Montag, Februar 23, 2009

Katholisch global kathastrophal


So, nun hat es ihn also auch erwischt. Unsern Papst. Den Benedetto. Den Professor Ratzinger aus Markl am Inn. Man hätte es ihm weder gewünscht noch zugetraut.

Was sonst nur unsensible Manager wie ein Herrn Ackermann fertig bringen, ist nun auch ihm widerfahren. Denn gewollt war es ja nicht. Gewollt war etwas ganz anderes: Das Lebenswerk des Benedetto in Szene zu setzen. Dem Professor liegt so unendlich viel an der Einheit der Kirche, dass sie sakramentalen Charakter gewinnt. Ein Wert an und für sich. Außerhalb jeder Relation.

Und nun hat er in bester Absicht und Motivation völlig daneben gegriffen - mit katastrophalen Folgen. Wie konnte das geschehen? Ausgerechnet ihm, der den Apparat doch so lange von innen kennt und kannte.

Vielleicht liegt ja darin die Antwort: Dass Lebenswerk und Innenschau zu einer eigenen Blindheit führen. Eine Institution, die ihren Zweck in sich selber trägt, braucht keine Außensicht. Wer katholisch ist, umfasst alles in sich und für sich - in Einheit Amen.

So wurde auch Benedikt ein Opfer der Implosion von Wahrnehmung. Die katholische Welt um ihn herum richtet sich wie ein schwarzes Loch nur nach innen: reine Lehre. Reine Materie. Absolute Macht. Sakramentale Einheit.

Aber der Reihe nach: Eigentlich sollte es so gut wie einfach sein. Der Vatikan nimmt eine Exkommunikation zurück. Allein das ist schon unvorstellbar, gab es bisher doch nur den umgekehrten Weg: Identität gewann man durch Ausgrenzung. Katholisch hieß: weltweites, exklusives Heil durch die Kirche - zölibatär verteilt. Einheitlich auf aller Welt gleicht. Was ist da McDonalds?

Eine Geste der Versöhnung sollte es sein und ein folgerichtiger Schritt zum höheren Ziel: Einheit statt Schisma. Ein für alle mal. Damit wollte Benedikt in die Geschichte eingehen. Da war er nur: ein deutscher Papst, der die Einheit der Kirche als eine sakramentale Aufgabe der Zeit begriff.

Das sind neue Töne in einer längst schon globalisierten Welt. Die katholische Kirche als Gegenmodell zu globalisierten Warenwelt. Kath-olos - wäre dann: Welt in sich tragend. Das war Benedikts Mission Statement. Zu einem deutschen Papst hätte das durchaus gepasst. Und ausgerechnet darüber musste er stolpern.

Denn wer schon katholisch ist, also weltumspannend, der trägt die Welt in sich selber und braucht nicht mehr nach draußen schauen. Der gravitiert um sich selber. Und produziert Zirkelschlüsse, wie sie auch aus Unternehmenetagen weltweit agierender Konzerne bekannt sind.

Da steht Benedikt dem Autismus multinationaler Konzerne in keiner Weise nach, die es auch nicht schaffen, andere Interessen außer den eigenen gelten zu lassen. Das hat er bewiesen.
Aber das Bekenntnis zum globalisierten Markt ist ebenso wie das zur Einheit der Kirche kein Zweck an und für sich.

Tröstlich daher die Nachricht, dass auch ein Papst fehlbar ist. Gerade dort, wo er meint, unfehlbar zu sein. Seltene Dialektik. Benedikt hätte es besser und vor allem - anders machen können.

Wie so viele andere auch.




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kat-holos gr. : alles umfassend und in sich vereinend

Freitag, Februar 20, 2009

Man füllt nicht neuen Wein in alte Schläuche

Ja, ich habe noch Aktien.
Spielgeld, wie ich es nennen würde.


Es sind Aktien der Hypo Real Estate, die ich im letzten Jahr in der Krise für 300 Euro gekauft habe. Das war, nachdem die erste Bankbürgschaft in Höhe von zehn Milliarden Euro der Bank gewährt wurde - der erste Schritt, um die Finanzmärkte zu stützen. Da dachte ich: Wow - zehn Milliarden Euro. Für nur eine Bank. Das war ein arger Brocken. Da kann es nur aufwärts gehen.

Eigentlich mag ich keine Bankaktien. Wirklich nicht, obgleich ich mal bei der Commerzbank vor zwei Jahren Glück und Gewinn hatte, da ich ich diese für 36,43 Euro wieder verkaufen konnte. Heute stehen sie - zumal nach der Übernahme der Dresdner Bank - bei schlappen 2,87 Euro. Was für ein Absturz! Und: ich war rechtzeitig ausgestiegen. Schön, das geschafft zu haben.

Bei der Hypo Real Estate verhielt es sich anders.

Denn da liegt ja noch die Deutsche Pfandbrief Anstalt dahinter - die DePfA, die nicht bankrott gehen darf. Das Deutsche Pfandbriefwesen - undenkbar, wenn das platzen würde. Preußische Tugenden. Deutsche Solidität. Doppelt abgesicherte Kredite. Alle - wirklich alle konservativen Wertanleger steckten ihr Vermögen in Pfandbriefe. Weniger Rendite aber doppelte Sicherheit.

Ich war mir sicher: diese Bank durfte einfach nicht Pleite gehen. Und so sprang ich - zugegeben, mit kleinem Betrag - ins Karussell mit ein. Obgleich ich mich wunderte, dass die DePfA nun in Irland angesiedelt war. Warum, so fragte ich mich, muss die Deutsche Pfandbrief Anstalt in Irland angesiedelt sein? Antworten gabe es nicht, dafür zuckten die Aktienkurse nach oben.

