Donnerstag, Juli 20, 2006

Testosteron Junkie

Mit Rocco am Morgen fange ich wieder mit dem Laufen an, nachdem ich dreizehn Kilo so viel mir mit rumschleppe. Drei Jahre Landleben machen sie so bemerkbar. Da bin ich kein Porsche, eher ein alter Trecker geworden, schnaufend und mit gerade mal einem Zylinder. Obwohl es auch Trecker von Porsche hier gibt - hier am Niederrhein. Rot sind sie und laufen mit Diesel.

Rocco ist sonst immer ein artiger. D.h. er läuft mit, wenn auch hier und da anderes mal sein Interesse wecken kann. Aber er kommt dann meist doch mit .... bis auf heute morgen. Da ist er abgehauen. Einem Hasen hinter her. Ein Japsen und Quitschen, nachdem er ihn aufgespürt hat. Und obwohl er bisher jedes Wettrennen verloren hat, trainiert er immer noch. Meist nur mit dem Ergebnis, weg zu sein.

So was passiert schon mal, wenn seine Hormone durchbrechen. Der Jagdtrieb und dieses komische Testesteron in seinem Körper gehen dann eine eigenwillige Mischung ein. Kein Halt mehr. Ein Männchen eben, Nachname Rüde. Ich kann ihn ja auch nicht immer an der Leine laufen lassen - der Junge braucht mindestens so viel wilde Luft um die Ohren wie ich auch. Warum ihm verwehren, was ich selber brauche – eben !

Also es war ein knapper Meter, die ihn und den Hasen trennten. Die rennen ja nicht immer weg. Irgendwie scheinen sie intelligenter zu sein, rennen nur, wenn es absolut nötig ist. Da lag der einfach im Gras und versteckte sich. Als Rocco das in Nase und Körper bekam, konnte er nicht mehr an sich halten. Ari safari hinterher. Und weg war er ... ein Quitschen und Japsen, zwei langohrige Beine und ein beiges Knäuel Fell mit fliegenden Ohren hinter her ...

Nun war ich etwas geschwitzt - bei dem Wetter ja kein Wunder, war doch gestern der heißeste Tag in Deutschland bei Kalkar am Niederrhein – fanden sich sofort eine gelehrige Schar Bremsen bei mir ein, um lustvoll über mich herzufallen.

Was sollte ich machen? Warten und mich weiter zerstechen lassen? Weggehen und Rocco im Stich lassen? Was auch immer, ich war in einem astreinen, ethischen Dilemma. Und das wurde durch Warten auch nicht besser. Also entschloss ich mich - nach einem Blick auf mein Streuselbein - die Flucht nach vorne anzutreten. Rocco Rocco sein zu lassen und die Wahl für mich zu entscheiden.

Augen zu und durch. Wie er auch ....

Zwar hatte ich gelesen, dass jagende Hunde immer wieder zum Ausgangspunkt ihrer Jagdabenteuer zurück kehren, im Unterschied zu den menschlichen Männchen, aber im Buch stand nicht wann und in welcher Zeit. Mit einem nackt-exitstenialistischen "dass" es geschehe, kam ich hier nicht weiter.

Sicherlich, jederzeit könnte Rocco wieder aus dem Wald herausgetobt kommen, die Zunge auf halb Acht und mal wieder nichts gefangen, während derweil die Bremsem um mich herum triumphierten .... aber tat er es auch. Und wann tat er es ....

Mein eigener Fluchtimpuls war stärker. Vielleicht ist es ehrlich und hömöophatisch genug, den eigenen Instinkte auch zu vertrauen. Man ist ja nicht in einem theologisch-ethische Oberseminar. Also scherte ich mich weg, noch lange Zeit einen Schwarm Bremsen hinter mir her ziehend. Welch ein köstliches Bild für den Betrachter ...

Seine versprochene Wiederkunft an gleicher Stelle – wie im Buch für Hundeverhalten fest versprochen – war mir in diesem Moment absolut egal. Acuh die die frühen Christen mussten eine ähnliche Erwartung gehabt haben. Dass der Messias wieder kommt. Da war es revolutionär, dass Paulus Israel verließ und das Evangelium überall predigte und - wieder fand. Kurzum, ich lief weg und suchte mich selber zu retten. Der Atem flach, die Gedanken im Sturm vereint.

