Mittwoch, Mai 23, 2007

Betriebswirtschaftliche Betrachtung - anno 2007

Drei Unternehmensberater stehen vor einem Kindergarten. Sie sehen, dass drei Kinder in den Kindergarten hineingehen und kurz darauf kommen fünf Kinder heraus. Sagt der eine zum anderen: "So! Jetzt müssen nur noch zwei Kinder reingehen und dann ist keiner mehr drin!"

Dienstag, Mai 22, 2007

Protestantisches Taliban Marketing

Es ist schon erstaunlich, was man sich so an geschliffener Rhetorik alles bieten lassen muss. So überrascht es nicht, wenn um Effekthascherei willen nun auch der Präses der EKiR auf jeden sich bietenden Unsinn springt. Nicht nur, dass er kongolesisch auf dem Kirchentag kocht, - bitte wer ist Alfons Schubeck ? - jetzt beteiligt er sich verbal auch bei der Bautruppe. Denn einen Damm will er errichten. Ja, sie lesen richtig: einen heiligen Damm des Gebetes.

Quelle:ekir.de

"Präses Nikolaus Schneider hat die Gemeinden aufgerufen, anlässlich des G8-Gipfels in Heiligendamm einen „Heiligen Damm des Gebetszu errichten."
Hier die Quelle.

Die Not um Aufmerksamkeit und Anpassung muss groß sein, wenn auch der Präses nun medial kochen geht und nebenher Dämme errichtet. Wissen Sie etwa, was kongolesisches Essen oder ein "Heiliger Damm des Gebetes" ist? Wozu der gut ist?

Peinlich wenn Epigonen meinen, an die Zeit der Friedensbewegungen anknüpfen zu können. Damals gab es einen Präses Peter Beier, der selber angefochten doch ganz anders mit Sprache umgehen konnte. Und solche Show Effekte mied.

Wen schert es, es hört ja eh keiner mehr hin.

Interessanter ist allerdings, dass sich die Ev. Kirche im Rheinland seit Jahren beharrlich weigert anzugeben, wo, wie und in welchem Umfang sie ihre Pensionsrücklagen angelegt hat. Sie wissen doch, diese Gelder für die Hedge Fonds. Das wäre durchaus ein Thema für Attac.

Einige hören da schon längst die Glocken läuten.

Transparenz statt billige Parolen wären alle Mal besser.
Na dann, guten Appetit.




Der Fall Kässmann: Civil Religion mit Bohlen Effekt

Wir erinnern uns: Margot Kässmann war die erste Landesbischöfin, die sich offensiv in den Mittelpunkt ihre Karriere stellte. Mit ihr, einer akademisch gebildeten, rhetorisch ausgezeichneten und vor allem sympathischen Erscheinung, so schien es, bekam die graue Männerkirche endlich neue Fahrt. Sie war die, der alles gelang. Die sich zu allem äußern konnte und es auch lebhaft tat. Ein protestantischer Tausendsassa mit lächelndem Gesicht.

Frau Kässmann nutzte jede sich bietende Gelegenheit grandios. Keine zuvor, die sich so einmischte und öffentlich selbst vermarkteten konnte. Exemplarisch und beispielhaft wie eine Kylie Minogue 1 offenbarte sie auch ihre Burstkrebserkrankung. Exemplarisch mutig trug sie nun ihre Scheidung in die Öffentlichkeit und droht nun, unter die Räder zu kommen.

Und das durchaus zu recht.

Naiv ist die Vorstellung, auch die Scheidung vermarkten zu können, um sich als glaubwürdiges, protestantisches Produkt darstellen zu können. Mit leichten Modifikationen weiter wie bisher? Wir sind ja alle nur Menschen?

In einer Zeit, in der alles personalisiert und vermarktet wird, hat Frau Kässmann bewusst dieselben Mechanismen eines Dieter Bohlen benutzt: Jedes Erkennen ist ein Wiedererkennen. Mediale Identifikation ist alles. Daher hofft sie nun folgerichtig auf eine vorauseilende, kollaborative Sympathie, die ihr die eigene Reflexion und Verantwortung am Scheitern ersparen soll.