Sah mich damals mein Bankberater der KD Bank (ehemals: Bank für Kirche und Diakonie, Duisburg - auch so etwas gibt es) damals noch mit zuckendem Augenbrauen an: "DA wollen sie wirklich Aktien kaufen?", sah ich mich endlich bestätigt. Der Kurs kletterte um über 32% und endlich schien auch ich wieder auf der Sonnenseite zu stehen: 300 Euro investiert und 520 Euro auf dem Depot ausgewiesen. Herz, was willst Du mehr? So könnte es doch weiter gehen. Der lang ersehnte Silberstreif am Horizont. Und: alles wird wieder gut. Ich bin bei den Gewinnern.

Allein - so ging es nicht weiter. Während die Bediensteten der Hypo Real Estate noch Demonstrationen für ihren Chef abhielten, stürzte der Kurs erneut ins Bodenlose. Immer neue Löcher wurden aufgetan und man sprach von einen "nicht mehr zeitgemäßen" Geschäftsmodell. Offensichtlich hatte die Hypo Real Estate langfristige Kredite durch kurzfristige Anleihen auf dem Kapitalmarkt bedient - ein lohnendes Geschäft, solange vagabundierendes Kapital in Hülle und Fülle am Markt vorhanden war, das kurzfristig beschafft werden konnte. Nun aber, war der Kapitalmarkt komplett zusammen gebrochen. Die langfristigen Kreditlinien konnten nicht mehr bedient werden, das Geschäft brach zusammen, da kein Geld vorhanden war, was kurzfristig beschafft werden konnte, um die langfristigen Kreditlinien zu bedienen.

Eigentlich - so muss man sagen - war Geld genug vorhanden, aber niemand verlieh einem etwas und wenn, dann nur noch zu horrenden Zinssätzen. Wenn überhaupt. Damit war die Existenz der Hypo Real Estate hinfällig. Ihr Geschäftsmodell fußte ja darauf, langfristige Kredite mit kurzfristigen Finanzierungen zu versehen und daraus den eigenen Schnitt zu machen.

So lange das Rad sich drehte, solange genug freies Kapital zu haben war - eine durchaus lukrative Angelegenheit. Aus dem Rad wurde so ein Riesenrad. Einfach weiter so. Immer weiter. Man kann es sich auch vorstellen wie ein Schneeball, der sich selber paniert. Je größer die Oberfläche wurde, desto mehr Schnee bleibt hängen, desto größer wird der Ball - ganz von allein wuchs das Geschäft der Hypo Real Estate ins Unermessliche. Anders gesagt: Die Hypo Real Estate hatte den Stein des Weisen gefunden. Bequeme Geldvermehrung, weil in die alten Schläuche der langfristigen Kredite immer wieder neuer Wein gegossen wurde.

Ein altes, biblisches Bild - das sein Ende provoziert.
Niemand faßt Most in alte Schläuche; sonst zerreißt der Most die Schläuche, und der Wein wird verschüttet, und die Schläuche kommen um. Sondern man soll Most in neue Schläuche fassen. Mk.2,22
Offensichtlich geschah aber genau das bei der Hypo Real Estate. Wobei die Menge unvorstellbar sein muss. Heute morgen erreichte mich die Nachricht, dass die Hypo Real Estate einen unbedienten Schuldenberg von über einer Billionen Euro vor sich her schieben soll, dennoch.

Eine Billionen, das sind 1.000.000.000.000 Euros. Noch zu kurz, um es hier darstellen zu können. Demgegenüber war ich mit meinen 300 Euro, die sich auf 82 Euro herunter gehungerten hatten, noch gut dran. Die Order zum Verkauf liegt auf meinem Schreibtisch, denn immerhin erst jetzt überlegt man, diese Bank - die ja schon lange keine mehr ist - zu verstaatlichen. Und meine Aktien dazu. Das wollte ich mir nicht gefallen lassen. Also verkaufen.

Als ich gerade das Radio ausschalten wollte, hörte ich noch den Nachsatz: Die Eingner der Hypo Real Estate, J.C.Flowers aus den USA, verweigert die Zustimmung zum Aufkauf der Hypo Real Estate. Er wird sicherlich dasselbe denken, wie ich es damals gedacht habe: mit einer DePfA im Gepäck, darf diese Bank nicht pleite gehen. Und pokert vielleicht besser als ich.

Bekannt ist, dass er nun das Zweieinhalbfache des Aktienwertes fordert, um seinen 25% Anteil an den Staat zu verkaufen. Wenn ich nachrechne, bin auch ich damit wieder in grünen Bereich. Eine Erpressung ist das - aber eine durchaus kalkulierte. So funktioniert der Finanzmarkt.

Währendessen endete die Nachricht damit: Ein Zusammenbrechen der Hypo Real Estate wird in Finanzkreisen als weitaus größere Gefahr gesehen, als die Insolvenz von Lehman Brothers im letzten Jahr.

Und da fing der Schlamassel ja erst an. Was soll ich also machen: Halten oder verkaufen? Pokern oder die Aktien frei stellen. Verkaufe ich sie, wird ein gewisser J.C. Flowers sie sicherlich aufkaufen und weiter pokern. Herr Steinbrück müsste ich sie schenken. Denn jetzt will er enteignen.

Sie sehen daran, wie man mit kleinem Engagement am Kapitalmarkt die spannendesten Geschichten eines Wirtschaftskrimis erleben kann. Sie landen zudem mitten in der Bibel, bekommen gewünschte und unerwünschte Wegbegleiter an die Seite gestellt und dürfen obendrein im ethischen Dilemma verschwinden. Ziemlich viel für eine entlaufene Pastorin.

Aber immerhin mit dem Gefühl, wieder mitten drin zu sein.

Ach, ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten. Aber:
Haben Sie vielleicht einen Rat für mich ??




Donnerstag, Februar 19, 2009

Exitus vor dem Ableben : Abwrackprämie

Es war unfassbar. Kaum zu verarbeiten für einen Menschen, der altes Blech wert schätzt, der in Autos nicht nur die Funktionalität sieht, sondern auch mobiles Kulturgut.