Was, wenn ihm jetzt was geschehen würde? Ich bin dafür verantwortlich. Stell Dir vor, er rennt über die Straße und schon ist es geschehen .... Lauter solche "Worst Case" Szenarien stellen sich ein. Und Schritt für Schritt kommt man sich immer mehr vor wie ein Schwein, eine Rabenmutter, ein egomanes Menschenkind, nur weil man nicht länger mehr zerstochen werden möchte. Weil man gegangen ist. Geflüchtet.

Wie hoch ist eigentlich der masochistische Anteil, wenn man Verantwortung übernimmt? Wie hoch der Beharrungsfaktor? Wann lässt man wen im Stich? Wie würde ein Manager entscheiden und stellt sich ihm überhaupt diese Frage ....

Alle Gedankenteufel kamen mir auf dem Rückweg in den Sinn, fuhren Achterbahn mit mir. Zu Hause angekommen, duschte ich und bewaffnete mich mit Handy (immerhin steht meine Nummer auf Rocco s Halsband, das hilft vielleicht), Leine und einem frischen T-Shirt. Rannte dann in die Garage, holte das Gitter für die Motorradbox, startete die Vespa und fuhr los ....

Wir haben hier so eine Kreuzung, an der ich vor drei Monaten meinen Peugeot geschrottet habe. Und jetzt auf der Vespa, mit kaum mehr als Rocco im Kopf, achtete ich nur bedingt auf Rot- und Grünzeichen. Eine Vollbremsung gelang mir gerade noch, bevor der Trecker in den Kreuzungsbereich einfuhr. Drei Ballen Stroh - immerhin hätte ich gute Überlebenschancen gehabt.

Als ich dann in den Feldweg einbog, entdeckte ich den Streuner von ferne. Es stimmt also doch ... wenn Hunde ihre Jagd beendet haben, kehren sie zurück auf die alten Wege. Ein dickes Plus für Hunde. Und hier, hier war ich bestimmt schon hundertmal mit ihm gelaufen. Am Teich bei den Koi´s hatte er sich die Zeit vertrieben, wurde obendrein von den Besitzern gefüttert und sah so guter Dinge aus, dass er mich fragen wollte: Hey, was soll das? Schau nur, ich kann sehr gut für mich selber sorgen. Denn soist er ja auch zu uns gekommen.

Das Abenteuer war beendet. Immerhin fuhr er noch vergnügt eine Runde Vespa mit mir, bis er dann zu Hause sie müde auf den Boden fallen ließ, wo er jetzt noch liegt. Ja, so sind die. Die Hundemänner mit ihrem Jagdtrieben und Vorlieben. Karnickel und Hase haben wir erst mal vom Speiseplan gestrichen. Und mein Übergewicht werde ich auch ohne solche Übungen los.

Dienstag, Juli 18, 2006

Zu sich selber stehen ....

Neulich auf openBC.de wurde die Frage gestellt, was es heisst, zu sich selber zu stehen. Spontan fielen mir zwei Antworten dazu ein ...

1.

Man muss nicht zu sich selber stehen.


Das ist für viele viel zu viel verlangt und wer läuft nicht Gefahr, durch das Diktat der Authentizität sich Krampfadern zu holen? Langes Stehen beansprucht zudem die Wirbelsäule in ungebührendem Maße, so dass viele Ärtze doch dringend davon abraten, obgleich es noch nicht als berufsbedingt verursachte Erkankungen bei Managern und anderen anerkannt ist.

Kann man nicht auch: sitzen oder liegen? Und wenn ja - wo? Bei welchem Gehalt?

Also widersetze ich micht dieser Frage und steh dazu ....



2.

