugte und was nicht.

Aber - die Zeiten werden sich ändern. Die letzten Zuckungen des Systems bestanden darin, weiter zu sparen. Einsparungen - das sagte man nicht. Es galt vielmehr in Goldgräbermanier das verborgene Kapital eines Unternehmens zu heben - hin zu noch mehr Effizienz und besserer Überschaubarkeit, hin zu FTE Kennzahlen und dem wertvollen Humankapital, dass man - im Gegensatz zur Börse - nun so sparsam wie möglich einsetzen sollte. So schrumpfte man an Ideen und Kreativität gleich mit. Solange der Weltmarkt offen stand, war alles möglich. Und wo alles möglich ist, braucht nichts wirklich überprüft werden.

Es gibt Unternehmen, die haben seit Jahrzehnten keine eigene Innovation mehr hervorgebracht, außer Update und geringfügige Modifikation des eigenen. Automobile sind auch da eine wunderbare Demonstration. Den Vergleich mit der Neuzeit muss ein 16 Jahre alter Saab 900i, wie ich ihn jetzt fahre, nicht scheuen. Die Modifikationen sind gering. Nichts wirklich Neues ist da erfolgt.

Warum also neue Autos kaufen? Die Fragen hatten wir uns immer schon gestellt, aber nun schuf der Markt seine eigene Nachfrage. Denn der Finanzmarkt schaffte zwei Dinge zugleich: einmal Autos extrem zu verteuern, zum anderen sie für jeden erschwinglich zu machen. Das war die Innovation, die zum MEHR führte. Nichts anderes. Und wir verdanken auch sie den Kapital und Finanzmärkten, die mit Schulden besser klar kamen als mit Produkten. Daher wurden Fremdfinanzierungen und Leasingraten angeboten, dass jeder Mann sich sein Auto nach Wunsch leisten konnte. Ein Traum ging in Erfüllung. Nichts kostete mehr etwas, wenn nichts bezahlt werden musste.

So wurden aus Schulden eigene Produkte gemacht und es war ein kleiner Weg, nun auch Menschen, die es sich nicht leisten konnten, auch Häuser anbieten zu können - fast zum Nulltarif. Der Markt war durch keinen realen Wert mehr gedeckt. Die Schulden sind ein eigenes Produkt geworden, welches man - toxisch nun genannt - wieder neu verpacken und verkaufen konnte.

Etwas gestreckter Koks, das kannte man wohl schon aus eigener Erfahrung. Was sollte da schon passieren? Sucht bleibt Sucht und die Manager waren gierig nach mehr und mehr. Der Fehler passierte, als man erkennen musste: Es waren Dioxine, die dort verpackt wurden.

Eine Kaste stirbt nun aus. Die Suppe haben sie uns schon lange eingebrockt. Eine Fettaugenmentalität trägt da nicht mehr weiter. Denn nicht immer schwimmt oben, was nach oben gehört.

Also, Fettauge - sei wachsam !




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