Nun ist sie also auch in Deutschland angekommen.
Die neue Abwrackprämie.

Sprachlich ein Krüppel sorgt diese Prämie in Höhe von 2.500 Euro sehr zuverlässig für volle Plätze bei den Auto Verwertern, wie auch hier in Kempen bei Cars.


Ein Blick dort zu werfen, ist aufschlußreich und lohnend. Ich fand Autos, die durchaus als gebrauchsfähig zu bezeichnen waren, darunter auch einen W124 Mercedes Coupe in Vollausstattung Leder.



Unfassbar. Das ist - oder heißt es jetzt: war - ein Auto der Spitzenklasse, das - vorausgesetzt es ist nicht verrottet - durchaus zu einem Klassiker sich entwickeln wird. Schon jetzt werden Preise bis zu 5.000 Euro dafür aufgerufen.


Und nun sah ich es dort stehen in einer Reihe Mittelklassewagen, ein König unter den zum Schrott Verdammten. Für 2.500 Euro weggeschleudert in den Schredder.


Als ich eintrat, um mich nach dem Wagen zu erkundigen, begegnete ich zwei Polen, die mit Schraubschlüssel bewaffnet sich selber durch die Berge von Karossen kämpfen wollten - immer auf der Suche nach Ersatzteilschnäppchen.

"Wir können die gar nicht korrekt ausschlachten, da uns dafür die Zeit schlicht fehlt. Das ist ein Andrang, den wir nur durch Ausstellung der Bescheinigung gut bewältigt bekommen. Für die eigentliche Verwertung bleibt uns kaum Zeit!" sagte mir einer der dort Angestellten, schulterzuckend.

Meine Anfrage, das Mercedes Coupe für 2.500 Euro kaufen zu wollen, wurde negativ beschieden. "Das ist bei uns ein hoheitlicher Verwaltungsakt geworden. Da kann keiner mehr etwas retten. Sobald die Bescheinigung zur Verwertung ausgestellt ist, mit der die ehemaligen Besitzer ihre 2.500 Euro beantragen können, ist da überhaupt nichts mehr zu machen."

Also eine Klare Diagnose: Exitus vor dem Ableben. Alle unrettbar verloren. Und selbst eine sachgemäße Verwertung ist unmöglich. War das so gewollt? Braucht unsere Wirtschaft diesen Wohlstandsmüll und hätten die Autos nicht ein Weiterleben verdient - meinetwegen auch in Afrika? Wer profitiert denn wirklich von dieser Prämie?

Das System ist pervers: Steuerzahler subventionieren die Anschaffung neuer Werte für andere Steuerzahler. Ein Neuwagen hat in den ersten drei Jahren über 50% Wertverlust, gemessen am alten Einkaufspreis. Dieser Verlust wird nun steuerlich eingeebnet und weg-subventioniert. Und womit? Eben - mit dem Geld anderer Steuerzahler. In jedem Schrottprämienauto steckt also ein VEB Neuauto drin. Oder anders gesagt: .... sponsored by Angie - wenngleich sie diese Entscheidung vertreten, allerdings nicht bezahlen muss.

Die Sterbenden überlässt man sich selber. Hauptsache, es wird wieder konsumiert. Unweigerlich kam mir beim Anblick der vielen verschrottungsdefinierten Autos das Wort vom "geburtenstarken Jahrgang" in den Sinn. Das Zuviel, der Überfluss, den wir nur durch weiteren Konsum bändigen können.

Und ich erschrak. Moment mal.

Mit Geburtsjahr 1959 gehöre auch ich einem solchen geburtenstarken Jahrgang an. Sehe ich hier schon meine eigene Zukunft vor mir - in einer Gesellschaft, die das Altern auch nicht zulassen kann? Die den Exitus vor dem Ableben fördert?

Mit etwas mulmigen Gefühl verließ ich diesen Ort. Autos retten wollen, ist das eine. Gedanken über sich selber machen, das andere. Zeit, sich mal die Fakten der Zukunft genauer vor Augen zu führen. Um nicht auch irgendwann "abgewrackt" zu werden. Diesen Gedanken hat noch niemand ausgesprochen. Aber wer weiss, was uns beim Zusammenbrechen der sozialen Sicherungssysteme alles noch bevorstehen mag. Und dieser scheint unausweichlich zu werden.

Rette sich wer kann. Und - allseits gute Fahrt




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Ein sehr guter Artikel über die verheerende Wirkung der Abwrackprämie findet sich auf www.ikonengold.de

Mittwoch, Februar 18, 2009

Fettauge - sei wachsam !!

Es ist schon merkwürdig, dass Manager inzwischen einen so schlechten Ruf haben, waren sie doch lange Jahre "eine Klasse für sich". Von keinem anderen Berufsstand konnte man hören, wie aufopferungsvoll sie sich um ein Unternehmen kümmern, um den Wert desselben zu steigern. Und nun ist eine Klasse entzaubert worden, die sich selber als unantastbar betrachtet hat.

Die Hilflosigkeit ist groß. Und um gegen die Angst bestehen zu können, greifen Sie auf alte Reflexe zurück: Wichtigkeit von Person plus ausgeführte, hoch komplexe Tätigkeit mal eklatante Bonizahlungen ergibt die eigene Unverzichtbarkeit.

"Ohne mich geht es einfach nicht!" war anfangs nur als Mantra der Workoholics bekannt, jetzt begleitet es auch als Pfeifen im Wald die verunsicherten Seelen der Manager, die wenig haben um sich ihrer selbst zu vergewissern. Dann kommt erschwerend hinzu: Eigentlich wissen Sie nur zu gut, dass es ohne sie auch geht - oder ahnen es zumindest.

Was ist geschehen, damit wir solch eine Manager-Kaste bekommen konnten?

