Sicherlich ist es nicht einfach, nach Jahren wieder ins Fernsehn zu gehen. Man sollte sich klar sein, was man zu sagen hat. Und auch klar darüber, dass auch das Fernsehen seine eigenen Interessen hat, die nicht mit den eigenen zur Deckung zu bringen sind.
Es gibt so viele, die ins Licht möchten. Als ob die Kamera etwas mehr sagen könnte von dem, was ein Mensch erlebt hat, wie er fühlt und denkt. Als ob die Öffentlichkeit per se gut wäre. Das ist sie nicht - im Gegenteil, kann sie viel Unsinn anrichten.
So schrieb ich schon in meinem Vortrag
"Und danach - was dann?" für den CSD Kassel:
"Der Voyeurismus wird erst durch die Kamera bedient und weckt damit die Begehrlichkeiten eines Publikums, das in unserem Fall stets auf das Besondere und Exotische, das Fremde angefixt wird. Solidarisierungen werden im Blick der Kamera unmöglich. Das grelle Licht verbrennt die Zwischentöne, immer wieder werden dieselben Stereotypen transportiert. Darüber sind die vermeidlich Agierenden schon längst zu Objekten medialer Bedürfnisse degradiert und verschwinden als Person gerade dann, wenn sie sich in den Mittelpunkt stehen.
Mediale Dialektik.Der Begehrlichkeit des Auges kann sich niemand entziehen.
Was man im Alltagstest von Betroffenen tagtäglich erlebt werden kann, wird nun öffentlich kopiert: Das Erstaunen am Offensichtlichen. „Ey, was ist das denn?“ Keine von uns kommt an diesem Phänomen vorbei, nur ist es fraglich, dieses noch weiterhin öffentlich in den Medien ausführen zu müssen. Man muss einen neuen Weg finden, zu reden gegen den ersten und zweiten Eindruck. Denn in der Projektionen der Sehenden, im gebannten Auge bleiben auch wir Betroffenen gefangen und können uns nicht bewegen."
Auch der SWR wollte anfangs diese Muster bedienen. Fragte mich nach Vorher-Nachher Bildern, als ob das jemals etwas mehr zum Verstehen beigetragen hätte. Ich denke: Nein. Es fixiert mehr, als es Sprache gibt. Es bannt und hypnotisiert den Blick. Man sieht alles und versteht nichts.
Dennoch war es eine gute Sendung, die man jetzt Freitag, am 5. Okt. um 22 Uhr im SWR sehen kann. Eine Sendung, die auch mich berührte. So viele Menschen, die ihre Veränderung lebten.
Ingrid van Bergen, die stets auf der Flucht ist - aus gutem Gewissen sozusagen. Denn für sie wäre es nicht auszuhalten, wenn sie stehen blieb. Das zu verstehen, ist nicht einfach, wenn man ihr begegnet.
Aber ab und an entstehen diese kleinen Momente. Wo es stiller wird um sie herum. Ruhiger. Wo man mal einen Moment stehen bleibt, weil man es sich erlauben kann. Das war, als ich sie am nächsten Morgen verabschiedetet - morgens um acht am Hotelausgang. Die Sonne schien und legte sich lächelnd auf den See vor Schloss Monrepos.
"Wat machse denn schon soo früh hier auffe Beine?" kam es von hinten, als man ihre Schritte auf dem Gang hörte. "Ich wollte Dich verabschieden!" "Mensch, dat bin ick ja gar nicht gewöhnt!" sagte sie und blieb dann diesen einen Moment stehen. Und dann wirkte sie auf einmal berührt und zerbrechlich. So, als könne man sie in den Arm nehmen, flüchtig, wie eine fallende Porzellan Puppe - nur nicht zu lange.
Der Moment ging vorbei. Wir lächelten uns an. Erkannten einander. Dann kam die Stimme von der Rezeption: "Frau von Bergen, Ihr Taxi ist da!" "Na, dann will ich mich wieder vom Acker machen!" sagte sie und packte ihren Koffer.
Es gibt Menschen, die sind so gezeichnet vom Leben, dass sie voran gehen müssen. Immer voran. Und das nicht, weil sie aus schlechtem Gewissen getriebene sind. Sondern weil sie schon einmal so furchtbar wehrlos waren. Weil ihre Haut auf den Markt der Medien getragen wurde, ohne dass man sich retten konnte. So soll sie reglos sitzen geblieben sein, damals bei ihrem Prozess.
Begegnungen wie diese versöhnen mich mit dem Gang an die Öffentlichkeit. Begegnungen wie diese zeigen, dass man Geschwister hat, die man an den Narben erkennen kann. Nicht den offensichtlichen, sondern denen, die man unter der Haut trägt, die feinen Risse auf der Seele, die nicht heilen wollen.
Sonntag, September 23, 2007
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