Dienstag, Mai 11, 2010

All in

Komisch ist es ja schon. Da schreibe ich im letzten Jahr mir die Finger wund in Erwartung eines Crash der Finanzmärkte, überlege mit, wie wir unser Leben neu gestalten sollten und müssten, welche Ressourcen dazu nötig wären - und es passiert einfach nichts.

Wie mit der Krise umgehen? - diese Frage wurde dadurch beantwortet, dass sie nicht spürbar wurde, zumindest für einen großen Teil nicht. Sparmaßnahmen, Einschnitte in die soziale Wirklichkeit aber auch erwachende Solidarität und Bewegung wurde der massive Stillstand entgegen gesetzt.

Man bewegte nichts.

Bis die Wahlen in NRW entschieden sein sollten.
Bis die Steuerschätzung eintrifft.
Bis man Daten habe.

Dazwischen blieb ein - so konnte man annehmen - folgenloser großer Kinderspielplatz, auf denen sich die politischen Jungspunde mal austoben durften. Die schlimme Wirklichkeit immer noch in der Hinterhand. Wehe wehe, wenn ich auf das Ende sehe.

Wer redet heute noch von der Bürgschaft von über 100 Mrd Euro, mit denen die HRE gestützt werden musste? Wer von der Verhaftung der Zukunft, mit der wie unsere heutigen Löcher schon gestopft haben? Oder von der IKB, wo ich jahrelang morgens auf meinem Weg in den Medienhafen vorbei gefahren bin?

Niemand, allenfalls von deren Chefs, die dennoch ihre Millionen schweren Gehälter und Boni einklagen wollen, weil sie sich keiner Schuld bewusst sind. "Das hat niemand kommen sehen!", und so exkulpiert sich eine ganze Führungsriege, dabei wäre es doch darauf angekommen, dass irgendjemand mal für irgendetwas Verantwortung übernähme. Eine Sündenbock Agentur, wie ich sie immer mal gründen wollte, hätte heute Hochkonjuktur. Statt dessen liefete man Gedankenspiele ohne Umsetzung. Reden, um Geräusche zu machen. Luftschläge in eine Zukunft, die schon längst verspielt war. Eine Heimspiel für die Liberalen.

Und nun bewegt es sich wieder. Das große Rad, das gedreht wird. Die Pokertische an den Finanzmärkten sind neu besetzt.

ALL IN - schallt es nun aus Brüssel.

Wenn man die Zocker nicht regulieren kann, zockt man selber mit. Kein schlechter Gedanke. Notwendig geradezu.

Ob eine solche Operation gut geht, wissen wir nicht. Noch nicht. Aber alle moralischen Kategorien und politischen Bedenken sind auf einmal beiseite gefegt. Die EZB zum Bluthund gemacht. Man legt alles auf den Tisch und hofft, mit diesem Bluff erfolgreich zu sein.

Mutig und verwegen, immerhin.

Denn schon längst schon hat sich diese Wirklichkeit vom realen Leben der Menschen abgekoppelt. Hypnotisch (hypnos, gr = Schlaf) verfolgen wir, was oben entschieden wird. Eine solche angespannte Ohnmacht drängt wieder zum Schreiben.

Um irgendwie wach zu bleiben, gegen diese Lähmung.



Denn alles, was wir bisher gedacht hatten, kommt anders.

P.S.: Tatsächlich sind die ersten Nutznießer dieser Maßnahme mal wieder die Banken und das gleich doppelt: erstens kaufen sie nun staatlich verbriefte Staatsanleihen auf - was an und für sich keine Leistung ist, obwohl Herr Ackermann das als honorige Geste und Beteiligung sieht. Und zweitens stiegen gestern die Kurse genau dieser Banken zweistellig.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Super Kommentar - ein kritischer wacher Geist, der so etwas schreiben kann. Kompliment!

Bernd Sowa