Ein Blick in ein internationales Unternehmen kann hilfreich sein. Da wurde unter der Leitlinie "Alles der Börse" der Kunde abgeschafft und das Geschäftsmodell selber in den Finanzmarkt verlagert. Kunden störten da nur. Die wirklichen Gewinne waren an der Börse zu machen.

Geld gebiert Geld - ganz von allein vermehrte es sich. So war der alte Mythos wieder geboren. Die Mär, aus Kohle Gold machen zu können. Oder aus Geld noch mehr Geld. Wirkkräftige Mythen, die selbst dem kleinen Mann zum Aktionär machten. Es waren allesamt Männer, die Geburtsmythen von Geld nachahmten, die neue Kreisläufe der Geldwirtschaft entwickelten, die keiner mehr verstand, die aber Mehrwert aus Nichts schaffen konnten.

Die Börse mit ihren Kursen und nicht mehr der Handel mit Güter und Dienstleistungen entschied letztendlich über Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens. Statt Kunden benötigte man Kennzahlen. Und diese subito und sofort.

In "Echtzeit" panierte man stets neue Zahlen, ohne jemals die Hintergründe kennen zu lernen. Immer und überall waren diese Kennzahlen verfügbar, um das eigene Unternehmen messbar zu halten - nicht nur für die Börse, sondern auch für die eigene Wichtigkeit. Zuletzt waren Ratings wichtiger als Umsätze, die man zur Not schon mal fälschen konnte. Die Zahlen mussten passen und die gab das aktuelle Softwareprogramm heraus.

Manager beherrschten die "Echtzeit". Das war eine neue Ansage, mit der niemand mehr mithalten konnte. SAP Systeme zu bedienen war wichtiger als die Führung von Mitarbeitenden oder gar Kunden. Gab es früher noch die gewissen Grauzonen der Trägheit oder Balance - denn ohne Masse kann kein Schiff auf hoher See bestehen - wurde nun alles virtuell in die Echtzeit verlagert.

Die Börsen reagierten ja super schnell und so konnte innerhalb von wenigen Minuten über Erfolg oder Misserfolg entschieden werden. Die klassische AdHoc Mitteilung wurde zum Synonym einer neuen Kaste.

Beschleunigung war das Thema der Stunde. Schneller. Höher. Weiter. Auf zu neuen Ufern. Während früher der Gewinn in ein Unternehmen re-investiert wurde, flossen die Mittel nun zu Hauf in den Finanzmarkt ab.

Ich habe mir von einem Berater mal schildern lassen wie das in einer Vorstandsetage aussah und wohl immer noch aussieht. Da gibt es erst mal nichts. Im Vorraum flimmern Bildschirme, die alle Kennzahlen per Knopfdruck abrufbar machen. Dahinter verbirgt sich ein Sitzungssaal in gediegenem Holz mit Ledersesseln. Drehbar, um jederzeit einen Blick auf die Bildschirme werfen zu können. Architektonisch ist das alles angelegt wie der Tempel zu Jerusalem - mit Vortempel und Heiligtum. Und so müssen sie sich da auch gefühlt haben, wenn man Zutritt bekam. Zutritt ins Allerheiligste.

Zutritt, das war die nächste Schlüsselvokabel, die man haben und beherrschen musste. Zutritt haben war noch wichtiger, als Echtzeit Kennzahlen. Den Kunden - den gab es schon lange nicht mehr.

Der Kunde wurde transformiert zum lästigen Kostenfaktor. Kundenbeziehungen wurden zu Zahlen gefaltet und in Software frittiert. Die neuen Software Programme schafften es, die Kunden von allein zu verwalten und jederzeit erfassbar Umsatz und Gewinn pro Kunde ausspucken zu können. Ein digitales Zäpfchen, ohne jemals nach Gesundheit oder Krankheit eines Kindes zu fragen.

So konnte man in Echtzeit entscheiden, was taugte und was nicht.

Aber - die Zeiten werden sich ändern. Die letzten Zuckungen des Systems bestanden darin, weiter zu sparen. Einsparungen - das sagte man nicht. Es galt vielmehr in Goldgräbermanier das verborgene Kapital eines Unternehmens zu heben - hin zu noch mehr Effizienz und besserer Überschaubarkeit, hin zu FTE Kennzahlen und dem wertvollen Humankapital, dass man - im Gegensatz zur Börse - nun so sparsam wie möglich einsetzen sollte. So schrumpfte man an Ideen und Kreativität gleich mit. Solange der Weltmarkt offen stand, war alles möglich. Und wo alles möglich ist, braucht nichts wirklich überprüft werden.

Es gibt Unternehmen, die haben seit Jahrzehnten keine eigene Innovation mehr hervorgebracht, außer Update und geringfügige Modifikation des eigenen. Automobile sind auch da eine wunderbare Demonstration. Den Vergleich mit der Neuzeit muss ein 16 Jahre alter Saab 900i, wie ich ihn jetzt fahre, nicht scheuen. Die Modifikationen sind gering. Nichts wirklich Neues ist da erfolgt.

Warum also neue Autos kaufen? Die Fragen hatten wir uns immer schon gestellt, aber nun schuf der Markt seine eigene Nachfrage. Denn der Finanzmarkt schaffte zwei Dinge zugleich: einmal Autos extrem zu verteuern, zum anderen sie für jeden erschwinglich zu machen. Das war die Innovation, die zum MEHR führte. Nichts anderes. Und wir verdanken auch sie den Kapital und Finanzmärkten, die mit Schulden besser klar kamen als mit Produkten. Daher wurden Fremdfinanzierungen und Leasingraten angeboten, dass jeder Mann sich sein Auto nach Wunsch leisten konnte. Ein Traum ging in Erfüllung. Nichts kostete mehr etwas, wenn nichts bezahlt werden musste.