Zu sich selber stehen heiß seine Fehler und Macken lieb gewinnen und nicht abschleifen lassen. Zu sich selber stehen heißt, auch zu widersprechen wenn es Konsequenzen hat. Zu sich selber stehen bedeutet, die Wertigkeiten nicht von anderen zu empfangen. Zu sich selber stehen meint, mindestens einmal durch den Spiegel gesprungen zu sein. Zu sich selber stehen ist eine Übrung, die man nur durch Erfahrung gedeckt bekommt. Zu sich selber stehen heißt auch, sich dem Urteil anderer ausliefern zu können, ohne daran unterzugehen. Zu sich selber stehen bedeutet, Klarheit innen wie außen. Zu sich selber stehen bedingt, eigene Wertgefüge zu entwickeln, die andere nicht so schnell zerstören können. Zu sich selber stehe heißt nicht, unangreifbar zu sein, sondern sensibel und verletzlich sich zeigen zu können. Zu sich selber stehen ist Selbstbehauptung gepaart mit Intuition. Zu sich selber stehen bedeutet, Veränderungen zu lassen zu können. Zu sich selber stehen heißt, der Einsamkeit nicht ausweichen zu müssen. Zu sich selber stehen ist nichts anderes, als die innere Resonanz lieb zu gewinnen. Zu sich selber stehen heißt auch, Achtsamkeit gegenüber sich selber zu üben. Zu sich selber stehen ist ein Position, die nicht festgeschrieben werden muss. Zu sich selber stehen bedingt Austausch mit anderen, ohne sich davon abhängig zu machen. Zu sich selber stehen bedeutet hier und da die Liebe zu riskieren, um sie wieder zu gewinnen. Zu sich selber stehen ist der Beginn eines Weges. Zu sich selber stehen kann Enttäuschungen beinhalten. Zu sich selber stehen heißt, sich selber erst mal kennen zu lernen.

... Zu sich selber stehen heisst nachts bei der Freundin anzuklingeln und zu wissen, dass man stört und dennoch darauf zu beharren, angehört zu werden.

... Zu sich selber stehen heisst um des Frieden willens nichts mehr aufzugeben. Ehrlichkeit zu wagen, vor allem gegenüber den eigenen Gefühlen.

... Zu sich selber stehen ist die Geschichte der japanischen Sängerin am Großmünster zu Zürich. Die da steht und singt, ohne Applaus und Geld zu erwarten. Einfach so.

... Zu sich selber stehen ist die Verfühurng der Macht nicht zu erliegen, sondern nach anderen Werten Ausschau zu halten. Gehen zu können, wenn andere meinen, bleiben zu müssen.

... Zu sich selber stehen ist mittelmäßig Kalvier spielend auf einer Hochzeit den Flügel zu benutzen und dennoch alle zum Zuhören zu bringen.

... Zu sich selber stehen ist eine freie Rede halten zu können vor fünfzig bester Freunde, ohne sich blamieren zu müssen. Oder eine Verrücktheit pro Woche zu leben, ohne sich umsehen zu müssen, ob der Gag auch angekommen ist.

... Zu sich selber stehen ist, seine Vorurteile so lange zu pflegen, bis sie gründlich widerlegt werden.

... Zu sich selber stehen ist, Verantwortung anzunehmen. Schuld nicht vagabundieren zu lassen, sondern sich sichtbar zu eigenen Fehlern erklären zu können.

... Zu sich selber stehen ist im Kino laut pupsen und sagen können: Ich war es

... Zu sich selber stehen ist die alltägliche Deklination von Leben. Die Abgrenzung zu anderen, die ein Du und Gegenüber erst möglich macht.


Samstag, Juli 15, 2006

Durcheinander

Es geschah vor einigen Jahren, geriet in Vergessenheit und fiel mir nun wieder zu. In den Jahren meiner Geschlechter- konversion kam mein Vater eines Tages freudestrahlend auf mich zu. Nicht wegen mir, das wäre auch zu viel verlangt, auch wenn er in seltener Treue zu mir hielt. Der Anlass war einfacher Natur: Meine Schwägerin war schwanger geworden. Ich hatte also einen werdenden Opa vor mir.

Da strahlte er also über alle Wangen und sagte dann: "Was es wird, wissen die beiden noch nicht. Ich kann Dir daher noch gar nicht sagen, ob Du Tante oder Onkel wirst !!"

Sagte es und ging die Kellertreppe hoch.

Sehen Sie, so ist das, wenn die Geschlechter durcheinander geschüttelt werden. Die Sprache setzt manchmal einfach aus. Weil sie es nicht lernen konnte, weil sie beim Sprechen noch verarbeitet, was sich an Neuem meldet und da ist. In diesem Fall war es eine klassische Doppelbelichtung.

Wenn es so schön ist, wie bei meinem Vater, sollte man diese Geschichten alle sammeln. Und nicht einfach verloren geben. Sie erzählen zwischen den Zeilen von Zuwendung und Selbstverständlichkeit, mit der mein Vater dennoch in schwierigen Zeiten für mich da war.

