Dienstag, März 24, 2009

Going blind - oder wie mit der Krise umgehen?


Immer noch finde ich in den Themen diverser Foren auf Xing.de klassische Durchhalte Parolen: "Mit Optimismus die Krise angehen". Als ob alles der eigenen, inneren Einstellung geschuldet sei. Und es eines trotzigen "Jetzt erst recht!" bedarf. Als ob man nur die Ärmel aufkrempeln müsse, die inneren und äußeren, um wieder da zu sein, wo man vormals mal war.

Das wird nicht geschehen. Das wird gar nicht geschehen, dass wir wieder dorthin kommen, wo wir einmal waren. Und das ist gut so. Denn festhalten müssen wir: Auch das Finanzwesen hat einen "hydrologischen Bruch" erfahren. Unvorstellbare Massen an Geld und Finanzmittel wurden bewegt und so manche Existenz, so manches Haus ist dadurch ins Rutschen gekommen. Noch ist gar nicht klar, wo wir damit hinkommen werden.

Erst langsamt setzt sich die träge Masse in Bewegung und wir ahnen: Kurzarbeit wird kein vorübergehendes Mittel sein, um den dortigen Prozessen dauerhaft begegnen zu können. Entlassungen - das unschöne Wort, geistert durch die Poren der Belegschaft.

Wen wird es treffen? Wen nicht? Gewinner - Verlierer. Das wird es so nicht mehr geben können. Die Aufteilung in einen Arbeitsmarkt, der noch funktioniert und einer Menge alimentierter Arbeitsloser wird je länger je mehr nicht mehr funktionieren können. Die De-Solidarisierung, die wir in den letzten Jahrzehnten erlebt haben, ist an ihr Ende gekommen.

Alle werden betroffen sein.
So oder so. Keine Flucht möglich.
Wir werden sehen.

Möglich war es nur, weil man die Zukunft verzockt hat. Preise und Kurse entwickelten sich nicht am Realwert, sondern am hypothetischen Wert in einer noch unbekannten Zukunft. Diese meinte man mit Gewinn schon heute in Zahlen verrechnen zu können. Dieser Finanzmarkt war eine inverse Eschatologie, die Zukunft nicht gelten ließ, wo sie nicht monetär schon heute konvertierbar wurde.

Das gute Ende vorausnehmend, zahlte man Preise, die morgen erst sich einstellen mussten. Zukunft wurde zum Grundstoff aller Spekulationen. Und - Vertrauen. Denn ein solches System funktioniert nur, wenn andere bereit sind, darauf Wetten zu tätigen. Wenn sie vertrauen auf das, was sie dort tun. Wissen dagegen war entbehrlich.

Inzwischen sind beide Grundstoffe redlich verbraucht.

Die Zukunft schrumpft nun in die Gegenwart zusammen. Das Wort vom Überleben gewinnt an Gewicht. Während früher allenfalls Gewinnstrategien denkbar waren, geht es heute mehr und mehr ums Überleben. Das des Individuums, das eines Unternehmens, aber wohl doch viel mehr der ganzen Gesellschaft.

Werden wir morgen noch so leben können, wie wir es heute tun?

Ein Gutes hat diese Krise ja: Die Ritter der Zukunft kehren geschlagen zurück. Die Schlachten sind allesamt verloren. Die Zukunft bleibt erst mal verzockt, das Vertrauen verspielt. Jetzt muss der Staat ausrücken, um das Heute gerade noch zur retten.

Das Morgen wird unsicher.
Der Puls wird spürbarer.

Das Heute bekommt eine andere, drängendere Bedeutung. Es ist, als würde Adrenalin in die Adern schießen und die Menschen langsam erwachten. Als wäre das Wort "Überleben", was man allenfalls für die Hungerkatastrophen Afrikas noch gelten lassen wollte, nach Deutschland zurück gekehrt.

Dieser Zustand langsamen Erwachsens kann man durchaus begrüßen. Aber es ist nicht ausgemacht, wohin es damit geht. Es wird nur klappen, wenn man die Gegenwart und damit auch den Nachbarn neu wert schätzen lernt. Solidarität wird ein Schlüsselwort des Kommenden werden - dass man hier und jetzt lernt, das Vorhandene zu teilen. Dass man stehen bleibt und das Heute zulässt, anstatt es schon wieder in Zukunft zu transformieren.

Ich persönlich sehe gute Ansätze dazu, der Krise anders zu begegnen als mit Apellen und einen trotzigen Weiter So. Das blinde Ausgreifen auf eine Zukunft, die so nie geschehen wird, hat bald aufgehört.

Die Zeit kehrt ins Heute zurück.
Und macht sie voller denn je.

Wert - voller.



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