Schon immer kämpfe sie. Da fügt sich ihre Erkrankung nahtlos ein. Schon immer war sie Opfer. Ein Opfer der schwierigen Umstände, des Amtes, der grauen Männerherrschaft im Kirchenapparat oder - horrible dictu – nun auch der eigenen Brustkrebserkrankung, die ihr Mann laut BILD Schlagzeile einfach nicht verarbeiten konnte. Damit hat sie sich öffentlich sanktioniert und vorab entschuldigt. Denn: Adam war es. 2

Zugleich aber hat sie, und das ist für eine evangelische Bischöfin bemerkenswert, Luthers Rechtfertigung des Sünders komplett auf den Kopf gestellt. Deren Besonderheit besteht ja darin, ein Verhältnis zu sich selber und seinem Tun entwickeln zu müssen, um sich als Sünder überhaupt erst begreifen zu können. Anders gesagt: Nur wer in den Spiegel geschaut hat, kann auch lachend wieder heraus treten.

Nichts von dem ist nun davon zu hören. Ein perfider Verrat geschieht da im ureigensten Territorium der Theologie, die sich folgerichtig nur noch in erfahrungsarmen Floskeln ausspricht und daher Figuren braucht, denen man die Glaubwürdigkeit anheften kann. Civil Religion mit Bohlen Effekt - oder: Frau Kässmann macht den Glauben wieder gut.

Das aber ist, mit Verlaub, als Landesbischöfin gar nicht ihre Aufgabe, sondern entspricht ihrer selbst gewählten, persönlichen Vermarktungsstrategie, die intuitiv und punktgenau die medialen Bedürfnisse des sog. öffentlichen Interesse bedient und viele Rollen bereit hielt: Frau Kässmann war der evangelische Exportschlager, war das gelungenes Gegenmodell zum Papst, die durchsetzungsfähige Karrierefrau und vierfache Mutter, die vollbeamtete Akademikerin, die von Krebs bedrohte Glaubensheldin 3 und und und ...

Dazwischen jedoch steht ein Mensch, der sich begreifen kann als von Gott erkannt und geliebt - immer beides. Aber solange man theologisch nur noch eines bereit ist auszusagen - Gott hat euch alle lieb - bleibt zwangsläufig ein menschliches Defizit bestehen. Mit dem Gute Laune Gott brettert man mutwillig am Evangelium vorbei. Es ist nicht mehr verwunderlich, wenn nun so wenig spürbar ist von einem Verantwortung tragenden Menschen, von seiner Zerbrechlichkeit, von seinen inneren Widersprüchen und Anfechtungen, wie ein Helmut Schmidt es zeitlebens lebte. Eher ist man versucht an einen Ministerpräsidenten Wulff zu denken, der den Wechsel seiner Beziehung im Verborgenen hielt und wohlweislich nicht öffentlich vermarktet hat.

Allerdings, wo ein Bischöfin sich vorab die Vergebung predigt und einfordert, muss all das zwangsläufig auf der Strecke bleiben. Seelsorglich durchaus, gebührt Frau Kässmann alle Sympathie. Aber diese darf eben nicht verwechselt werden mit den Mechanismen der Öffentlichkeitsverwertung. Deswegen scheint nun der Amtsverzicht und der Rückzug ins Private und Intime gebotener denn je.

Niemand braucht den Superstar oder eine evangelische Jeanne D´Arc, die allen Gefahren widersteht. Denn die Gefahr kommt - wie so oft - gar nicht von außen, sondern wächst aus innerem, falsch verstandenen Glauben heraus: unbedingt bleiben zu müssen statt gehen zu können. 4

Sympathie und Unterstützung 5 wird Frau Kässmann zweifellos erhalten, ebenso wie ein Mark Medlok oder eine Fiona von Heidi Klum. Aber es scheint, dass ihr "stellvertretend exemplarisches“ Leben nun zur narzistische Falle wird, der sie fortan nicht mehr entkommen kann. Gefangen in sich, ist keine wirkliche Lösung in Sicht. Also macht sie, was immer sie kann: weiter wie bisher.

