Montag, Dezember 22, 2008

Von Betteln und Nässen oder: Frohe X-Mas

Da war es wieder mal passiert. Ich verstand gar nichts mehr. Als ich neulich mit meiner Freundin Uta spazieren ging, die inzwischen Internetseiten erstellt, sagte sie so schön beiläufig. "Ach ja, hier in Schwelm ist es richtig schön. Und toll ist auch, dass Uli den ganzen Tag Zeit hat. Da können wir richtig planen. Zu Weihnachten wollen wir mal richtig schön wellnässen."

"Bitte was?" fragte ich noch und begriff zugleich, das da eine der wesentlichen Entwicklungen in Deutschland komplett an mir vorbei gegangen ist. "Ja, so einen Tag in der Sauna und einfach nur mal reläksen!" meinte Uta und sah mich fast mitleidig an.

Ich kratze mich am Kopf. Wellnässen und Reläksen also. Man geht wellnässen oder hat schon - jetzt kommt es - ge-wellnässt. Das ist der neueste Trend. Man stellt den denglischen Begriffen die deutsche Verpackung zu Verfügung. Ge-well-nässt. Das ist erstaunlich. Und sofort kamen mir weitere Assoziationen in den Sinn.

War es nicht letztens so, dass man auf RTL auch betteln konnte? Hatten da nicht einige Mädels, die Bezeichnung "chicks" vermeide ich hier mal, gegeneinander ge-bettelt? Eine harte zeit für alle, mit Tränen und Nervenzusammenbrüchen. Schwer zu lernen, dieses Betteln. Oder lag ich da etwa auch falsch? Ging es nicht um Spendenergebnisse, sondern um einen Wettkampf? Eine "Schällengsch" sozusagen. Denn "ge-bettelt" wurde ja um einen Platz in einer Girlieband - only for Girls. Früher kannte man sowas auch nicht.

Immerhin wird nun in Deutschland also fröhlich "ge-wellnässt" und "ge-bettelt". Neue Sachverhalte, die kein Sprachforscher je entdeckt hat. Und zum Neuen Jahr verspricht uns RTL auch eine Neuauflage von Wetten das. Die heißt dann tatsächlich: "Schällengsch mih!"

Mit Mih und Muh kannte man sich damals allerdings noch aus - im Stall zu Bethlehem. Aber auch der ist jetzt fest eingebettet in einen neuen Event: der IKS-Mas. Wahrscheinlich wird demnächst dieses neue Festtagsprodukt den Marktverhältnissen angepasst. Dann gibt es ein X- und ein x-tra XL-Mas für die, die etwas mehr haben. Und mit bedrohlicher Aussicht auf die Finanz- und Wirtschaftskrise sitzen wir im nächsten Jahr mit eng geschnalltem Gürtel unter dem Tannenbaum.

"Frohe S-Mas!" wünschen wir uns dann. Vor allem die, die "abge-loost" haben.

Wenn das mal keine "Schällengsch" ist.

Frohe Wighnacht allerseits!

Samstag, Dezember 13, 2008

Pray for Pontiac


Es ist unglaublich, aber wahr. Der Markt hat seinen eigenen Gottesdienst geschenkt bekommen. In den USA beten Evangelisten für die Heilung des US Automarketes. Ein Bild, wie es eindrücklicher nicht sein kann.

Das goldene Kalb ist erwachsen geworden und bekam Räder. Die Ängste sind real. Die Gottesdienste ebenso.

Wer es nicht glauben will, kann hier clicken


Donnerstag, Dezember 11, 2008

Eine erfrischende Weltwoche

Zugegeben, es passiert selten, dass ich beim Lesen einer Kolumne oder eines Artikels laut lachen muss. Aber die gute alte Weltwoche aus der Forrlibuckstarße in Zürich tut, was die Deutschen aufgrund ihrer Untergangsphobie schon längst vergessen haben: Witzig und alltagsdirekt zu erzählen. Konfrontativ und immer mitten ins Leben hinein.

