Sonntag, Februar 25, 2007

Brosamen II

Natürlich bin ich es gewohnt, dass man mehr über mich, als mit mir spricht. Das war bei der Kirche immer so. Tatsächlich halte ich es inzwischen für ein Signum von Kirche, dass sie mit vornehmlich mit ihren eigenen Ängsten und Projektionen beschäftigt ist und die Wirklichkeit und den konkreten Menschen darüber vergisst.

Das ist, was man früher als "Opium des Volkes" beschrieb, was heute natürlich unendlich falsch ist, weil es eher um Beruhigungsroutinen des Mittelstandes geht. Bürgerlichkeit und Anständigkeit werden zur Ersatzreligion, weitab von dem, was im Evangelium gilt.

Daher ist in der Ausgrenzung anderer Menschen und Wirklichkeiten durch die Kirche tatsächlich keine Diskriminierung zu sehen, kann man doch im Spiegel nur sich selber sehen. Wen oder was sollte man dort noch ausgrenzen wollen?

Ansonsten bleibt solch ein Verhalten schlicht unverständlich: Selbst ehrenamtlich darf ich nicht mehr arbeiten. Es ist aber auf keinen Fall als Diskriminierung zu verstehen ???

Siehe hier die Causa Kammann


Dienstag, Februar 20, 2007

Die perfide Rache der Feinstaubmänner


In letzter Zeit kann ich es einfach nicht mehr hören. Das Wort "Feinstaub". Als ich heute morgen mit meinem Hund Rocco den Kuhdyck in Wachtendonk hoch ging, schaute ich mir die vor den Häusern geparkten Autos an. Zweitautos meist, weil wir spät am Morgen Gassi gehen. Die A6 und Mercedes, der Nissan X-Trail und Toyota Avensis sowie der Porsche Cayman, den ich insgeheim bewundere (auch ich bin nur eine Frau), waren alle schon entschwunden und auf dem Weg zur Arbeit.

Was blieb waren ältere Golf, zweimal ein Peugeot 106 sowie ein Toyota Starlet, ein Opel Corsa und etliche alte Polo, zum Teil mit Rostauflagen. Das alles fand sich auf einer Strecke von vielleicht 800 Metern. Zugegeben, mit angebundenen Seitenstraßen.

Der Kuhdyck in Wachtendonk ist jetzt nach dem Neubau ausladend modern, ein kleines Cannes am Niederrhein. Es geht die Mär, dass man diesen verkehrstechnichen Appendix samt hypermoderner Beleuchtung auch vom Weltall sehen kann. Wie die Chinesische Mauer. Dafür mussten sechzehn alte Kirschbäume gefällt werden, aber das ist eine andere Geschichte.

Von diesen Autos also, den ZweitMammaKinderAbholTeilzeitArbeitsAutos, waren mindestens acht Stück nicht in der Lage, den Anforderungen der neuen Feinstaubverordnung nach zu kommen. Euro 2 mindestens. Und das auch nur für drei Jahre. Diese Autos also müssten also verschrottet werden, spätestens im nächsten Jahr, wenn wir denn eine Umweltzone in Wachtendonk einrichten würden. Das ist im Dorf am Niederrhein wohl nicht zu befürchten.

Dennoch stellt sich ein anderes Problem. Denn der Weg zur Teilzeitarbeit ist nun für viele Mütter versperrt. Wie sollten sie auch nach Duisburg, Krefeld oder Mönchengladbach kommen, wenn dort eine solche Zone eingerichtet ist? Jedes Mal 40 Euro riskieren? Jedesmal ein Punkteintrag in Flensburg? Wer will das schon?

Birgit, eine der Mütter, kenne ich gut. Sie arbeitet vormittags in Krefeld. In einem Fotofachgeschäft. Demnächst kann sie kündigen - ohne neues Auto. Und für ein solches müsste sich die Familie erneut verschulden. Das Haus, zwei Kinder und nun - ein neues Zweit Auto anschaffen? Wer kann das schon, wenn es gerade mal so reicht. Nach dem Wegfall der Eigenheimprämie, nach der Erhöhung der Mehrwertsteuer und der saftigen Anhebung der Kindergartenbeiträge?

Wie sollte das gehen, wenn schon jetzt ihr Verdienst mit eingerechnet werden muss, um durch zu kommen. Durchgerechnet haben wir es dann doch. Birgit müsste allein drei Jahre lang arbeiten, um den Kredit für das neue Auto ab zu bezahlen. Oder sie muss es leasen. Mit allen Risiken. Denn schon jetzt verdient VW mehr Geld mit seiner Bank als mit der Produktion von Fahrzeugen.

Das Fazit ernüchternd: So ein Familie kann sich einen neuen Zweitwagen einfach nicht leisten. Und billige Autos gibt es dann auch nicht mehr. Die sind auf einmal alle verschwunden. Denn es geht nicht nur Birigt so. Auch andere Mütter fahren mit ihren kleinen Polos halbtags arbeiten, um die Familie durch zu bringen. Und die müssen nun alle neue Autos haben - von heute auf morgen.

Ursula von der Leyen, die Familienministerin, hat ja vollmundig angekündigt, mehr Kinderkrippen einrichten zu wollen. Damit Frauen wenigstens die Wahl haben, ob sie arbeiten gehen wollen oder nicht. Ohne Auto, eine fromme Wunschvorstellung. Zumindest hier auf dem Land.

