Samstag, Januar 27, 2007

Flatline

Es war acht Uhr an einem Sonntag Morgen. Das Telefon schellte. Eine Freundin rief an, sagte "Hallo". Ein müdes "Uaaahhh". Dann legte ich den Hörer kommentarlos auf. Ich zog die Decke über den Kopf und drehte mich um.

Es war acht Uhr fünfzehn. Das Telefon schellte erneut.Manchmal kann ich am Klingeln erkennen, wer dran ist. Es kam das bekannte, etwas zögerliche "Hallo?". Von mir gab es keine Antwort. Jetzt klackte es am anderen Ende. Aufgelegt.

Es war acht Uhr und fünfundzwanzig. Es klingelte erneut. Zum Glück habe ich den Apparat am Bett stehen. Genervt drehte ich mich um. Ich ahnte schon was kam.
"Hallo???"
"Was ist es sich denn?" fragte ich mürrisch.
Nur zu genau wußte ich, wer an der anderen Leitung war.

"Ich bin es!" kam es heiter zurück.
"Ja, das habe ich mir schon gedacht. Wer sonst? Was gibt es denn so Wichtiges, dass Du ich Sonntag morgens unbedingt wecken musst?" fragte ich, da ich nun schon mal wach war.
"Oooch" dehnte sich das Wort, "eigentlich nichts Besonderes. Es ist nur..."

Geschichten kamen mir in den Sinn. Katastrophenmeldungen bei ihr fangen immer so an. Sie klingen erst ganz harmlos. Nichts sei geschehen, sagte sie anfangs und am Ende hing sie heulend wie ein Waschlappen in der Leitung und wollte nur getröstet werden. Ich sah auf den Wecker. Es war jetzt acht Uhr vierundreissig.

Wie man mit so wenig Worten so lange reden konnte, fragte ich mich noch, als sie weiter fortfuhr.

"Fällt Dir denn gar nichts auf?"
"Doch, Du hast mich jetzt schon zum dritten Mal angerufen. Es muß also wichtig sein."
"Nein, ist es eigentlich nicht." versuchte sie mich zu beruhigen. Das wird ja noch schöner dachte ich. Erst versetzt sie mich in einen alarmierten Wachzustand, nur um dann zu berichten, dass wirklich nichts los sei.
"Also komm, was ist es denn..." sagte ich genervt.

"Ja ja, ich zeig es Dir mal!!" echote es an der anderen Leitung. "Du wirst es nicht glauben!" Gerade bei solchen Sätzen ist höchste Achtsamkeit geboten. Nun war ich auf alles gefasst.
Nur darauf nicht.
"Klack" machte es in der Leitung.
Sie hatte aufgelegt. Einfach so.


Bevor ich das Telefon weglegen konnte, klingelte es erneut.
"Ja was denn....??"
"Hast Du es gemerkt? Hast Du es nicht gemerkt???", kam es vom anderen Ende. "Ja was soll ich gemerkt haben? Bitteschön... "
"Na, dass ich vom Handy aus anrufe..."sagte sie.
Das war mir in der Tat entgangen.


"Ja bist Du denn nicht zu Hause?" fragte ich besorgt zurück. Bekannt waren ihre Eskapaden, sich irgend einen Körper einzufangen. Gerade an Wochenenden. Man musste Sorge haben um sie. Manchmal halfen nur noch gezielte Interventionen . Aber so schlimm klang es diesmal gar nicht. Komisch.

"Nein nein", kam es aus dem anderen Ende der Leitung. "Ich bin nicht weg. Ich bin tatsächlich zu Hause." Ein Stein fliel mir vom Herzen. Ich konnte liegen bleiben. Wenigstens das.

"Und warum nimmst Du das Handy? Hast Du zu viel Geld oder bist Du zu betrunken, um dein Telefon wieder zu finden?"

"Heiss, gaanz heiss... " kam es lachend zurück.
So etwas kannte ich nicht von ihr, zumal nicht an einem Sonntag Morgen.

"Also, betrunken bist Du wohl nicht?" begann ich mein Ausschlussverfahren. "Nein, wo denkst Du hin?" kam lachend die Antwort.
"Zu viel Geld ? Hm, bei Deinem Lebensstil kann das wohl auch nicht sein. Eine Beförderung? Hast Du einen neuen Job bekommen?"
"Auch nein!" echote es mir entgegen.
"Dann weiss ich nicht weiter. Mensch, spann mich doch nicht so auf die Folter. Ist doch teuer genug!"

"Eben nicht!!" kam es triumphierend zurück.
"Aha!" kam es tumb von meiner Seite.
"Ich habe meinen Tarif gewechselt!"
"Welchen Tarif denn?"
"Na, meinen Handy Tarif !"
"Ja und.....?? "


"Beim neuen Tarif habe ich jetzt alle Festnetzgespräche kostenlos. Stell Dir vor, ich zahle gar nichts mehr dafür. Null. Nix. Niente !", begeisterte sich mein Gegenüber.

"Und das musst Du mir am Sonntag morgen mitteilen, indem Du mich drei Mal hinterinander anrufst?" Ungläubig schaute ich auf die Uhr. Acht Uhr zweiundfünfzig.

"Stimmt nicht!" sagte sie. "Vier Mal habe ich Dich angerufen. Und das alles zum Nulltarif. Genial was?"
"Ja - einfach Klasse!" gab ich müde zurück.

"Dich zu Hause zu erreichen, das schaff ich ja nur Sonntag morgens. Sonst bist Du immer unterwegs. Und dich auf deinem Handy anzurufen; das ist mir schlicht zu teuer." Sagte es und legte auf.


Gestern stand ein Telekom Vertreter vor mir. Er hatte eine wunderschöne Broschüre in der Hand. Als er den Mund aufmachen wollte, schrie ich ihn an: "Sie können Ihre Flatline behalten, lassen Sie mich einfach nur in Ruhe."
Sagte es und schlug ihm die Türe vor der Nase zu.


Wahrscheinlich wird er dieses Vorkommnis sofort mit seinem Chef besprochen haben. Am Telefon. Allein, um sich wieder aufzubauen. Zum Nulltarif, versteht sich.
Via Flatline.

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