Mittwoch, Juni 07, 2006

Pharmaceuticals

Immer öfters bekomme ich damit zu tun, dass Menschen, die zu mir kommen, auch woanders Hilfe suchen. Dann nehmen sie meist die klassischen Wege der Medizin und schlagen auf bei Arzt oder Apotheker.

Interessant ist, dass der Verbrauch an Psychopharmaka in den letzten Jahren in Deutschland beträchtlich gestiegen ist. Ein Klient berichtete mir neulich von seinem Besuch beim Neurologen: "Da hat er mir Tabletten verschrieben, weil er sonst nichts fest stellen konnte. Da kann ich dann ein Viertel, oder - wenn sie nicht wirken sollten - schon mal eine ganze Tablette einnehmen. Ich solle das mal für mich selber heraus finden." Grandios, sage ich da. Das pharmazeutische Selbstexperiment wird zur eigenen Beschäftigungstherapie.

Gegen die wachsenden Ohnmachtserfahrungen in unserer Gesellschaft hilft offensichlich nur noch die Selbstmedikation. Mit Tabletten kann man immer was tun - wogegen auch immer. Immerhin, diese Botschaft kommt an und wird geglaubt. Der Mensch bleibt ja erwachsen genug, sich gleich selber abzuschießen.

Das schließt so nahtlos an die gelungene Pausenwerbung an, wo Lehrerinnen Kopfschmerzmitteln einnehmen, um guten Unterricht zu leisten. Was früher die Zigarette leistete, muss heute die Tablette richten. Die Mechanismen der Selbstbelohnung funktionieren weiter. Der Markt ist von der Pharmaindustrie erkannt und wird besetzt. Werbeagenturen wechseln von Marlboro zu Thomapyrin.

Freiheit und Abenteuer werden möglich, wenn der Nebel der weiten Schulwelt sicht erst lichtet. Wunderbare Aussichten auf steigende Gewinne. Die Verführung liegt im Gebrauch. Und der Eisntig ist so einfach, weil man überall wohlwollend ange"fixt" wird. Dem Apotheker ist kein Lächeln fremd.

Was ist dagegen schon ein Gespräch, ein menschlicher Austausch und die körperliche Berührung? Man kann sie nicht in Form pressen, daher kaum vermarkten. Letztlich aber bleibt es wohl das, wovon wir wirklich leben.

Gefühle sind der innere Kompass der Seele. Viele haben diesen schon eingetauscht gegen ein vollausgestattetes Navigationssystem der Pharmaindustrie: "Beim nächsten Kopfschmerz bitte rechts abbiegen und Tablette in 300 Meter einwerfen. Gute Fahrt. Die nächste Apotheke befindet sich in 2,1 Kilometer Entfernung. "

Schöne, neue Welt.




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