Meine Mutter dagegen war eine Kämpfer Natur. Sie musste um "ihr" Kind kämpfen. Und das ging sogar so weit, dass sie meine damals behandelnde Ärztin anzeigen musste bei der Ärztekammer. Das war nicht einfach zu regeln. Immerhin ist es ja auch schwer verständlich, warum ein gesundes Kind nun mit "gegen"geschlechtlichen Hormongaben versehen wird. Das muss ihr wie Teufelszeug vorgekommen sein. Und ich musste mich mal wieder entschuldigen, für eine Mutter, die es sich und anderen schwer machte, durch zu kommen. Aber immerhin, später hat auch sie es geschafft. Eine schwere Geburt. Kann sein, darin spiegelt sich doch etwas von dem, wie ich auf die Welt kam

Für alle, die es interessiert: ich bin Tante geworden. Und es war ein Mädchen. Laura. Bei einem Jungen - klar doch - wäre ich wohl kein Onkel geworden. Obwohl auch ich mir da nicht mehr so ganz sicher bin.


Freitag, Juli 14, 2006

Erinnerungssplitter

Manchmal sitzen sie fest und unter der Haut. Im Laufe der Zeit verwachsen sie und man sagt dann, der Mensch habe seine Wunden verwunden. Dennoch sind sieda und zugeleich ein Teil von einem selbst geworden. Ein Teil meienr Geschichte, ein Teil meiner Erinnerung. Und die kann durchaus mal nach vorne kommen.

Mir ist es zweimal passiert diese Woche und immer wieder hat es mich an Orte geführt, mit denen ich mich sehr verbunden fühle - ohne doch diesen Impulsen nach zu gehen. Sie liegen da, aber auch unzugänglich unter der Haut, wie ein Implantat, dass sich bei besonderen Ereignissen wieder meldet.

Das erste war meine Erinnerung an New York City, Manhatten. Es ist komisch zu bschreiben, aber entspricht doch der Wahrheit. Unsere Gästetoiltette verfügt als eine der wenigen in Wachtendonk über ein eigenes Bücherregal. Und dort finden sich, will man selber etwas Abgeschiedenheit erreichen, auch Reiseführer. Da hatte ich also einen alter ADAC Führer über Manhatten in der Hand. Darin ist vortrefflich zu blättern und die alten Bilder von Woody Allen mit Mia Farrow, Katz Delis, der Second Avenue und dem Erwachen der East Side berührten mich. Eine Gegend die ich kannte. Orchard Streeet - Geschäfte mit Klamotten. Stahltreppen. Ein Flash Back in die Vergangenheit, wie es war in den 30er Jahren. Emmigration und Ankunft.

Es ist die besondere Mischung von Internationalität und kleinem Viertel, wie im Stedl, dieses Weite in der Enge und vor allem auch die vielen, liebevoll protraitierten Typen der Stadt, die mich beim Durchblättern trance artig in meine Erinnerung fallen ließen. Doppelbelichtungen.

Meine New York Reisen waren grenzwertig. Sicherlich. Aber ich habe selten das Gefühl gehabt, einfach mit dem Finger zu snippen und bleiben zu können. Ein Zauber wie bei Alice im Wunderland - man springt mitten hinen in ein anderes Leben. Mühelos und ganz selbst vergessen. Man tut es und ist - da.

Gleichzeitig mischten sich diese Bilder mit meiner Begegnung des Judentums der Upper West Side. Wie ich durch die Straßen ging, müde wurde und doch aus dem Staunen nicht raus kam. Mich wunderte, wie viele Synagogen Gemeinden dort zu finden waren. Bis ich irgendwo einfach anschellte und später vor Michelle Sullum stand. Einer Rabbinerin, klein von Wuchs, mit runder Brille, so wie ich sie mir immer vorgestellt habe. Und herzlich. "Coosing a jewish life" - das war nicht so fern von mir und ich hätte bleiben können und wollen und sollen.

Sie lud mich ein zu "Simchat Thora", dem Fest zur Feier der Thora und wenige Stunden später sah ich mich inmitten einer Menge feiern und tanzen - selbst vergessen, weit weg von meinen Verletzungen und doch ganz da. Irgendwann tanzte auch ich mit der Thora im Arm und gab sie weiter und fühlte mich mit allem verbunden und nah. Erlebnisse, wie ich sie in unserem evangelischen Glauben nie kennen lernte. Da fühlte ich mich zu Hause. In der Fremde hatte ich die Heimat wieder gefunden.