So wurden aus Schulden eigene Produkte gemacht und es war ein kleiner Weg, nun auch Menschen, die es sich nicht leisten konnten, auch Häuser anbieten zu können - fast zum Nulltarif. Der Markt war durch keinen realen Wert mehr gedeckt. Die Schulden sind ein eigenes Produkt geworden, welches man - toxisch nun genannt - wieder neu verpacken und verkaufen konnte.

Etwas gestreckter Koks, das kannte man wohl schon aus eigener Erfahrung. Was sollte da schon passieren? Sucht bleibt Sucht und die Manager waren gierig nach mehr und mehr. Der Fehler passierte, als man erkennen musste: Es waren Dioxine, die dort verpackt wurden.

Eine Kaste stirbt nun aus. Die Suppe haben sie uns schon lange eingebrockt. Eine Fettaugenmentalität trägt da nicht mehr weiter. Denn nicht immer schwimmt oben, was nach oben gehört.

Also, Fettauge - sei wachsam !




Dienstag, Februar 17, 2009

Lob aufs Luxusweibchen

Heute überfielen mich geradezu die Wirtschaftsnachrichten, denen man kaum entgehen kann. Da ging es diesmal um umstrittene Boni Zahlungen an Banker, die doppelt Werte vernichtet haben. Nicht nur ist der Börsenwert einer Bank abgestürzt - worauf Ackermann im Mannesmann Prozess ausdrücklich referrierte, als er davon sprach, dass er "Werte" schaffe - sondern obendrein wurden in mühsamer Hausarbeit Milliarden von Euro an Defizit von Bankern hergestellt oder produziert, wie es z.B. die UBS für das letzte Jahr mit 13 Milliarden Franken Verlust anzeigte. Dafür fordern sie nun ihren Bonus ein, denn auch Geld Vernichten kann harte Arbeit sein, die monetärer Wertschätzung bedarf.

In Deutschland sind nun die Investment Banker der Dresdner Kleinwort in den Fokus geraten, die sich für ihre Wechselwilligkeit zur Commerzbank als Handprämie eklatante Bonuszahlung vorab zugesichert hatten. Prophylaktisch dafür, dass die Allianz sie nun quitt ist. Die "neue" Commerzbank, in die sie nun aufgehen als monetäre Wegelagerer, hat vom Staat eine Bürgschaft von über zehn Milliarden Euro erhalten, damit sie diese Fusion überleben kann.

Es geht also um eine ungeheuere Geldvernichtung, eine Ausgabe ohne Gegenwert zu schaffen; eine Bezahlung ohne Leistung, sondern allein qua Status Quo. So will ich es mal nennen. Denn die Gleichsetzung von Geld mit Werten, wie sie der Banker Ackermann dereinst vor dem Düsseldorfer Gericht unternommen hat, ist schon längst obsolet geworden. Das kann keinen Wert mehr darstellen und andere Werte sind schon längst gefragter als die börslich notierten.

Im Vergleich mit den bonus-verwöhnten Bankern finde ich dagegen die Luxusweibchen der "Chick"eria weitaus löblicher, da sie doch klar ausweisen können, dass sie nicht eigen verdientes Geld so umsetzen, dass die Wirtschaft wenigstens was davon hat. Das ist wenigstens ehrlich. Statt ein elendes HabenWollen setzen sie auf Verschwenden und Ausgeben. Kein Geld ist gut, was nicht in den Kreislauf zurück gebracht wird.

Eigentlich sind sie die neuen Vorbilder geworden: Konsum, bis die Karte glüht. Um uns alle und die Wirtschaft vor sich selber zu retten. Wahre realkapitalistische Konsumhelden und echte Vorbilder halt - was man bei den toxischen Investmentbankern durchaus bezweifeln darf.


Donnerstag, Februar 12, 2009

Confusing myself - oder von mentaler Verunsicherung

Vielleicht sollte ich doch eine Serie schreiben, zu Bewältigung der Krise. Oder vom Umgang mit Angst und Verunsicherung. Sicherlich wäre es erwünscht und hilfreich in Zeiten wie diesen, wo wir alle noch denken, es gehe weiter wie bisher und nur verschämt am Horizont ahnen, dass es anders wird - nach diesem Tag, der erst man nicht enden soll.

Gestern schrieb mir ein Manager:

Die Krise hat einige Gesichter, dazu gehören Kreditverknappung, Reduktion der Autoproduktion und damit Ertragsrückgänge mentale Verunsicherung. Besonders der letzte Punkt ist in verschiedenen Hinsichten sehr direkt beabsichtigt. Lassen sie uns mal telefonieren ...


Woraufhin ich antwortete:

"Lieber Robert,

Mentale Verunsicherung - hmm, das halte ich es gerne mit Jenny Holzer, einer US amerikanischen Künstlerin, die für sich behaupten konnte: Confusing myself is a way to stay honest.

Nun ja, so sind die Künstler, die sich "so etwas" erlauben können, weil sie über genügend Humor und Selbstironie als nachwachsenden Rohstoff verfügen. Obgleich auch die Verunsicherung selber ein heuristisches Prinzip werden kann und vielleicht auch werden sollte, sieht man hinter der Verunsicherung doch oft Menschen, die (noch) nicht lernen konnten, wie Krisen zu meistern sind und wie sie selber sich darin verändern und dennoch erhalten bleiben.

Anders formuliert: viele Manager kommen mir wie verlassene Kinder vor, die in Bergen von Spielzeug und Methoden, von Score Cards und Must Haves, von ERP Reports und Real Time Screenshots einsam vor sich hin singulieren, allenfalls bereit, der Meeting Mutter stolz ihre selbst gemalten Zahlen zu präsentieren.

