Mittwoch, Oktober 10, 2012

Fingerübungen als Zufluchtsort

Ja, es ist lange her, dass ich hier geschrieben habe. Das hat einfache Gründe, die so einfach gar nicht zu erklären sind. Das Internet ist zu offen und wer Nachbarn bekommt, die alles mitlesen müssen und obendrein unterträglich werden, der überlegt sich genau, was er schreibt und wo er schreibt.

Gottseidank - ja, das Wort kenne ich noch - sind sie nach zweieinhalb Jahren ausgezogen und nun atmen wir auf. Es ist nicht einfach in einer alten, jetzt umgebauten Hofanlage zu wohnen, mindestens sechs Mal pro Tag an Menschen vorbei zu laufen, die einem feindselig gesonnen sind.

Es stimmt, die Atmosphäre hat sich verändert. Und wer hätte jemals gedacht, dass aus einem freundlichen "Chic chic" in den Ohren der Nachbarn ein "Fick fick" wurde. Sexuelle Phantasien liefen über. Eskalationen waren vorgeprägt plus dem Versuch, mich als geschlechter konvertieren Menschen abermals zu diskreditieren. Schade nur, dass so etwas in Wachtendonk nun nicht mehr gelingt.

Dennoch, als wir Anfang Mai hörten, dass unsere Tür mit Streichhözern und Sekundenkleber zugeklebt wurde, während wir unterwegs waren, blieb das Herz schon einmal stocken. Die Muße zum Schreiben bedingt eine gewisses Gefühl von Heimat und Sicherheit. Den gab es hier schon lange nicht mehr.

Nun räume ich auf, kläre die Situation und werde mich reduzieren müssen. Aus gegebenen Anlass. Und es fällt gar nicht so einfach, sie wieder einzufinden hier, wo ich schreibe. Wo ich in Dialog mit mir selber gebe. Fingerübungen mache, und Gedanken während des Schreibens sortieren mag.

Dabei passiert mir Merkwürdiges: ich lese die alten Post und wundere mich. Das war ich. So habe ich geschrieben. Und heimlich klatsche ich Beifall für eine Zeit, jenseits dieser Zeit. Kann sein, das Leben verläuft in Stufen und Abschiede gehören dazu.

Was wir üben können sind immer noch die Finger, jetzt und hier, wo ich schreibe. Morgen und Übermorgen, um später vielleicht lesen zu können, was man vergessen hat. Daher ist dieser Blog auch - gerettetes Leben.

Oder anders gesagt: ein Zufluchtsort.

Schön, dass es wieder werden will.
Jetzt, wo sie weg sind.