Dienstag, Juni 15, 2010

Doch doch - es tut sich was ....

... unfassbar, heute erhielt ich eine Mail von einem guten Freund aus der Schweiz, der zum Judentum konvertiert ist und damit den Heimatweg angetreten hat, war er doch Jahre lang reformierter Pfarrer in der Schweiz. Ich habe ihn in Zürich getroffen damals, als die Welt noch so schön weit war und die Wege irgendwie offen, aber nicht klar. Es braucht manchmal Begegnungen, um sich selber nahe zu kommen. Austausch, um in die Mitte zu gehen. Und die Verbindung, um sich selber auf den Weg zu setzen.

So ist es mir mit ihm ergangen und mein Herz jubiliert innerlich (welch treffend antiquiertes Wort in diesem Zusammenhang), weil er nun das tat, was ich selber damals nicht tat.

Ja, das war NewYorkCity - ein haarbreit Nachbarschaft und Gemeinschaft. Damals ein Stromern durch die Straßen und dann schellte ich an der Upper West Site einfach an - Synagoge, sowas kannte ich nur zerstört und als Inschrift ohne Menschen - und trat ein. Michelle eine Rabbinerin begrüßte mich freundlich, wir redeten kurz miteinander und dann lud sich mich zum Abend ein. Einfach so und es war, als käme ich ich nach Hause. Man feierte SimChat HaThora, also man feierte, dass Gott seinem Volk die Thora gegeben hatte.

Wir trafen uns wieder in einem kleinen Raum mit wenig Menschen. Man begrüßte sich und kein Stuhl war da - nur einer im Kreis trug diese Thora und dann begann die Musik zu spielen und wir tanzten mit der Thora im Kreis und durcheinander und grüßten einander und freuten uns tatsächlich, dass Gott die Thora gab. Ein Erlebnis der eigenen Sorte und ein tiefer innerer Frieden machte ich in mir breit, als wäre ich bei Fremden angekommen - zu Hause.

Das war immer schon mein Gefühl, wenn es ums Judentum oder das Jüdische ging, das mir begegnete. Ich weiss nicht wann und wo, aber Else Lasker Schüler war mir eine treue Mutter geworden, die meinen Weg der Geschlechterkonversion treu begleitete. Ich wusste damals nicht, dass sie auch in Zürich gelebt hatte, als ich das erste Mal meinen Fuß in diese Stadt setze. Und ich nahm genau dort Platz, wo sie auch so oft gesessen haben musste - im Grand Cafe Odeon am Limmatplatz damals, das heute durch eine Apotheke halbiert ist.

Mein Frau Werden begann mit einem Gedichtband von ihr - "Ich muss Dich ansehen immerzu!" - den ich in Wuppertal auf dem Weihnachtsmarkt in Schloss Lüntenbeck erstanden hatte. Dreimal lief ich daran vorbei und musste überlegen, ob ich ihm mir kaufe oder nicht, eben so wie wenn man verliebt ist und nicht gleich tun kann, wie man möchte. Und ich kaufte ihn und fand darin alle Gedichte, die mich begleiten konnten, zuverlässige Stützen auf dünnem Tintenstrich.

"Ich suche allerlanden eine Stadt, die einen Engel vor der Türe hat ... !" Anfänge wie Ende reimten sich mit mir als Person, die so merkwürdig dazwischen gesteckt war. Noch Mann keine Frau, noch Frau ohne Form. Tino von Bagdad nannte sie sich und lief in komischen Gewändern mit einer Flöte durch die Strassen. Deutschlands größte Dichterin, wie Gottfried Benn zu sagen pflegte. Und dann saß ich da im Odeon, einfach so und als ich es merkte, flossen mir Tränen die Wange herunter, einfach so vor Rührung, vor Ankommen auf meiner Flucht vor dieser unmenschlichen Kirche.

All diese Geschichten kommen hoch wie Posaunenklänge, wenn ich lese, dass mein Freund ins Eigene rüber gemacht hat, nun Jude ist, der er immer schon war, da eine jüdische Mutter ihn gebar. All das haben wir in Deutschland nicht mehr, weswegen es schwer ist, jüdische Freunde zu finden, ohne die ich aber nicht leben kann und will.

Simchat HaThora auf der Upper West endete auf jeden Fall, indem wir von Haus zu Haus gingen und immer mehr tanzende Menschen sich uns anschlossen oder wir uns ihnen, bis am Ende eine ganze Straße tanzte und feierte. Schalom, dachte ich da. Und warum nur bin ich nicht durch den Vorgang gegangen, so ganz nah an meiner Seele.

Immer noch eine stille Zuflucht, wenn die Kirche nach mir greifen will, was ab und an passiert. Doch davon später mehr.




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