Das Evangelium als frohe Botschaft der Befreiung allerdings braucht sie dafür nicht. Statt dessen genügt es hinfort, einfach benutzerfreundlich weiter zu lächeln.


Bild: www.ekd.de



1 Es gibt Unterschiede: Während Kylie sich komplett einer Chemotherapie unterziehen musste, ist von Frau Kässmann nur die Operation bekannt, die sie lachend mit Psalm 23 auf den Lippen begonnen haben soll. Minoque war mutig genug, auch ihre eigene Angst zu formulieren und liess sich mit Kahlkopf fotografieren. Frau Kässmann posierte lächelnd im Kreise ihrer Familie und griff ihren Mann in BILD frontal an. Gemeinsam ist, dass die Erkrankung beide die Beziehung kostete. Anders als Kylie, die zusammen mit Anastasia gemeinsame Appelle und Aufklärung auf den Weg brachten, begnügte Frau Kässmann sich mit ihrer Selbstdarstellung, statt es in ihre kirchliche Arbeit zu integrierten. (Betreuung, Beratung, Vorsorge, Zentren in kirchlichen Krankenhäusern etc.)

2 Diese klassische Schuldverschiebung kennt man aus der Schöpfungsgeschichte. "Eva war es!" so lautete immerhin der erste Satz des Mannes, nachdem er vom Baume der Weisheit und Erkenntnis gegessen hatte. Eine durch und durch kümmerliche Auskunft, trotz der epochalen Bedeutung seiner Tat. Wenn nun Eva durch Adam getauscht wird, zeigt es vielleicht doch, dass die Emanzipation der arrivierten Akademikerinnen dort angekommen ist, wo alle anfangen müssen: an der eigenen Nasenspitze.


3 Der Glaubensheld nach Kierkegaard sucht "verzweifelt man selbst sein" oder "verzweifelt nicht man selbst sein" zu wollen. Wobei der Kampf um die Anerkennung stets in dieselbe Paradoxie führt: eben aus sich heraus nicht besser sein zu können, sich selber nicht herstellen zu können. Frau Kässmann scheint sowohl in ihrer Ehe als auch dem kirchlichen Engagement Anteil daran zu haben, meint sie doch tatsächlich, "den Glauben gut machen" zu können. Daher halte ich diese Formulierung durchaus verräterisch und treffend für ihre Einstellung.

4 Luthers "Hier stehe ich nun, ich kann nicht anders!" basiert ja auch einem temporären Missverständnis seiner selbst. Hätte er damals schon gewusst, zu wessen er fähig war und wurde, wäre dieser Satz niemals über seine Lippen gekonnen. Heute allerdings wird er zu einem erratischen Satz gedehnt, mit welchem der Berufsprotestant das eigene Beharren im Beamtenrecht zu rechtfertigen versucht, durchaus trotzig in Habitus, aber eher behäbig im modus operandi.

5. Warum sind die Kirchen noch nicht darauf gekommen? Wie die Privatsender auch könnten sie dich per SMS oder Telefonanruf (sog. Televoting) darüber abstimmen lassen, ob Frau Kässmann bleibt oder besser eine Auszeit nimmt oder ganz auf ihr Amt verzichten soll. Der Mobilisierungsgrad wird sicherlich enorm hoch sein, wenn auch wirklich eine Konsequenz dahinter steht. Vielleicht sollte ein Gegenkandidat dabei sein, der diesen Posten auch übernehmen könnte. Das wäre der Höhepunkt der medialen Karriere. Die eingespielten Gelder von nicht unbeträchtlicher Summe könnten für wohltätige Projekte wie z.B. dem Erhalt der ev. Kindergärten ausgegeben werden.

