Samstag, April 22, 2006

Make China happy ...

Es gibt sie immer noch - die Rituale zu Frühlingsanfang. Während man früher anfing die Beete zu harken oder sich mit beiden Händen in die Erde begab, sind die heutigen Handlungen einfacher zu bewerkstelligen. Meist elekrifiziert.

Nicht dass ich was gegen Arbeitserleichtungen hätte. Fürwahr, was ist nicht für eine Armada von kleinen Helferlein in den Garten eingezogen. Aber als ich heute mit Rocco Gassi ging, hörte ich es von allen Seiten. Das leiste Surren einer Turbine oder Pumpe, kombiniert mit einem nicht näher zu definierenden Zischlaut. So als hätte man eine Flasche Apfelschorle beim Öffnen zuvor geschüttelt - aber das permanent und andauernd.

Hochdruckreiniger. Ein neues Wort und Gerät, das allem mühsamen Schrubben ein Ende setzt. Elegant, lässig und mit mindestens 3,8 bar Druck in der Leitung. Von rechts und links drang das Geräusch an mein Ohr. Wachtendonk ist eine Hochburg der Hochdruckreiniger, so schien es mir. Und alle waren zeitgleich an diesem Samstag im Einsatz. Immerhin galt es den Winter zu vertreiben und gründlich - mit Hochdruck - an den Beseitigung seiner Spuren zu arbeiten.

Fast haben wir Deutsche ja eine traurig gute Bilanz in solchen Dingen. Man könnte wohl auch die damalige Entnazifizierung auch als Hochdruckreinigung bezeichen, denn sicherlich hinterließ auch sie mehr Geräusche als tatsächliche Wirkung.

Auch wir haben einen Hochdruckreiniger.

Den hat Petra mal bei QVC im Fernsehn erstanden und war schier erstaunt, dass er prompt und fehlerfrei geliefert wurde. Ich glaube sogar, wir haben ihn nachts um 23:40 Uhr bestellt. Ein Unding. Wir saßen aufgeregt wie kleine Kinder im Bett, die zum ersten Mal staunend die Konsumwelt betraten. Per Telefon ein solches Gerät nachts aus dem Bett heraus bestellen - wie war das nur möglich?

Nun ist er da. Und muss auch eingesetzt werden.
An einem Tag wie heute.

Und wenn man dann zu Mittag dem permanent kreischenden Gräusch entkommt - sorry, er klingt tatsächlich wie eine hysterische Turbine - und sich endlich den Hund für einen Mittagslauf geschnappt hat, gerade dann bekommt man - von außerhalb als vielfaches Echo dasselbe noch mal auf die Ohren.

Ich glaube es gibt nur wenig sinnvollere Erfindungen wie diese. Vielleicht gehört gerade noch der herbstliche Laubbläser dazu, den ich bisher nur in Männerhand bewundern konnte. Aber ein Hochdruckreiniger, das ist schon fast die finale Aufrüstung des Gartenamateurs. (Ja, ich bin mir wohl bewußt, dass auch wir einen besitzen.)

Kurzum: an diesem Samstag waren alle in Wachtendonk verfübaren Hochdruckreiniger zeitgleich gegen 12:30 Uhr im Einsatz für ein schlicht einmalig kakophones Konzert. Selbst Rocco wurde leicht panisch und wünschte sich das klare Kreischen eines Karnickels, das vor ihm Reissaus nahm.

Geschätze 86 Hochdruckreiniger - wir haben hier ausgesuchte Neubaugebiete mit Eigenheimanspruch - waren im Einsatz. Ein Klacks wenn man bedenkt, dass ausgerechnet ALDI diese für einen traumhaft günstigen Preis im Angebot hatte. Das war erst letzte Woche. Und diese waren nun restlos ausverkauft.

Make China happy - assembled in China. Alle diese kreischenden Billigartikel von Aufrüstware, für die sich beim Realpreis Deutschland keine Sau interessieren würde, sind jetzt futuristische Fundstücke der Globalisierung geworden. Ich sehe hunderte von Chinesen damit beschäftigt, nichts anderes als Hochdruckreiniger für Wachtendonk zu fertigen. Damit auch hier die Freude des globalisierten Un- und Leichtsinns unaufhörlich sein Wesen treiben kann.

Weit außerhalb sah Rocco mich zweifelnd an. Und bevor ich was sagen konnte, nahm er Witterung auf und war weit weit weg ... hinter irgend einem Vogel her.

Glücklicher Rocco, dachte ich noch. Bevor ich zurück kehrte und Petra sagte: Karin, kannst Du bitte mal mit dem Besen und etwas Lauge über die Steine gehen. Ich glaube, so ganz sauber sind sie doch noch nicht ...

Eben. Sag ich doch.
Aber China lächelt.
Immer noch.

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