Sonntag, Februar 01, 2009

Samtene Seele der Unverwundbarkeit

Ich reibe mir verwundert die Augen, weil ich ein Interview gelesen haben, dass sich durchaus mit meiner eigenen Lebenserfahrung decken kann. Ich will Euch das Interview nicht vorenthalten, werde aber den Namen nicht dazu geben.



Frage: Sie werden dieses Jahr 40. Haben Sie Angst vor einer Krise?

Antwort: Die habe ich schon hinter mir. Das vergangene Jahr war schlimm für mich. Meine beiden Hunde sind gestorben, das hat mich sehr getroffen. Das hat meine Einstellung zu allem verändert. Es war eine unglückliche Geschichte: Ein Privatsender drehte eine Reportage über mich, bei mir zu Hause. Dann habe ich erfahren, dass einer meiner Hunde Leberkrebs hat. Er starb am letzten Drehtag.

(...beginnt zu weinen.)

Eigentlich hätte ich sagen sollen: Ihr hört jetzt auf zu drehen. Aber ich wollte so professionell sein, wie ich mein ganzes Leben war.

Frage: Und dann?

Antwort: Zwei Monate später wurde der Beitrag gesendet. Vorher lief immer wieder die Vorschau: Ich heulend neben dem toten Hund. Dadurch bekam ich ein richtiges Trauma.

Ich habe mir Vorwürfe gemacht, weil ich zugelassen habe, dass der tote Hund gedreht wurde. Zwei Wochen später starb mein zweiter Hund. Das war einfach zu viel. Ich hatte Albträume, in denen ich selbst tot umfalle und dabei gefilmt werde. Mein Mann musste mich manchmal in die Notaufnahme fahren, weil ich wirklich dachte, ich sterbe.

Frage: Alles, weil Sie um jeden Preis professionell sein wollten?

Antwort: Ich habe mich immer für unverwundbar gehalten. (...) Letztes Jahr war das erste Mal, dass mir eine Sache so aus der Hand geglitten ist. In meinen Augen war ich plötzlich ein Looser.

Frage: Hat Ihre Krise Sie verändert?

Antwort: Ja, früher habe ich professionell gelebt, war immer die Professionelle. Vor Aufnahmen habe ich tagelang keine Süßigkeiten gegessen. Ich hatte höchste Verachtung für alle Leute, die nicht so dizipliniert sind. Erst jetzt begreife ich: Die anderen leben einfach ihr Leben, die genießen es, ganz normal. Das lerne ich jetzt.


Was mich berührt?

Nein, es sind nicht die Hunde, wenngleich ich es durchaus nachvollziehen kann. Dass der Tod der Hunde eine Sinnkrise auslösen kann. Dass man nicht mehr weiter kann, weil da Trauer und Verlust sich einstellen. Martin Luther hat sogar einmal in seiner Psalmen Vorlesung gesagt, dass ein einzelnes, fallendes Blatt einen Menschen zu Tode erschrecken könne - wenn er nicht mit sich und Gott versöhnt sei. So ein heilsamer Schreckt tut gut, durchaus.

Es ist auch nicht, dass diese Person berühmt werden wollte, wie sie später sagte. Dass sie wirklich ehrgeizig war, ihre Ziele zu erreichen. Kann sein, es trifft auch bei mir zu, mit dem Unterfangen als geschlechtlich konvertierte Pastorin dennoch arbeiten zu können. Diese beiden Flügel weit auszuspannen. Weiter als andere bisher.

Aber, es ist der Abschied davon, professioneller sein zu müssen als nötig. Meine ersten Jahre als Frau waren so merkwürdig perfekt. Dieses Lachen, das sich zeigte. Als müsste ich allen beweisen, dass es die richtige Entscheidung war. Als müsste ich denen im Landeskirchenamt zutragen, dass alles ausgestanden ist und zugleich war ich doch innerlich so berührbar und erschütterbar wie selten zu vor.

Samtene Seele der Unverwundbarkeit.


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P.S.: Ihr könnt ja raten, von wem dieses Interview stammt.

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