Freitag, Mai 18, 2007

Im Windschatten

... bei der Anfrage,
für vier Wochen Coaching
in folgenden Städten zu übernehmen:




Hamburg


Kenne ich, ist wunderbar.
Hochschule für Bildende Kunst
im Jahre kurz nach dem Wechsel
Mike Hentz, freie Künstler. Ein Nachtworkshop

Über die Nacht gedehntes Zusammensein.
Gemeinsam Kochen und erste Versuche, Aktionen
Von Eleven die übermüdet schrill sich selber
Zur Hand nehmen, da anderes nicht mehr
Greifbar scheint

Als Pastorin habe ich
Rituelle Versorgung betrieben
Alle mit goldgefärbtem Reis gesegnet,
Cross over Rituale wie wir sie
Heute benötigen weit wehr
Als die gängigen Muster
Religiöser Selbstbefriedigung

Künstlerische Verfremdungen,
Nachtschwangere Augenblicke,
Kurz bevor der Geburt von
Wahnsinn oder Genie
Wild – wunderbare Zeiten.

Später dann
Hapag Lolyd. Mein
Angebot für eine philosophische
Praxis an Bord der MS Europa. Sie
Wollten mich. Ich blieb hier und
Zog an den Niederrhein



Frankfurt

Praktikum bei der
Frankfurter Rundschau
Schwindelnde Schattentürme
Der Mensch zertrümmert sich das
Genick beim Anschauen wird ihm klar
Klein bist und und wirst es bleiben

Berichterstattung über
Die Jährung des Ausschwitz Prozesses
Alte Männer aus Kanada mit jidischem Akzent
Und Tränensäcken im Reisegepäck. Schon
immer war Frankfurt jüdisch.

Ein Spaziergang

Über den jüdischen Friedhof
an der Friedberger Landstraße

Später dann die Fairness Stiftung
Einmal im Jahr Vorstände betreuuen
Keiner war so jovial nah wie ich. Ich mache mir
Nichts aus großen Leuten. Den Chefs von Trumpf
Den Leibingers bin auf die Pelle gerutscht,
Eingehakt duze ich sie ohne zu fragen. Sie
Mögen es



München

Im Jahre 1999
Meine ersten Besuch
Nachts im Schuman´s Bar
Boris Becker steht immer noch
Verloren wie die Büste in der
Weissblassen Niesche
Wohl morgen noch

Ostbahnhof
Diskotheken saugen mich
Auf nächtetanzlang mich
Ausführen im Schwarzlicht
Lederweste und Hose,
Macho Girl
Das tanz und tanzt
Unwiederbringliche Lust

Der CSD mit Tuntenlauf
Mein Ring am rechten
Finger stammt von dort.

Heute fahren wir einmal im Jahr
Und essen im Spaten eine
Schweinshaxe zur Freude

Wird man bürgerlich
Ohnehin

Die Zeiten ändern sich.

Manchmal
Stehen sie still, um
Im Windschatten
Von Erinnerung

Mich einzuholen
Wie Netze
An Land



Mittwoch, Mai 16, 2007

Denglisches Bekenntnis



Da hat sich die Ev. Kirche im Rheinland zum Kirchentag wirklich was einfallen lassen. Nicht nur, dass zum Kirchentag von der Werbeagentur (Scholz & Friends) für viel Kirchensteuergeld ein satter Haifisch zum neuen Christensymbol erkoren wurde, auch bei der Werbung für den Kirchentag setzt sie ganz auf "trendiges" DEnglisch. So erklärt ausgerechnet das Landeskirchenamt einen DEnglischen Warnhinweis zum Sieger eines Plakatwettbewerbs.