Klammheimlich ziehen andere den Frauen und Müttern den Zweitwagen unter dem Arsch weg. Pech gehabt, sagt man dann. Schade, wenn es jetzt nicht mehr mit der Arbeit für Mütter klappen wird. Das nenne ich dann: die perfide Rache der Feinstaubmänner.

Später wird es wieder heißen: "Schauen Sie, eigentlich wollten unserer Frauen doch nur am Herd stehen. Was haben wir nicht getan, um ihnen die Arbeit schmackhaft zu machen. Aber ein Versuch war es doch wert - oder?" Und rühmen sich obendrein, noch etwas fürs Klima getan zu haben.

Aber - so war es immer schon.

Was man hier versprach, hatte man woanders schon genommen. Der Stillstand triumphiert und irgendwie sind wir Frauen es doch selber schuld - oder etwa nicht?


Donnerstag, Februar 08, 2007

Web 2.0

Normalerweise leibe und liebe ich die Sprache. Was man alles mit Schrift machen kann und was Web 2.0 ist habe ich heute durch Zufall auf youtoube.com erfahren. Und es hat mich als alten NetNerd *seit 1997 im Netz ausgewandert doch interessiert, daher will ich es hier nicht vorenthalten.

Aber seht selber :


Montag, Februar 05, 2007

Vaginales Fundstück

25. Internationalen Huren Kongresses
in der Immanuelskirche Berlin Kreuzberg

Bericht:

Mein letzter Gottesdienst im Sonderdienst wurde auf Einladung des internationlen Hurenkongresses 2000 in Berlin Kreuzberg gehalten und beschränkte sich auf die Verlesung von Lk. 7,36 ff (Jesu Salbung durch die Sünderin), damit die Huren die Kirche als Vesammlungsort tatsächlich wie geplant nutzen konnten. Man hatte ihnen den Zutritt zur Kirche tatsächlich verweht, da man einen rituellen Tanz um eine von den Huren mitgeführte Papp-Vagina befürchtete.

Ausgerechnet jenen Frauen, die schon vor 25 Jahren in Paris eine Kirche erstürmt hatten und öffentlich wurden und sich anzeigten in ihre Menschenwüde als Frau und Sexarbeiterin, verwehrte man nun die Kirche. Eben jenen Frauen, die den Mut hatten, sich bei sich selber zu behaften, sich anzuzeigen als Mensch, was der Kirche gänzlich fremd und bedrohlich erschien.


25 Jahre später fragt es sich verwundert, was eine Ev. Kirchengemeinde hindern mag, Huren in ihren Gottesdiensträumen willkommen zu heißen? War es die alt-uralte Angst vor dem Weiblichen?

Mit Heinrich Albertz erinnere ich mich gerne daran, dass - so Gebet und Bibellesung vorhanden sind - jede Versammlung kirchenrechtlich als ein Gottesdienst zu betrachten sei. Also sagte ich als Pastorin, dass ich dort mit den Huren einen Gottesdienst halten wolle, erlangte Zutritt und las vor allen Huren den Text bei Lukas, als Jesu gesalbt wurde, öffentlich in des Pharisäer Hause von einer dahergelaufenen Sünderin oder Hure. Denn auch solche Geschichten sind zu Hause in der Bibel und sie sind keine Zutaten, sondern Sterne.

Denn Jesus ließ sich die Füsse mit Tränen netzen. Er ließ sich gefallen den Liebesdienst jener und erst recht, was jene Frau im Schilde führte. Der Text in der Bibel war nun verlesen und jetzt brauche es nur ein Gebeit - mehr nicht und fertig war der Gottesdienst. Denn, was braucht es mehr als echte Menschen und diese beiden Zutaten?


Als dann eine Domina in Lackoutfit völlig unerwartet auf der Orgel ein Präludium von Bach intonierte, da war das Reich Gottes in der Immanuelskirche Kreuzberg handgreiflich nahe.

Es fiel mir nicht schwer festzustellen, wie wenig nah diese verfasste Kirche bei den Menschen ist - dafür umso näher bei ihren Ängsten. Übrigens und falls es interessieren sollte: auf das Mitführen der Pappvagina wurde von seiten dern Huren verzichtet. Allerdings konnte ich mir nicht verkneifen, alle Anwesende zu fragen, ob sie denn auch ihre Vagina mitgebracht hätten. Was alle eilfertig und gerne bestätigten. Also hatten doch alle ihr Vaginchen bei sich. Was brauchte es da noch eine große Pappvagina ?

Ich denke es ist an Zeit - immer noch und erst recht - , statt erneut Menschen zu stigmatisieren und auszugrenzen, eine neue Geistesgegenwart in dieser Kirche zu er-finden: im Umgang mit Menschen und auch im Umgang mit den ihr anvertrauten Texten. Hier ein Versuch



gedankenreim:
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der liebe mass

gedankenreim zu Lk. 7,35ff
jesus und die sünderin



[1]
wie sich verwickelt

die liebe
nach aussen
im hause der feinde
angesichts des spottes
bei der die schon kennt
ihre schuld

unablässig immerzu
fliesst die träne auf ihn zu



[2]
wie sich verwickelt

das wissen
nach innen
im hause des spottes
angesichts der liebe
bei dem der schon kennt
seinen prophet

unablässig immerzu
murrt er: so bist du?



[3]

an füssen
ihn küssen
sie dort zu ehren
lässt ER sie gewähren
ohn unterlass

zwei schuldner zusammen
vergebung erlangen
dem denken
zu schenken
der liebe mass


copyright by karin kammann