Donnerstag, Mai 04, 2006

Altenheim Abschiede

Abschied nehmen ist nicht einfach. Man hat es nicht gelernt und auch die Orte des Abschieds sind andere geworden. Als Petras Eltern vor drei Jahren starben, ging es bis auf den Grund. Zeit verdichtete sich. Nahm ab an Geschwindigkeit. Verlangsamte sich mehr und mehr.

Die Tage und Nächte am Krankenbett hinterher. Ihre Mutter haben wir lange begleitet. Berührungen, die wohl tun. Die Angst hinter jedem Atemzug. Der elende Kampf um den Rest von Leben. Nein, sie wollte nicht sterben. Wollte nicht gehen. Hatte Angst davor. So saßen wir jeden Tag an ihrem Bett. Petra blieb die Nächte über im Krankenhaus.

Sterben erzeugt auch einen Sog. Als wolle man einander nicht loslassen und die Liebsten so weit mitnehmen, wie es irgend möglich ist. Petra kam immer wie aus dem Wasser gezogen aus dem Krankenhaus. Aufgerieben. Stumm, ohne Worte. Das Zusehen langte. Die Anwesenheit. Die Gewissheit des Abschiedes. Du gehst und ich sehe dich nie nie mehr wieder.

Sterbebegleitung ist aufreibend. Dennoch schön, beglückend wenn ein Mensch loslassen kann. Einen kleinen Moment. Um dann wieder zu kämpfen anzufangen. Um jeden Atemzug, um jede Minute.

Zuvor kamen die beiden in ein Altenheim. Es ging einfach nicht mehr. Und das, obwohl Petra sie vier Jahre lang versorgt und bekocht hatte, obwohl alle mobilen Dienste da waren. Das Altenheim muss der Horror gewesen sein. Es gibt eine offizielle Seite und eine nicht-offzizielle. Letztere brachte Äußerungen zustande wie: "Beschwer Dich nicht hier. Wenn ihr wieder weg seid, müssen wir es ausbaden."

Gerade mal vier Monate blieben sie dort. Ein Zimmer mit zwei Betten. Krankenhausbetten. Ein Rufanlage und ein Fernseher, der permanent lief. Der Geruch von Sagrotan in der Luft und der hilflose Versuch, durch zwei mitgebrachte Sessel etwas Heimeligkeit herzustellen.

Der Abschied kam schnell. Und als sie im Krankenwagen weggebracht wurde, bedeutete Petras Mutter: "Hier komme ich nie wieder hin!" Ich denke, alte Menschen wissen von ihrem Ende. Entscheiden selber.

In Wachtendonk wollen sie nun auch ein Altenheim bauen. Schon seit Jahren versucht man es. Es klingt wie ein Prestigeobjekt der Kommunalpolitiker, alles Männer versteht sich. Unbedingt möchte man etwas vorzeigen können. Seht her, wir kümmern uns um die Alten. Die CDU war sich nicht zu schade, mit dem Slogan der hiesigen Müllabfuhr Schoenmakers dafür zu werben: "Heute schon für morgen sorgen."

Die Rechnung wird so nicht aufgehen. Zum einen werden wir zwar mehr Alte in Wachtendonk haben, diese gehen nur im absoluten Notfall ins Altenheim - Pflegestufe zwei oder drei. Der Verbleib wird intensiver und kürzer. Das rechnet sich für Wachtendonk und die 40 Betten nicht. Die Wachtendonker selber werden versuchen, so lange als möglich in den Familien zu bleiben. Und die "Angeschwemmten", wie man hier die Neuzugezogenen nennt, werden sich eher in die Städte zurück begeben, als vom Eigenheim ins Altenheim zu wechseln. Wer kann sich sowas denn vorstellen?

Der Tod kommt anders, als man denkt. Die Diskussion über ein Altenheim in Wachtendonk dient wohl doch der Profilierung der hiesigen Wahlverlierer, sprich CDU und SPD, die bei diesem Thema in neuer, großer Koalition zusammen arbeiten - immer noch mit den alten Konzepten.

Böse Zungen behaupten, sie sorgten damit am besten für ihre Zukunft.


Keine Kommentare: