Dienstag, Dezember 13, 2011

Die Weisheit ist bei den Fischbänken zu Hause

Es ist ja nicht so, dass man die Weisheit mit Löffeln gegessen hat. Und darum ist echte Zeitgenossenschaft nur dem möglich, der mit offenen Augen durch die Welt geht. Und so traf ich im Urlaub folgenden Spruch:



Genial dachte ich. Einfach genial.

Ein lachender Gott, das hat schon was. Und vor allem Menschen, die ihn zum Lachen bringen können. Unsere Pläne, was sind die schon? Wichtig für uns, allemale. Aber doch auch immer mit dieser Portion Humor versehen, dem Vor-läufigen und dem fast Lächerlichen.

Eben eine human Lächerlichkeit, die sich von Gott ansehen lässt. Ein Lachen eher, das einem vergnügten Schmunzeln gleicht. Dieser Spruch lief uns zu in Bozen, an den Fischbänke, die früher genutzt wurden, um die frischen Fische auzunehmen. Dort hat ein Cobo, seines Zeichens ein entlaufener Psychologe und Arzt, das wohl skurrilste Etablissement aufgebaut. Marmortischbänke der Fische karrikiert von leichten Sonnenschirmen und einer selbst gebastelten Wand voller guter Sprüche, die alle eines haben: alltäglich zu sein. Nicht ermahnend daher zu kommen. Sondern eben ein Lächeln in den Mund treiben. Ein Ort, um sich wohl zu fühlen. Eine Tankstelle für die Seele.

Für jeden, der dort hinkommt ein Muss. Und wenn es nur auf einen Aperol Spritz ist. Inspiration inklusive und nicht berechnet.





Vom Auf-Hören und Weitermachen

Ein Pfarrer sagte nach der Machtergreifung Hitlers, die ihn zutiefst erschüttert hatte, dass man weiter arbeiten solle, als ob nichts geschehen wäre. "etsi nihil factum est!" Meint, man darf den Dingen nicht noch ihre Mächtigkeit zusprechen. Schön längst hatte er auf-gehört, machte aber weiter mit dem, was er für richtig empfand. Widerstand im Kleinen funktioniert nur so.

Heute jedoch ermächtigen wir Rating Agenturen über uns ein Urteil zu sprechen. Angst ist eine gute Währung, weit besser als jeder Euro, mit der viel Geld zu machen ist.

Mittwoch, Dezember 07, 2011

Es ist doch passiert ... .

...

Am 30. Nov. diesen Jahres bin ich endlich aus der Ev. Kirche ausgetreten.



Eigentlich ein unvorstellbarer Schritt für mich, aber irgendwie stimmig und passend. Dennoch mit einer Nacht Alptraum zum Abschluss belohnt. Als ich anlässlich meines Interviews von brandeins.de noch mal einen Blick auf meine Kirchengeschichte warf, wurde mir doch klar, dass an zuverlässigen Reaktionen in den letzten 10 Jahren rein gar nichts kam.

Es ging ja tatsächlich soweit, dass man Polizei und Psychiatrie
bemühen wollte, um mich vom kirchlichen Dienst fern zu halten. Selbst als normales Mitglied dieser Kirchengemeinde in Wachtendonk wollte man mir nicht beantworten, wo und wann denn das Presbyterium tage.

Deshalb ein Resumee frei nach Kierkegaard: Das Frohmachende daran, dass nicht die Kirche mich, sondern ich die Kirche ausgehalten habe.

So bin ich dann an diesem Tag früh Morgens nach Geldern gefahren, habe meine 30 Euro
Austrittsgebühr bezahlt und mich abgemeldet. Keine Stunde später hatte ich eine Trauerrede am Grab zu halten. Es waren Eusslanddeutsche, die spät nach Geldern kamen. Eine Tochter aus Moskau, die kein Deutsch versteht. Und dazwischen eine vogelfreie Pastorin, die etwas sagen sollte, weil baptistische Russlanddeutsche keine Urnenbeisetzungen erlauben. Also musste jemand anders ran.

Als ich fertig
war, trat ich zurück vom Grab und stand noch eine Weile da. Fragende Augen lagen auf mir. Einen Moment zu lange. Dann öffnete sich der Mund der alten Frau: Bitte, beten sie noch mit uns?

Unfassbar.
Aber gut.

Also sprachen wir gemeinsam das Vater Unser. Ich gab den
Segen, so wie
ich es gelernt hatte. Kaum vor einer Stunde noch der Kirche entkommen, in den Armen der Menschen gelandet.

"Beten Sie noch mit uns?"
Sowas auch.

Gut sage ich mir, wenn auf solche Traditionen die
Kirche kein Copyright mehr hat und alles wieder konvertierbar wird. Mitten ins Leben hinein. Warum auch nicht?

Raus aus der Kirche,
rein zu den Menschen.

Ein schönes Fazit, durchaus.



P.S.: Ja, es ist gegenüber der Kirche tatsächlich schon meine zweite Austrittserklärung gewesen. Die erste findet sich hier


Mittwoch, März 30, 2011

Transray offline ....


Leider schon wieder eine traurige, aber richtige Nachricht. Die umfassende Enzyklopädie über transgender Literatur TRANSRAY, die ehrenamtlich betrieben wurde, ist offline gegangen.

Die Argumente allerdings überzeugen nicht nur mich, wie man hier nachlesen kann:


"
Aus, vorbei Warum?

Ich bin der Ansicht, dass die Gesellschaft und insbesondere die Politik nicht bereit sind, Transsexualität so anzunehmen, dass ein würdevoller Umgang mit transsexuellen Menschen in naher Zukunft möglich ist. Alle Bemühungen, zum Beispiel die Vornamenswahl/Geschlechtswahl zu vereinfachen, sind gescheitert.

Ebenfalls sind auch die Vorurteile nicht aus der Welt zu schaffen, die genau dies verhindern.

Bislang orientiert sich die Behandlung/der Umgang an Vorgaben, die nicht von Betroffenen verabschiedet wurden. Sie folgten einem paternalistischem Dogma, durch das transsexuelle Menschen zum Subjekt des Handelns werden.

Ich habe viele Menschen kennengelernt, die schon seit Jahren von der medizinischen Fraktion hingehalten werden, denen es seitens der Krankenkassen untersagt wird, sich operieren zu lassen, deren Erscheinung zu täglichen Kämpfen führt, nur weil „Standards“ und Medizinische Dienste (frühzeitige) Epilationen verhindern.

Viele dieser Menschen stehen dadurch im beruflichen Abseits. Diese Belastung schlägt sich auch in Aufenthalten in der Psychiatrie und Erwerbsunfähigkeiten nieder. Das Einzige was uns fehlt, ist die einfache Anerkennung. Wir benötigen keine Psychotherapie, noch Psychoanalyse über Jahre hinweg, sondern einfaches Vertrauen darauf, dass wir es selbst sind, die genau wissen, was uns nützt.

Ich dachte dem Themenkreis Transsexualität näher zu kommen, indem ich alle mir bekannten Quellen zusammenfüge. Das Ergebnis ist ernüchternd. Neben Moden gibt es keinen wissenschaftlichen Ansatz, der überhaupt irgendetwas erklärt.

Die „Wissenschaftler“ stochern also im Nebel und auch wenn einige sich nach Jahren dahingehend äußern, dass transsexuelle Menschen einfach ganz normale Menschen seien, dann ist das schon erschreckend, weil immer noch so getan wird, als wenn die Behandlung von Transsexualität nur gewissen Vorgaben zu folgen hat und dann alles gut wird.

Wird es nicht.

Und zwar deshalb weil transsexuelle Menschen in ihrer Verzweiflung alles unternehmen, was von professionellen „Helfern“ gefordert wird, die Bungee-Jumping-Theorie – wenn ein Kriterium der Diagnose wäre, sich mit einem Gummiband an den Beinen von einer Brücke zu stürzen, dann würden es alle tun, auch wenn es nichts damit zu tun hat – verdeutlicht es. Dies ist symptomatisch für die „Diagnose“, resp. „Behandlung“.

Zuletzt noch ein Wort zu Gutachten: Nirgendwo wird mehr Unsinn geschrieben und Ableitungen aus noch so weit hergeholten Angaben gemacht. Es wird Zeit, den Quatsch mit den Gutachten zu lassen, nicht zuletzt auch deshalb, weil sie zur Verelendung von transsexuellen Menschen beitragen.

Für Anfragen nutzen Sie bitte goodbye@transray.com."

Donnerstag, Februar 03, 2011

Kein Weg frei oder die Wiederholung. Von Suicid und Neuanfängen


Es berührt seltsam, wenn einer Ärztin der Prozess gemacht wird, die sich für ihre Patienten eingesetzt hat, wie selten eine. Dennoch wurde sie angeklagt, zuletzt wegen Mordes an den ihr anvertrauten Patienten. Der Fall Mechthild Bach ist ein besonderer. Offensichtlich auch, weil diese Ärztin große Hoffnung in die Justiz gesetzt hatte, eine Debatte klären zu lassen, bei der sie selber ihre Berufsauffassung und Ethik, sozusagen ihre Haut zu Markte trug. Es ging um den begleiteten Selbstmord, Suizid genannt. Was dürfen Ärzte tun und was nicht. Und ist ein Nicht-Tun, eine Unterlassung ebenso fahrlässig wie ein Handeln selber? Was ist im Falle einer klar diagnostizierten Krebs Erkrankung mit der Würde des Menschen vereinbar?

Biblische sieben Jahre lang lag sie in Prozessen vor Gericht, um selber eine Antwort zu bekommen auf ihre Fragen, Menschen in den Tod begleiten zu können. Die Würde nicht am Pulsschlag alleine fest zu machen, sondern an der Freiheit, ihm ein Ende setzen zu dürfen. Zuletzt wurde sie selber des Mordes angeklagt - eine diffuse Eskalation von Juristen, die selber nie mit solchen Fragen konfrontiert wurden.

Vorgeworfen wurde ihr, Patienten mit Schmerzmittel und Morphium getötet zu haben. Eine enge Grenze zwischen Palliativmedizin und aktiver Sterbehilfe. Die Fragen, die sich mit ihrem Tun dem Gericht stellte, wurden nun allesamt nicht beantwortet. Frau Bach selber wählte den von ihr bevorzugten Weg des Freitodes. Wohl der, die eine Ärztin ist und über genügend Wege verfügt, an Medikamente zu kommen.

Mich erinnert das an den viel zu frühen Tod von Jean Amery , dem Denker ohne Weltvertrauen - der für mich mit seinem Buch "Hand an sich legen - Diskurs über den Freitod!" manche sinnvolle Position vertrat und mir den Weg ebnete, selber Hand an mich zu legen - einmal durch den Spiegel zu springen und neu zu werden. Amery, geboren als Hans Mayer mit jüdischem Namen Chaim und den Lagern der Nazis entkommen, starb durch eigene Hand im Oktober 1975, nicht ohne sich selber zu bewahrheiten.

Nun also eine Ärztin ohne Weltvertrauen, die in kindlicher Naivität die Bestätigung für ein Tun erhoffte, dass nur jeder für sich selber verantworten kann. Und wie Amery, so fehlt uns nun Frau Bach.

Sören Kierkegaard allerdings verwies dort auf die teleologische Suspension des Ethischen und fand im Tun Abrahams (Gen.22), der seinen Sohn zum Opfer binden sollte, ein Paradigma ohnegleichen. Mir wurde es diese Geschichte zum Spiegel, durch den ich springen konnte, wurde Isaak doch nicht geschlachtet, sondern wieder gefunden und ins Leben geschenkt - ohne dass Abraham seinen Glauben verlieren musste. Diese Gratwanderung des Glaubens war mir in Zeiten meines Überganges tröstlich, hilfreich und geradezu verlockend: die Wiederholung - wie Kierkegaard es nannte. Dass man im Alten neu anfangen kann. Dass man sich selber neu empfängt - das ist etwas gänzlich anderes als das Neu-Sich-Inszenieren, was ich allenthalben bei vielen wieder finde, die sich auf den Weg eines Geschlechterwechsels machen. Nein - es muss schon ganz und gar gemeint sein, um sich neu zu empfangen.

Und darin, in dieser Radikalität, ähnelt der Schritt über die Geschlechtergrenzen hinaus, tatsächlich der Radikalität eines Jean Amerys oder einer Mechthild Bach, die für sich den Weg wählten, der ihnen angemessen erschien. Als ich im März 1988 die Aufklärung für meine Operation unterschrieb, stand da der immer noch lapidare Satz, dass ein solcher Eingriff ein hohes Mortalitätsrisiko bedeute - was nichts anderes bedeutet: Du kannst nur einmal durch den Spiegel springen. Und das Ziel steht von vornherein nicht fest.

Immerhin in diesen Dingen bin ich mir mit Frau Bach und dem Juden Chaim sehr einig. Sie sind und bleiben meine Geschwister, auch wenn ich sie vermisse.


Mittwoch, Januar 26, 2011

Rites des Passages - ein neuer Fall für die Kirche

Lange schon lief die Gerüchteküche: Die Ev. Kirche habe einen weiteren Fall von Transsexualität, ein Pfarrer also, der sein Geschlecht wechseln wolle. Mich hat das sehr irritiert, dachte ich doch endlich mit dieser Kirche fertig zu sein und dann das: alles wird wieder aufgerührt, zumal einige Beteiligte durchaus schon meine Wege kreuzten.

Es gab erste Interviews in der BILD Zeitung, in der sich die wohl inzwischen getrennt lebende Frau äußerte, wiesen mir die Richtung. Merkwürdig dachte ich mir, ausgerechnet einen solchen Weg zu gehen. Wie viel Verletzung und Not muss dahinter stecken, dass die Ehefrau ausgerechnet zu BILD geht? Da muss arg viel Verzweiflung mit im Spiel sein, Enttäuschung, die nicht aufgefangen werden konnte. Die Unmöglichkeit, das Leben wieder zu gewinnen im anderen Geschlecht, was immer es für alle Beteiligte bedeutet. Die Wege bleiben ja offen, auch wenn vieles sich ändern mag. Mit dieser Erkenntnis fängt es doch an. Womit denn sonst, wenn man ins Unbekannte aufbrechen will. Im Nachhinein erscheinen zwei gescheiterte Ehen und sieben Kinder - immerhin, das scheint Rekord zu sein bei einer solchen Übergangserfahrung. Aber schon jedes Pfarrhaus ist architektonisch für vier Kinder eingerichtet, wo gibt es das sonst?

Deshalb - warum nicht ?

Dann las ich, dass Pfarrer Spörkel in Frauenkleider gesichtet worden sei im Kirchenkreis. Was muss das für eine Schockwelle in ihm selber ausgelöst haben. Will man doch gesehen und entdeckt werden und hat zugleich unendliche Angst davor. War das der Anlass zu seinem Outing? Die Verzweiflung, sich nicht mehr verstecken zu können? Und was geschah danach? Wir wissen es nicht, lesen von Kur und Krankheit und jetzt einer überraschenden Pressekonferenz, in welcher die Gemeinde ihren Pfarrer trägt, der sich über einen Namensänderung noch keine Gedanken macht.

Mein Vorschlag ist banaler Natur: Im Schoße der Kirche verankert sollte sie sich DOROTHEE oder DOROTHEA nennen - Geschenk Gottes übersetzt, denn nun hat sie ihr Schicksal in das der Kirche gelegt und ich hoffe, die Fahrt geht besser aus als die meine. Als ich damals aufbrach, 1987 vor über 22 Jahren, versehen mit guten Wünsche, hatte ich Angst vor Psychiatern, Ärzten und Operateuren und setzte mein Vertrauen ganz auf Gott und die Kirche. Das hat sich allerdings sehr bald gewendet, wenngleich Gott eine himmelsschreibende und -schreiinde Existenz weitaus besser auszuhalten vermag, als die Kirche mich oder ich dieselbe inzwischen.

Nun warten wir ab, was werden wird. Es rührt auch meine Kirchengeschichte wieder auf. Der immer noch beste Kommentar dazu war das WDR 5 Feature "Karin Kammann und der verlorene Talar". Vielleicht sollte ich es mir wieder mal anhören, wenn auch begleitet mit der freudigen Nachricht, dass besagter Oberkirchenrat Dembek inzwischen in den damals schon längst verdienten Ruhestand gegangen ist. Sein Nachfolger ist fast mein Jahrgang. Die Zeiten ändern sich.