Nehmen Sie diese Zeilen bitte phänomenologisch als liebend auf - eben aus der Beschäftigung mit dem Sujet und nicht als Verallgemeinerung heraus entstanden. Aber - wenn dort Verunsicherung einkehrt und das selbst gemalte Image beschädigt, sucht dieselbe Verunsicherung zwangsläufig nach der dahinter liegenden Identität. Ist dort eine Leerstelle ausgewiesen, ein Blue Print, eine Imitation von .... dann wird die Verunsicherung zur Katastrophe. Das mag angehen. Da Denn an dieser schlichten Frage trennt sich auch Spreu vom Weizen:

"Wer bist denn du?"

Weil Nachahmung nicht mehr weiter bringt. Weil Habit kein bergender Mantel im Sturm ist. Weil der Kaiser nackt wird, während er sich selber noch applaudieren möchte. Dann greift Verunsicherung Raum - bis hin in die Familien und männliche Identität hinein. Zu schnell greift man nach Suggoraten - das was eben zur Hand ist. Dazu gehört der Rückfall in kindisches Verhalten ebenso, wie Suchtmittel aller Art oder der Import längst vergangener Männlichkeitschiffren und Rituale. Einfach, um sich wieder aus-halten zu können. Einfach, weil "etwas" da sein muss, wenn man selber schon die Ahnung hat zu verschwinden.

Was dort ist, ist dann entscheidend über den Fortgang der Karriere.

Das genau beschreibt auch den Ort, an dem ich mein Intensiv Coaching gerne verankere und für nötig erachte. In jenen Übergangssituationen, in denen der Lakmustest gemacht wird.

"Have these guys balls? Or don´t?".

Was ja oft nichts anderes beinhaltet, als sich selber aushalten zu können, ohne zu anderen Dingen Zuflucht nehmen zu müssen. Auch die Seele ist ein nachwachsender Rohstoff und steht den Menschen in Krisenzeiten hilfreich zur Verfügung - nicht allein nur um Schaden zu nehmen, sondern auch um über sich hinaus wachsen zu können: eben als Mensch.

Das ist ja, was wir verlernt haben - offensichtlich. Dass wir nach Prof. Gerald Hüther beides brauchen: Die Herausforderung, über uns selber hinaus wachsen zu können sowie die Verbundenheit zu anderen als Austausch und Bereicherung definiert, nicht länger als Konkurrenz. Und genau dort siedel ich mein Intensiv Coaching am Niederrhein an. Es ist wichtig, weit mehr als früher. Denke ich.

Komisch, morgens kann ich schöne Essays schreiben.
Wollen Sie diese überhaupt lesen?
Ist das nicht langweilig?

Ich freue mich auf Ihre Antwort.

Karin Kammann


Ja, so könnte ich mir einen Austausch oder eine Reihe zum aktuellen Stand der Entwicklungen weiter vorstellen. Dass irgendwo - im Austausch - auch die Sprache wieder wächst. Dann man reden lernt von dem, was noch schwer fällt. Von Ängsten und Selbstzweifeln, all dem, was der Erfolg doch seit Jahren zu geschüttet hat. Oder weit schlimmer: die Verpflichtung, ein erfolgreiches und dynamisches Leben zu führen.

Immer weiter. Immer besser. Immer schneller.

Wie sagte noch Paul Virilio noch so treffend: Das Ende der Beschleunigung ist der Stillstand. Dass auch keiner daran gedacht hat.





Mittwoch, Februar 11, 2009

Kurt, pass bloß auf

Es war bei einem Beerdigungscafe im Ruhrgebiet. Mittein im Pott trafen sie sich, so wie sie sich immer trafen. Seit Jahren immer hier. Und nun, ohne den Willi. Den hatten wir zuvor zu Grabe getragen. So war ich also auch dabei. Als Trauerrednerin. Als die, die seine letzten Worte sagen durfte.

Da saßen also diese älteren Herren neben mir am Tisch. Der Kurt und der Paul, beide mit ihrem spröden Charme und Arbeiterhänden, die Jahr um Jahr sich durch die Erde gegraben hatten und nun ruhig auf dem Tisch lagen.
Einfach so.

Ab und ab bewegten sie sich, erhoben sich langsam, wie ein Schwan zum Flug, mit Anlauf, aber doch zielsicher genug und griffen nach ihrem Bier, das vor ihnen stand, seitdem sie hier Platz genommen hatten. Das Bier, das eigentlich immer da steht seit Jahren, seitdem sie hierhin kommen. Und nun ohne den Willi.

"Sagen sie ma, junge Frau," begann Kurt unser Gespräch. "Das war so eine richtig schöne Ansprache. Dat hätte dem Willi bestimmt auch gefallen. Sowat hab ich lange nicht gehört. Ich bin ja nu mal auch ein Stücksken älter. Da muss man sich schon mal so manches anhörn."

"Danke", sagte ich artig. Und auch: "Schön, wenn es Ihnen gefallen hat!" da unterbrach er mich auch schon wieder, voller Neugier: "Sagen Sie mal, von welcher Kirche kommen Sie denn jetzt eigentlich?"

"Ich? Nun, ich bin zwar eine gelernte Pastorin, aber arbeite nicht mehr in diesem Beruf."

"Wie. Sach bloß. Bisse etwa auch entlassen worden wie wir alle damals?"

"Nein, das st eine längere Geschichte. Hier bin ich jetzt als freie Trauerrednerin. Der Willi war ja nicht mehr inner Kirche. In solchen Fällen werde ich dann ganz gerne geholt!"

"Ja, dat fromme Gelabere konnte der Pfarrer sich beim Willi sparen. Der war immer direkt raus, sach ich mal."

"Ja, und dann übernehme ich meist die Ansprache."

"Wie?", fragte mein Gegenüber verdutzt. "Dann sind sie gar nicht für so eine Kirche hier? Sondern einfach so? Ich habe mich ja schon wat gewundert, dass Sie nicht so viel von Gott und dem Kram da erzählt ham. Da habbich den Willi noch ma so richtig vor mich gesehen. Dat war irgendwie persönlicher - sach ich ma."