So geht es mit den Blog Kolumen von Güzin Kar, die begnadet direkt und frech daher kommen. Sei es ihre verzweifelte Bemühung, einen geschlechtlich nicht identifizierbaren Menschen auf der Post auf sein Geschlecht überprüfen oder durchsuchen zu lassen, sei es die herzerfrischende Alltagspersiflage der schwergewichtigen Fatma, die es sich nun angewöhnt hat, keine Pöbeleien von Jugendlichen mehr durchgehen zu lassen. Immer wieder gerät sie mitten ins Leben und zugleich an den Rand - des Nervenzusammenbruchs, des ironisch gedrehten Alltags, wo unsere Gewohnheiten kofpschüttelnd Kopf stehen dürften - ein befreiendes Lachen auch über unseren grauer werdenen Alltag.

Während alle deutschen Wirtschaftsinstitute heute die Alarmsirenen über die Medienlandschaft schrillen lassen, empfehle ich heute und eindrücklich die Gender Kolumenen von Güzin Kar.

Viel Vergnügen ...

Mann oder Frau?


Eins-in-die-Fresse Diät


Übrigens ist ihr neues Buch justament erschienen: Hormonie- Paarungskatastrophen für Fortgeschrittene. ZU finden auf Ihrer Website

Dienstag, Dezember 09, 2008

Spiritletter.de

Heute bekam ich die Einladung, kostenlos und unverbindlich beim Spiritletter mit zu arbeiten. Ich finde die Idee prima, wenn man nicht mit überladenen Sinnsprüchen konfrontiert wird, sondern hier und da eine Meldung von woanders kommt. Das macht den Kopf beweglicher, die Gedanken schnell. Manchmal aber auch nur ein Zeichen zu Einkehr. In Summa eine gute Idee, schalten wir doch morgens schon lange die Morgenandacht auf WDR5 aus. Unser allmorgendlicher Rausschmeißer, vor allem wenn er mit Sätzen wie diesen beginnt: "Als ich bei meinem letzten Urlaub auf dem Killimanscharo saß, wurde mir bewusst, wie .... !"

Diese Andachten sind durchgehend - abgesehen von einer sehr pfiffigen Berliner Theologin - von solch penetrant flacher Art, dass man sie nur abschalten kann. Sie spiegeln selbstgefälliges Leben; sie locken nicht zum Denken; sie dröhnen einen zu mit einem unreflektierten Beamtenalltag, der maximal sich selber zum Problem erheben kann - voller Impetus und gleichzeitig gefälligem Selbstzweifel. Die Verbindung zum Leben, zu den Sorgen der Menschen ist schon lange verloren gegangen. Eine echte Zumutung oder besten Falls: "Komm, jetzt müssen wir raus aus den Federn!"

Nun also der "Spiritletter" - eigentlich ein neu-deutsches Zeugs vom Namen her. Aber ohne DEnglish scheint es auch da nicht zu gehen, wenn überhaupt. Einen Geistesbrief will niemand bekommen. Ein anderes Wort nicht suchen. Also - Spiritletter. Dennoch, ein Versuch ist es wert. Jeden Tag per Mail ein Extra-Brief.

Umso schöner war es dann, dass ich im Impressum und bei den Autoren auch die Schweizer wieder entdeckte, zumal Zürich, die Stadt meiner Sehnsucht. Denn schon immer waren die Schweizer Theologen etwas anders. Kurt Marti nur ein Beispiel, wenngleich ein treffendes. Ich denke ja immer: dort ist die Luft anders. Und die Gedanken ungleich frischer.

So fühle ich mich wieder in bester Gesellschaft und lasse meinen Versen freien Lauf, zwischendurch und nicht gekämmt, einfach so, was im Dialog durch den Kopf gehen mag, wenn man Nachrichten wie dieses heute liest: Erste Grosspleite NRW. Da brauche ich nicht lange überlegen. Da schreibt es sich fast von allein:


Kommen soll, was alle erwarten.
Kommen wird, was wir nicht erwarten konnten.

Dazwischen
der Takt des Herzens.

Liebe, die sich verströmt.
Hier und jetzt. Immer
wieder denen, die
lauschen.

© Karin Kammann