Die zweite Erinnerung war die an Eretz Israel. Meine Reise im Jahre 1981, also Jahrzehnte zurück. Und doch blieb sie so präsent jetzt wieder, wo die Raketen auf Haifa und vor allem Safed fallen. Dieses kleine blaue Dorf habe ich damals auch besucht. Erinnere mich an eine Künstlerin mit Zahlen in den Arm tätowiert. An den lauschigen Garten, wo man die Rabbis beim Studium beobachten konnte. Schriftverliebte Langschläfer. Entspannt im Jetzt. Nun fallen Raketen vom Himmel. Was ist das für eine Welt in und um Israel?

Der morgendliche Kommentar im WDR 5 empörte mich, weil er immer wieder die klassischen Raster bedienen musste. Zu differenzierten Äußerungken kam es nicht. Man nannte das Offensichtliche offensichtlich und das noch mit Vokabeln des Hitler Regimes: Überfall, Einmarsch, Agression ...etc. Ich habe es satt, so etwas hören zu müssen. Die Endlosschleifen ohne Resonanz. Tu nur einen Menschen da hinein, eine wirkliche Erinnerung und es wird alles anders.

Irgendwo habe ich gelsen, das die Hisbollah bis heute nicht den seit Jahren mit der Uno gemachten Vereinbarungen nachkommt. Sie ist nicht entwaffnet worden. Und Libanon hat sie machen lassen. Etwas nicht zu tun scheint Unschuld zu bedeuten, hier in Deutschland, während ein Angriff immer mit Schuld verbunden ist - zumindest in den Augen der jungen, deutschen Journalisten. Ich habe diese neue Generation kennen gelernt, damals in meinem Praktikum bei der Frankfurter Rundschau und ich musste mich wundern, dass ein linksliberales Blatt problemlos die antisemitischen Schablonen bedienen konnte. Es sind die, die nicht mehr nachdenken. Die das Offensichtliche mißbrauchen - zu Karrierezwecken. Schlagzeilen produzieren, statt Resonanz befördern.

Erst bei Lila im Blogg fand ich anderes. Sie schreibt direkt aus Israel. Und dort finden sich Sätze wie diese: "Amram Mitzna, dieser sanfteste und friedfertigste aller Generale und Politiker, meinte heute auch: wehren müssen wir uns. Ungern, aber doch. Er sah bekümmert aus, aber entschlossen."

Ich glaube, Israel und New York, dazu meine Erinnerung an Zürich. Das alles sind Erinnerungssplitter unter meiner Haut, die sich melden, wenn es an der Zeit ist. Es sind auch fragmentierte Teile eines nicht gelebten Lebens. Fast ist es so, als gäbe es dort wieder zu finden, was ich hier im Alltag entbehre. Ein Leben, das in allen Wechseln versöhnt bleibt mit sich selber. Das nicht auf das Getöse der Welt hören muss. Sondern da ist und - schreibt.


Mittwoch, Juli 12, 2006

Nachfolgefragen

Lange hat man gerätselt.
Und dann hat der Klinsmann doch abgesagt.
Er will kein Teamchef der Deutschen Nationalmannschaft mehr sein.Also verlängert er den Vertrag nicht.

Verstehen kann ich ihn. So viele Widerstände und die zähe Beharrungskraft der Institution DFB. Da kann er nur gehen, wenn er klug genug ist. Der Beckenbauer hat ihn ja nie gewollt. Und wenn der schon mit der BILD Zeitung ankündigt, er unterstütze ih, da war es höchste Zeit abzuhauen.

Jetzt ist Joachim Löw der Nachfolger von Klinsmann geworden.
Siehe www.DFB.de. Fragt sich nur, wer jetzt Nachfolger von Löw wird ? Oder wird der Löw gleich abgeschafft und braucht keinen Nachfolger mehr?

Lauter Fragen, die der DFB da wieder anzettelt.
Aber das kennen wir ja.Nix Neues in Deutschland also. Das System schlägt zurück. Bleiben wir erwartungsfroh.

Dienstag, Juli 11, 2006

Flatline

Es war am Sonntag Morgen. Acht Uhr und das Telefon schellte. Eine gute Freundin sagte "Hallo". Sie erntete ein müdes "Uaaahhh". Dann legte ich kommentarlos auf und drehte mich um. .