"Danke. Das ist ja auch meine Aufgabe hier. Dafür werde ich bezahlt!"

"Klar. Muss ja auch von wat leben." Sagte Kurt verständnisvoll. Und dann rutschte er eetwas näher: "Sach mal. Könntest Du dat jetzt auch bei mir machen, wenn ich mal die Augen zumachen tu? Ich mein - auch sonne Rede halten. Wäre dat denn möglich?"
Paul, der schon die ganze Zeit mit langen Ohren und müden Augen zugehört hatte, stupste ihn unvermittelt an. "Du Kurt," sagte er augenzwinkernd. "Kurt pass bloß auf. Dat ist keine Pastorin. Dat is ne Professionelle!"

Nach fünf Minuten kamen wir mühsam aus dem Lachen heraus. Recht so. Denn ein schöneres Lob gibt es ja kaum an Tagen wie diesen, wenn Leben und Sterben so eng zusammen liegen wie die Hände von Kurti und Paul.

Die allerdings hoben sich erneut.
Langsam fassten sie ihr Glas.
Und tranken aus.

Dienstag, Februar 10, 2009

Lehre mich tanzen - oder wie mit der Krise umgehen?


Mein Beitrag aus dem Forum: Coaching Beratung und Training auf Xing




Hallo in die Runde,


am Wochenende gab es einen - wie ich fand - sehr brauchbaren Artikel der FAZ am Sonntag:

Die Krise hat erst begonnen.

Zitat: "Seit Monaten sehen wir Angela Merkel oder Gordon Brown oder nun Barak Obama vor wechselnden Kulissen auf- und abtreten, ein Theater der Ratlosigkeit, in dem inner nur ein Motiv improvisiert wird: dass es bald schon weiter gehen werde wie bisher. Bald sind die Banken gerettet, dann können sie wieder mit Quatschpapieren handeln. Bald ist das richtige Politikinstrument - irgendwo muss es doch liegen - gefunden, dann wird, Lieblingsvokabel des Politsprechs, die "Stellschraube" angezogen, und wir setzen die Fahrt fort wie zuvor, bitte entschuldigen Sie die Tatsache unseres anhaltenden Absturzes."

Selten sowas Klares gelesen. Danke.

Zugleich fällt mir Georgette Dee ein, die in ihrem Lied "Warum nicht alles von mir?" auf der Titanic folgenden Satz sagt: "Guten Tag. Wir sinken. Darf ich mich zu Ihnen setzen?" (ein wunderbarer Coaching Satz)

Oder der BEGINN des wunderbaren Films: Alexis Sorbas, in welchem eine Seilbahn für den Holzstamm Transport zu einem Sägewerk gebaut wird. Der englische Besitzer hat alle seine Investitionen dort hinein gesteckt. Ein Baumstamm wird eingespannt und fährt an der Seilbahn herunter.Dabei reißt er die gesamte Seilbahn mit um. Sie fällt wie ein Kartenhaus zusammen. Der Baumstamm kommt unten an, die Seilbahn liegt danieder. Geschichte aus?

Nein - dem verdutzten Engländer sagt Sorbas: "Chef, hast Du etwas schon mal so schön zusammen brechen sehen?" Und dann bleibt die Geschichte einen Moment stehen. Und danach sagt der Engländer: "Lehre mich tanzen!"

Das wäre für mich die neue Situation im Coaching.

Denn danach sehen wir die beiden in zeitlos schönen Bildern am Strand Sirtaki tanzen ...

Wer hat andere Ideen und Bilder - und/oder was wäre jetzt zu tun?

Freue mich über Austausch ...Anregung ... Kritik ...

Karin Kammann
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Praxis für Coaching und Wertevermittlung
Intensiv Coaching Niederrhein in ausgesuchten Landsitzen und Schlössern


Donnerstag, Februar 05, 2009

Wie sich der Blick wendet ...


Es war gestern. Eine Trauerfeier nach langer Enthaltsamkeit. Komisch, diesen Winter war wenig; es kann aber auch sein, dass ich sehr mit mir beschäftigt war. Immerhin, mal wieder eine solche, für die ich eigentlich ausgebildet wurde.

Eine "entlaufene Pastorin", die nun Trauerfeiern für Menschen macht, die nicht mehr in der Kirche sind. Immer noch bin ich in einem Habitus befangen. Als wäre es unendlich wichtig, was ich dort tue. Da wird die Stimme so getragen und nicht wirklich warm. Da lese ich und schaue ab und an über meine neue Brille, die ich jetzt tragen muss.

So eine Feier des Lebensausganges ist gut vorbereitet. Ich habe es mal durch gerechnet. Nicht unter acht Stunden zu haben. Das wird oft vergessen, wenn man den Trauerbesuch und anderes dazu nimmt. Mein katholischer Bruder vor Ort verriet mir, dass der kaum mehr die Zeit habe, so etwas zu leisten. Vier Gemeinden muss er nun qua seines sakramental verliehenden Priesteramtes allein verwalten. Das sei ihm eindeutig zu viel und er setze immer die Namen in die Liturgie ein und freut sich, wenn er noch Platz für ein, zwei persönliche Sätze hat.

Dabei dauert bei ihm eine Feier fast über eine Stunde. Die Wiederholung der Gläubigen in die Kirche, dachte ich. Dieselben Rituale. Dieselben vertrauten Formeln. Was ich 10mal wiederhole, von dem trenne ich mich nicht. Dafür ist es gut. Dazu ist es gemacht. Egal, ob ich es mag oder nicht. Der Vollzug rechtfertigt die Tat. Ein katholisches Mantra - warum nicht?