Wo man sonst vor Kängurus warnte, findet man nun den christlichen Haifisch verbunden mit dem sinnigen Slogan: "Caution - Sharper Christians may be present"


Offensichtlich schämt sich die Ev. Kirche im Rheinland der reichen, deutschen Sprachtradition eines Martin Luthers und nimmt sie lieber nicht mehr in Gebrauch.
"Es sollte durchaus mit ein bisschen Witz sein", so Petra Bosse-Huber, Vizepräses der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) und Mitglied der Jury. Witzig wäre allenfalls der Slogan "Caution - SharKer Christians may be present" (engl. shark = Hai) - aber zu so viel Humor und Selbstironie wollte man sich dann doch nicht aufraffen.

Insgesamt ist das eine sprachliche Bankrott Erklärung eines aufgesetzten Haifischprotestantismus, wie es schlimmer nicht sein kann. Anpassung alleine macht noch keine Botschaft. Vor allem dann, wenn sie keiner mehr verstehen kann, da jedlicher Inhalt fehlt.

Aber auch so kann man Kirchensteuer sinnlos verschwenden.
Noch Fragen?


Hier der komplette Artikel: http://www.ekir.de/ekir/ekir_44067.php


Kleiner Nachtrag:


Interessant wäre zu wissen, wer denn da vor wem gewarnt werden soll? Und warum?

Das Fisch-Symbol immerhin (ichtys, gr. Fisch und als Achrostichon eine Beschreibung für "Jesus, der Christus, Sohn Gottes, Retter") erlaubte ein gegenseitigen Erkennung der Christen unter Verfolgung. Nun aber soll es selbst eine Bedrohung darstellen, vor der gewarnt werden muss? Wie das?

Dienstag, Mai 15, 2007

Bodensee Berührungen

Eine Mail aus Konstanz erreichte mich. Daraufhin schrieb und verfertigte mich mit meinen Erinnerungen aus dem Jahre 1999


"Deine Mail hat mich berührt und es ist gut so.

Gottmadingen.
Meine Güte.
1999 ein Jahr Konstanz.


Vagabundieren in die Schweiz.
In der Bleiche ein Business Essen.

Fahrten im offenen Cabrio.

Lachen, neu anfangen.


Dazwischen eine Menge Leben gefaltet.
Weit weg. Wie jüdischen Fluchtgeschichten.
Damals war es nicht so einfach in die Schweiz zu gehen. Heute sagt man, überschwemmen die Deutschen die Schweizer. Da will ich nicht bei sei.

Behutsame Annäherung war mir lieber.


Dazwischen so viele Abschiede.
Weißt Du, das Rose
Ausländer, die verscheuchte Jüdin

zum ersten mal wieder in Konstanz
deutschen Boden betrat?


Übersetzte nach Meersburg, um den
Anette von Droste Hülshoff

Preis entgegen
zu nehmen.

Sie blieb spontan ein Jahr,

das nirgends erwähnt wird.

Der Nebel trieb sie

nach Düsseldorf,
wo sie 1986
verstarb.

Derweil begann ich
meinen Wechsel.

Es gib so viele
wunderbare Geschichten

dort unten und es
war ein
Willkommen wie unter

Meinesgleichen unvergleichliches Echo

Der Boden gibt genug
See um über ihn laufen
zu können.



Samstag, Mai 12, 2007

Jedes Erkennen ist ein Wiedersehen

Wie die Zeiten sich ändern. Damals, als ich anfing mich selber gegen alle Angst zu begreifen, waren Informationen Mangelware. Es gab den Spiegel mit einem ersten Bericht über Renee Richards Geschlechterkonversion im Jahre 1975. Damals konnte mein Vater die gelesenen Ausgaben eines Freundes Wochen später lesen und so kam auch der Spiegel mit diesen Berichten in meine Hand. Zitternd und unbegreiflich, dass es "so etwas" auch außerhalb von mir geben konnte. Und erschüttert darüber, dass "es" schon bekannt war, irgendwie raus gekommen , was ich jahrelang unter meiner Haut zu verbergen suchte.

Ja, ich empfand mich als fremd, als nie wirklich dazu gehörig und irgendwie dazwischen. Dieses Dazwischen sein schaffte es auf der anderen Seite aber auch, dass ich nach außen hin wunderbar funktionieren konnte. Kein Sitzenbleiben, keine Notenpatzer, ein wunderbares Kind mit hoch intelligenten Leistungen. Kann sein, ich habe mich darin verstecken können. Kann sein, es war eine Art gelungener Sublimation, das mein kleines Geheimnis schütze. Und dann diese Spiegel Artikel. Unerhört.

Es muss kurz davon oder danach gewesen sein, dass ich mich dann bekehrte zu Jesus Christus - so wie der CVJM es vorsah und mit allem Brennen, zu dem ein Herz fähig war. Ja, ich war fromm und schwebte immer zwei Zentimenter über dem Boden - weltfremd, weil jeder Blick auf die Wirklichkeit Schwindel bereitet und die vermeidliche Sicherheit im Himmel doch weitaus besser war dagegen einzutauschen. Dass es anders kam, bedeutet aber zum Glück nicht die Verleugnung des Glaubens, sondern eher dessen Bewahrheitung. Dass Gott Menschen rechtfertigt, dass er ihnen sein Ja gibt, damit sie leben können - mit welchen Fähigkeiten und Gebrechen auch immer.

Ein Internet existierte damals nicht. Es gab keine E Mails und auch keine Usergroups oder Newsforen. Alles, was das Internet an Information, an gegenseitigem Erkennen leisten kann, war Zukunft noch. Und man tat sich schwer. Später, viel später lernte ich dann die EZKU kennen und besuchte deren Herausgeberin Anna Bödecker in Köln. Kennen gelernt habe ich die Zeitung in Wuppertal, nachdem ich mich meiner Ärztin offenbart hatte. Irgendwie bekam ich den Kontakt und zum ersten Mal war da ein großes Aufatmen in mir : als werdende Frau musste man seinen Verstand nicht verlieren.

Immerhin hatte ich zuvor schon einmal eine Transsexuelle getroffen. Sabrina, ein ehemaliger Baggerführer und LKW Fahrer in Rüschenbluse und tönendem Bass. Die Finger nikotingelb dozierte sie über Nagellack und schwelgte in Erinnungen nächtlicher Autobahnfahrten mit Höchstgeschwindigkeit durchs Aosta Tal. Mehr als eine Doppelbelichtung erschreckte sie mich allein mit dem Gedanken, selber so werden zu können, zu müssen. Denn jedes Erkennen ist ein Wiedersehen und jeder Kontakt mit Transsexuellen war für mich in dieser Zeit Anziehung und Abstoßung zugleich.

Ein Gefühl, das sich durch den Magen zog wie ein brennendes Eisen. Eine Begegnung, die man vergessen will und in bebendem Bemühen sich nachts in die Träume schlicht, mich schreckhaft aufwachen ließ. Jahre später sollte mir ähnliches widerfahren, als ich als neue Frau die Synode in Bad Neuenahr besuchte und neben mir wiederum eine jener Nikotin geschwängerten Rüschenblusen sich vernehmlich machte, die ich später als Helma Alter identifizieren konnte, die Gründerin der Transsexuellen Selbsthilfe. Was für ein Erkennen, als sie dort oben für Trans-Leute meinte sich melden zu müssen zu, nicht ahnend, dass neben ihr die ersten geschlechter-konvertierte Theologin schon stand. Aber so war es immer mit dieser Selbsthilfe, die listenreich doch eher den eigenen Mangel bei anderen einklagte, anstatt wirklich hin zu schauen und zu organisieren.

Die EZKU dagegen war mir eine Offenbarung. Und zum ersten Mal las ich von anderen und begann zu begreifen, dass ich kein Einzelexemplar war, sondern Geschwister hatte. Menschen mit ähnlichen Infekten. Denn mit Geschichten und Geschlecht waren wir alle merkwürdig und unheilbar infiziert. Eine Krankheit zum Tode, das war es wohl nicht, obgleich ich es stets dachte.