Es war acht Uhr fünfzehn. Das Telefon schellte erneut. Manchmal kann man am Klingeln erkennen, wer dran ist. Es kam das bekannte, etwas zögerliche "Hallo?". Keine Antwort meinerseits. Am anderen Ende klackte es. Jetzt hatte sie aufgelegt.

Acht und fünfundzwanzig. Das Telefon klingelte erneut. Zum Glück habe ich es am Bett liegen. Genervt drehte ich mich um. Ich ahnte was kam. "Hallo ???" "Was ist es denn?" fragte ich mürrisch in die Muschel. Nur zu genau wußte ich, wer an der anderen Leitung war.

"Ich bin es!" kam es zurück.
"Ja, das habe ich mir gedacht. Was gibt es denn so Wichtiges, dass Du ich Sonntag morgens bei mir dreimal melden musst?" fragte ich, da ich nun schon mal wach war.
"Oooch" dehnte das Wort sich, "eigentlich nichts Besonderes. Es ist nur ..."

Geschichten kamen mir in den Sinn. Alle Katastrophenmeldungen bei ihr fingen so harmlos an. Nein, es war nichts geschehen und am Ende hing sie heulend wie ein Waschlappen an der Leitung und wollte nur getröstet werden. Ich sah auf den Wecker. Acht Uhr vierundreißig. Wie man mit so wenig Worten so lange reden konnte? fragtet ich mich noch, als sie weiter fuhr.

"Fällt Dir denn gar nichts auf?"
"Doch, Du hast mich schon zum dritten Mal angerufen. Es muß also wichtig sein."
"Nein, ist es eigentlich nicht." versuchte sie mich zu beruhigen. Das wird ja noch schöner dachte ich. Erst versetzt sie mich in einen alamierten Wachtzustand, nur um dann zu berichten, dass nichts sei. "Also komm, was ist es denn ... !!" sagte ich genervt.

"Ja ja, ich zeig es Dir mal !!" echote es an der anderen Leitung. "Du wirst es nicht glauben!" Ich war auf alles gefaßt. Nur darauf nicht. Klack machte es in der Leitung. Aufgelegt. Einfach so.

Bevor ich das Telefon auf den Nachtisch legen konnte, klingelte es erneut.
"Ja was denn ....??"
"Hast Du es gemerkt? Hast Du es nicht gemerkt ???" kam es vom anderen Ende.
"Ja was soll ich gemerkt haben? Bitteschön ... "
"Dass ich von meinem Handy aus anrufe ..."sagte sie.
Das war mir in der Tat entgangen.

"Ja bist Du denn nicht zu Hause?" fragte ich besorgt zurück. Bekannt waren ihre Eskapaden, sich irgend einen Körper einzufangen. Gerade am Wochenende. Man mußte Sorge haben, konnte ich sie hier und da doch nur durch gezielte Internventionen retten. Aber so schlimm klang es diesmal nicht. Komisch.

"Nein nein", kam es aus dem anderen Ende der Leitung.
"Ich bin nicht weg. Ich bin tatsächlich zu Hause." Ein Stein fliel mir vom Herzen. Ich konnte liegen bleiben. Wenigstens das.

"Und warum nimmst Du das Handy. Hast Du zu viel Geld oder bist Du zu betrunken, um dein Telefon wieder zu finden?"
"Heiss, gaanz heiss ... " kam es zurück.

Ich wunderte mich über ihre ausgesuchte Fröhlichkeit. Sowas kannte ich nicht an ihr, zumal an einem Sonntag Morgen.
"Also, betrunken bist Du wohl nicht?" begann ich mein Ausschlußverfahren.
"Nein!" kam die knappe, lächelnde Antwort.
"Zu viel Geld ... hm, bei Deinem Lebensstil kann das wohl auch nicht sein. Eine Beförderung? Hast Du einen neuen Job bekommen?"
"Auch Nein!" echote es mir entgegen.

"Dann weiss ich nicht weiter. Mensch, spann mich doch nicht so auf die Folter. Ist doch teuer genug!"
"Eben nicht !!" kam es triumphierend zurück.
"Aha !" kam es etwas müde von meiner Seite.
"Ich habe meinen Handy Tarif gewechselt!"
"Ja und ..... !!!"
"Jetzt habe ich alle Festnetzgespräche von zu Hause frei. Stell Dir vor, ich zahle gar nichts mehr dafür. Null. Nix. Niente!" begeisterte sich mein Gegenüber.