Bei mir ist das anders. Ich möchte, dass die Menschen vor kommen können. Die, die dort sitzen und Abschied nehmen. Und die, von denen wir uns trennen müssen. Dieses Mal war die Auswahl der Musik spannender, als die Rede selber. Wenngleich auch die Worte gut gewählt sein sollten. Dennoch - da stand eine Gitarre im Sterbehaus, als wäre sie gerade noch gespielt worden. Und ein Mensch schreibt in seinem Testament: Trauert nicht ...

Musik habe ich dann gefunden. Fernando Sor mit einem Gitarrenstück. Fraktal, in sich schwingend. Klar gespielt mit Resonanzen. Und zum Abschied einmal New Orleans Funeral March. Als der lief, hellten sich die Gesichter in der ersten Reihe auf. Ein Lächeln des Wiedererkennens lief durch die Gesichter. Eine gewisse Heiterkeit angesichts des Todes.

Lange Zeit galt bei mir die Maxime: Heulen müssen sie! Denn es gibt ja kaum öffentliche Räume, wo man noch weinen darf. Wo Gefühle Platz finden. Vielleicht sind deshalb die Trauerhallen so hoch und monumental ausgefallen? Egal. Aber - seit gestern muss niemand mehr bei Trauerfeiern weinen. Zumindest nicht bei mir. Es war so schön zu sehen, wie es anders wurde. Allein durch Musik. Allein durch Bewegung.

Und es wippte durch die Trauergemeinde. Etwas verstohlen. Hier und da. Eine Hand griff die andere. Menschen schauten sich an. Eigentlich so, wie es sein sollte. Nah. Fröhlich in aller Trauer. Als bräche etwas auf, was Leben einlässt. Was Berührung möglich macht.


Und dann,
nahmen wir die Urne und gingen los.
Schritt für Schritt.

Traurig und getrost.
Mit Lachen und Weinen.

Schön war es.
Und schön sollte es sein.





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Wikipedia zu Jazz Funeral

Sonntag, Februar 01, 2009

Samtene Seele der Unverwundbarkeit

Ich reibe mir verwundert die Augen, weil ich ein Interview gelesen haben, dass sich durchaus mit meiner eigenen Lebenserfahrung decken kann. Ich will Euch das Interview nicht vorenthalten, werde aber den Namen nicht dazu geben.



Frage: Sie werden dieses Jahr 40. Haben Sie Angst vor einer Krise?

Antwort: Die habe ich schon hinter mir. Das vergangene Jahr war schlimm für mich. Meine beiden Hunde sind gestorben, das hat mich sehr getroffen. Das hat meine Einstellung zu allem verändert. Es war eine unglückliche Geschichte: Ein Privatsender drehte eine Reportage über mich, bei mir zu Hause. Dann habe ich erfahren, dass einer meiner Hunde Leberkrebs hat. Er starb am letzten Drehtag.

(...beginnt zu weinen.)

Eigentlich hätte ich sagen sollen: Ihr hört jetzt auf zu drehen. Aber ich wollte so professionell sein, wie ich mein ganzes Leben war.

Frage: Und dann?

Antwort: Zwei Monate später wurde der Beitrag gesendet. Vorher lief immer wieder die Vorschau: Ich heulend neben dem toten Hund. Dadurch bekam ich ein richtiges Trauma.

Ich habe mir Vorwürfe gemacht, weil ich zugelassen habe, dass der tote Hund gedreht wurde. Zwei Wochen später starb mein zweiter Hund. Das war einfach zu viel. Ich hatte Albträume, in denen ich selbst tot umfalle und dabei gefilmt werde. Mein Mann musste mich manchmal in die Notaufnahme fahren, weil ich wirklich dachte, ich sterbe.

Frage: Alles, weil Sie um jeden Preis professionell sein wollten?

Antwort: Ich habe mich immer für unverwundbar gehalten. (...) Letztes Jahr war das erste Mal, dass mir eine Sache so aus der Hand geglitten ist. In meinen Augen war ich plötzlich ein Looser.

Frage: Hat Ihre Krise Sie verändert?

Antwort: Ja, früher habe ich professionell gelebt, war immer die Professionelle. Vor Aufnahmen habe ich tagelang keine Süßigkeiten gegessen. Ich hatte höchste Verachtung für alle Leute, die nicht so dizipliniert sind. Erst jetzt begreife ich: Die anderen leben einfach ihr Leben, die genießen es, ganz normal. Das lerne ich jetzt.


Was mich berührt?

Nein, es sind nicht die Hunde, wenngleich ich es durchaus nachvollziehen kann. Dass der Tod der Hunde eine Sinnkrise auslösen kann. Dass man nicht mehr weiter kann, weil da Trauer und Verlust sich einstellen. Martin Luther hat sogar einmal in seiner Psalmen Vorlesung gesagt, dass ein einzelnes, fallendes Blatt einen Menschen zu Tode erschrecken könne - wenn er nicht mit sich und Gott versöhnt sei. So ein heilsamer Schreckt tut gut, durchaus.

Es ist auch nicht, dass diese Person berühmt werden wollte, wie sie später sagte. Dass sie wirklich ehrgeizig war, ihre Ziele zu erreichen. Kann sein, es trifft auch bei mir zu, mit dem Unterfangen als geschlechtlich konvertierte Pastorin dennoch arbeiten zu können. Diese beiden Flügel weit auszuspannen. Weiter als andere bisher.

Aber, es ist der Abschied davon, professioneller sein zu müssen als nötig. Meine ersten Jahre als Frau waren so merkwürdig perfekt. Dieses Lachen, das sich zeigte. Als müsste ich allen beweisen, dass es die richtige Entscheidung war. Als müsste ich denen im Landeskirchenamt zutragen, dass alles ausgestanden ist und zugleich war ich doch innerlich so berührbar und erschütterbar wie selten zu vor.

Samtene Seele der Unverwundbarkeit.


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P.S.: Ihr könnt ja raten, von wem dieses Interview stammt.