Nach all meinen Wegen und spät, sehr spät fand ich dann 1997 den Weg ins Internet. Damals als frisch und ohne nachvollziehbare Gründe entlassene Pastorin im Sonderdienst, die weiß Gott mit Transgender Menschen nichts zu tun haben wollte, sondern auch und vor allen Dingen postoperativ für sich sein wollte. Kein Wunder, bot die Kirche sich als Versteck und forderte geradezu mein Schweigen heraus: Kein Wort über die Lippen. Du bist Frau und basta. Wen interessiert Dein Weg, Dein Werden? Keinen, also sei da un dankbar. So ungefähr ließen sich alle kirchlichen Durchsagen zusammen fassen.

1997 jedoch fand ich bei meiner ersten Suche im Internet eine wundersame Seite. Es gab das diese kandadische Internetpräsenz: C-Theory Und dort ein Bericht einer amerikanischen Professorin über einen Gender Workshop in San Francisco, den eine gewisse Kate Bornstein gehalten hatte. A transsexual Tiresias. Und sofort wusste ich, dass ich Kate treffen musste. Sofort wurde mir klar, dass mein Frausein, das wiedergewonnene Geschlecht, eine Genossin gefunden hat.

Je länger je mehr wurde mir das Netz dann als neue Welt offenbar und in allem Schmerz, auch damals durch die Trennung von Anne verursacht sowie die ausgewiesene Ignoranz einer Kirche, konnte ich dort mich wieder sehen. Ein Spiegel und weit mehr - so als wäre ich wie Alice im Wunderland durch meinen Spiegel in eine neue Welt gesprungen.

Heute fand ich zum Erstaunen den ersten, wirklich überzeugenden Podcast auf YouTube zum Thema Transgender und ich musste schmunzlen und an meinen langen Weg hin zu mehr Informationen und Wissen denken. Dennoch denke ich, tat es mir gut, mit das Wissen anzueignen statt es nur serviert zu bekommen, womit ich dann bei dem großen Unterschied zu heute bin. Wenn alles zugänglich ist, wird es nur konsumierbar, nicht aber aufgenommen und affiziert. Kann sein, das Langsame der Aneignung hat mir gut getan.

Heute jedoch bin auch ich immer noch beeindruckt von den Möglichkeiten, wie sie sich hier im Internet nun bieten, obgleich ich mir sicher bin: innerlich hilft auch Information nur bedingt weiter. Die Erschütterungen über sich selber bleiben gleich und so muss man schauen, sich anzuschauen und wieder zu sehen - in welcher Gestalt auch immer.



Freitag, Mai 04, 2007

Neulich fragte man mich ...

Nicht, das ich selber daran leiden würde. Aber man fragte mich heute morgen, wie man die Eifersucht verstehen und einordnen könne. Und da ich ja eine bekennende Feindin eines eindimensionalen Denkens bin, habe ich hier eine Antwort versucht:


Das Problem der Eifersucht ist,

dass
sie allein zu besitzen
scheint, was niemand besitzen kann.

dass
sie für sicher hält,
was nicht fest zu halten ist

dass
sie Liebe formatiert,
dass sie die Fülle negiert

dass sie
Bleiben suggeriert
wo nicht bleibt als Brennen

dass sie
Grenzen setzt und
dafür über jede Grenze geht

dass sie
nicht erlaubt, was
man sich selber nicht traut

dass sie
blind macht, weil sie
zu viel zu sehen scheint

dass sie
gehorsam fordert
wo Liebe wachsen soll

dass sie
haben will, statt
sich beschenken zu lassen

Eifersucht ist mehr als eine animalischer Reflex
sie bedient ein Beute schema, sie macht das Gegenüber
zum Objekt und sei es des eigenen Begehrens oder der eigenen
Angst, sie legt Netze um einen Menschen, die mal Geborgenheit suggeieren
mal ersticken können.

Die Eifersucht ist exklusiv
weil sie stets mit den anderen rechnet.