"Und das musst Du mir am Sonntag morgen mitteilen, indem Du mich drei Mal hinterinander anrufst ??" fragte ich ungläubig.
"Stimmt nicht!" sagte sie. "Es war vier Mal und alle Male für Nichst. Genial oder?"
"Ja - einfach klasse!" gab ich erschöpft zurück.
"Und Dich zu Hause zu ereichen - dass schaff ich ja nur noch Sonntag morgens. Sonst bist Du ja immer unterwegs. Und auf dem Handy Dich anrufen ... das ist mir ehrlich gesagt - zu teuer."
Sagte es und legte auf.

Gestern stand ein Telefon Vertreter vor unserer Türe. Eine wunderschöne Broschüre in der Hand. Gerade wollte er den Mund auf machen, da schrie ich ihn an: "Sie können Ihre Flatline sich sonst wo hin schieben, lassen Sie mich einfach nur in Ruhe." Sagte es und schlug die Türe zu.

Wahrscheinlich wird er dieses Vorkommnis sofort an seinen Chef gemeldet haben. Allein um sich wieder aufzubauen.

Zum Nulltarif mit der Flatline, versteht sich.






Mittwoch, Juli 05, 2006

Trost zum Tag danach ...

Nun haben "WIR" ja gestern verloren und der Frust geht hier sogar so weit, aus Trotz alle Wachtendonker Fahnen einfach hängen zu lassen. Nein, nicht die Wachtendonker Fahne selber. Die ist gelb und rot - man könnte sie tatsächlich mit den Spaniern verwechseln und das gerade jetzt, als sie völlig irritierend während der Weltmeisterschaft beim hiesigen Schützenfest überall rausgehängt wurde. Was ich meine ist die "Schwarz-rot-geil", wie die Bild-Zeitung sinnfällig titelte und wie auch einige Bewohner dieses Dorfes es nachts laut skandierten.

Seit mehr als drei Wochen haben wir die italienische Fahne vor dem Haus hängen, einer Laune und Eingebung folgend, ist Italien für uns immer noch und zunächst ein Kulturland. Zudem freuten wir uns auf den Urlaub, den wir im Veneto verbrachten.



Oh Wunder, die Fahne hat auch diese Nacht überstanden, obgleich uns die Nachbarn das öffentliche Abflämmen freundlich anboten - stellvertretend für unsere Trauer, da "WIR" (oder jetzt besser: Deutschland) sowieso gewinnen würden. Nun hängt sie also immer noch munter im Wind und ist wohl bei Weitem die einzige fremd-ländische Fahne in Wachtendonk. (Wie gesagt, lassen Sie sich nicht von den Rest-Schützenfest Fahnen irritieren. So viele Spanier gibt es hier nicht!)

Die Krönung für Wachtendonk fand sich allerdings vor dem grün-weiß-rot aufgemachten Pizza & Döner Imbiss. Parkte dort doch eine Vespa (!) mit schwarz-rot-gelben Outfit. Da stellte sich echtes "Cross Over Feeling" ein, zumal der indische Inhaber samt Familie im Eingang freundlich Fahnen schwenkten. Sie ahnen schon welche? Genau: Doppelt Schwarz-rot-gelb zu Begrüssung in der indischen Dönerbude mit italienischem Design und deutsch-designter Vespa davor. "Zu Gast bei Freunden" - wer würde es jetzt noch bestreiten?



Als Trost gegen die Ernüchterung kann man zur Entfrustung heute nicht allzuviel anbieten. Vielleicht ein Blick auf die schöneren Seiten des Lebens: Immerhin wurde heute vor 60 Jahren der Bikini erfunden. Jetzt hat eine amerikanische Untersuchung endlich den Nachweis erbracht, dass er nicht nur Männer, sondern auch Frauen den Verstand raubt. Herausgefunden haben sie, dass die mathematische Leistung von Frauen, wenn sie im Bikini sind, radikal nachläßt.

Fragt sich jetzt nur noch: im Vergleich zu was? Dem dunkelblauen Faltenrock? Dem Ostfriesennerz oder was? Und bitte, warum gibt es noch keine Untersuchung darüber, in welcher Kleidung Frauen denn am Besten rechnen können? Von den verschwiegenen mathematischen Leistungen von Männern in Bikini als Vergleichswert ganz zu schweigen.

Ungerecht ist die Welt. Genau.
Auf weitere Erkenntnisse bin ich gespannt.